Marktregeln brechen

Unvorstellbar wird Geschäftsmodell

Von Andreas Franken, Franken-Consulting

„Der Fernseher wird sich auf dem Markt nicht durchsetzen. Die Menschen werden sehr bald müde sein, jeden Abend auf eine Sperrholzkiste zu starren,“ verkündete 1946 Darryl F. Zanuck, Chef der Filmgesellschaft 20th Century Fox, und auch Ken Olson, Präsident der Digital Equipment Corp. war sich 1977 sicher: „Es gibt keinen Grund dafür, dass jemand einen Computer zu Hause haben wollte.“ Das wirkt heute lächerlich. Damals allerdings haben viele Anbieter der betroffenen Branchen fest an die seinerzeit geltenden Marktprinzipien geglaubt. Warum soll es heute anders sein? Viele aktuell noch gültige Glaubensgrundsätze werden im Laufe der Jahre sicher ebenfalls ad absurdum geführt.

Die Grundannahmen einer Branche sind wie die Regeln eines Spiels. Und so wie es Spiele gibt, bei denen man gegen bessere Gegner immer wieder verliert, gibt es auch im Geschäftsleben Wettbewerber, die einfach besser als man selbst sind. Diese Marktführer beherrschen die Regeln ihrer jeweiligen Branche meist perfekt und sie haben als Gewinner in ihren Märkten kein Interesse daran, die Spielregeln zu verändern. Das restliche Feld kann auf bessere Karten hoffen – oder die geltenden Regeln brechen, indem es ein eigenes Spiel aufmacht, Glaubensgrundsätze stürzt und Kundenbedürfnisse neu entdeckt.

Marktführer leben vom Status quo

Branchen teilen sich für gewöhnlich in eine Anbieter- und eine Nachfrageseite. Die Anbieter stehen meist im Wettbewerb zueinander und ringen um Marktanteile.

In vielen Branchen scheinen sich die einmal verteilten Marktanteile – wenn überhaupt – nur marginal zu verschieben. Dort gibt es klare Rankings auf der Anbieterseite. Die jeweiligen Branchenprimusse profitieren von den aktuellen Regularien. Für sie gibt es wenig bis gar keine Gründe, etwas zu verändern.

Veränderungen entstehen als Ausnahmen

Die Erfahrung hat gelehrt, dass Veränderung stets eines Antriebs bedarf. Krisen sind z.B. gute Motivatoren für Veränderungen. Ein weiterer wichtiger Motivator ist das Streben bzw. der Hunger nach Erfolg. Branchenführer verändern sich selbstverständlich auch, aber eher auf evolutionäre Art und Weise.

Wirklich revolutionäre Veränderungen werden zumeist von Unternehmen bewirkt, die in einer Branche eher unbedeutend sind, oder gar von Branchenfremden.

Beispiele für erfolgreiche Regelbrüche

  • Die Musikindustrie war lange der festen Überzeugung, dass ihre Kunden CDs kaufen möchten. Bis Apple mit iTunes ein völlig neues Konzept etablierte, das daran glaubte, dass Kunden in erster Linie Musik hören möchten. Indem Apple die alte Regel brach, wurde das Unternehmen Marktführer in der Musikindustrie.
  • Kleinere Fluggesellschaften nahmen den großen, langjährig etablierten in erheblichem Umfang Marktanteile ab, indem sie aus dem Luxusgut Flugticket eine für jedermann erschwingliche Standardfortbewegungsart machten.
  • In der IT-Branche finden durch die Einführung von Cloud-Technologien aktuell zwei Regelbrüche statt: Ein Auslagern von Datenbeständen verändert die Funktionsweisen der Geschäftsmodelle auf Anbieter- wie auch auf Kundenseite. Aus der Überzeugung, dass der Kunde seine Daten lagern will, ist die Erkenntnis geworden, dass er auf seine Daten zugreifen will. Zudem werden Kunden Ihre Entscheidungen in diesem Markt zukünftig insbesondere auch danach treffen, welchem Anbieter Sie vertrauen. Aus einer bislang eher technisch orientierten Entscheidung für oder gegen einen IT-Anbieter wird zukünftig eine primär emotionale. Dies kann in der IT-Branche für viele neue Positionierungen sorgen.
  • Als abschließendes Beispiel sei die Entwicklung des Kaffeemarkts genannt. So mancher Besitzer eines 1000-Euro-Vollautomaten hätte sich vor 20 Jahren sicher nicht vorstellen können, so viel Geld in eine Kaffeemaschine zu investieren. Schritt für Schritt ist aus einer einstigen Kolonialware eine enorm diversifizierte Produktpalette zur Herstellung von Heißgetränkerlebnissen geworden, wobei diese Evolution sogar den Tiefpunkt einer Massen-Commodity zu überwinden hatte. Der Erfolg von Nespresso zeigt jedenfalls, dass durch strategischen Regelbruch viel erreicht werden kann.

Regelbruch sieht auf den Kundennutzen

Die Beispiele für erfolgreiche Logikbrüche machen deutlich, dass dem Regelbruch ein tiefes Verständnis der Kundenwünsche vorausgeht. Henry Ford hat einmal gesagt: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Die Kunst besteht also nicht unbedingt darin, seine Kunden zu fragen: „Was wollt ihr?“, sondern Kundenbedürfnisse zu antizipieren. Weil die Gefahr grundsätzlich groß ist, dass man sie falsch einschätzt, bleibt dies stets ein Risiko.

Erfolgreiche Regelbrecher stellen Etabliertes infrage und haben ein äußerst feines Gespür für zukünftige Kundenbedürfnisse. Entweder wird ein zukünftiger Kundenwunsch „vorhergesehen“, was zu einem adäquaten Geschäftsmodell führt, oder eine neue Möglichkeit tut sich auf, aus der sich ein Geschäftsmodell ableiten lässt.

Unterscheiden lassen sich revolutionäre und evolutionäre Regelbrüche:

  1. Der Regelbruch resultiert aus einer absoluten Neuheit oder der Adaption eines Geschäftsmodells aus einer fremden Branche. Hierbei werden die Grundannahmen der eigenen Branche in ihrem Fundament erschüttert. Die Auswirkungen haben oft revolutionären Charakter.
  2. Die allgemeine Branchenentwicklung zwingt die Akteure zum Umdenken. Rückläufige Zahlen und austauschbare Leistungen führen zu Leidensdruck und dieser wiederum zu Kreativität. Hieraus resultierende Regelbrüche haben eher einen evolutionären Charakter.

Innovationsstrategien führen zum Erfolg

Wer unter Anwendung geltender Regeln nicht obsiegen kann, hat drei Möglichkeiten. Er kann weiter verlieren, die Branche verlassen oder die Regeln brechen.

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Andreas Franken ist als Unternehmensberater spezialisiert auf die Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Seine Berufserfahrung erstreckt sich über mehr als 30 Jahre, und er veröffentlicht regelmäßig Fachartikel zu Managementthemen. Zur eigenständigen Optimierung von Unternehmen bietet er seinen Neun-Punkte-Plan zum kostenlosen Download.


Andreas Franken, Franken-Consulting, Ortbeckstraße 5, 45894 Gelsenkirchen; Telefon 0209-3187586, Telefax 0209-3187581, af@franken-consulting.org, www.franken-consulting.org

Als unabdingbare Eigenschaft eines Unternehmens, das sich daran macht, Regeln zu brechen, ist eine ausgeprägte Innovationsfähigkeit zu nennen. Das Ziel ist stets die Entwicklung einer Differenzierungsstrategie, um sich vom Mitbewerb durch die Entwicklung komparativer Wettbewerbsvorteile abzusetzen. So betrachtet ist der Regelbruch ein strategisches Mittel, den eigenen Erfolg nachhaltig zu maximieren.

Den meisten Unternehmen fällt es schwer, ausgetretene Pfade zu verlassen und etwas ganz Neues zu schaffen. Um einen Regelbruch zum eigenen Vorteil zu führen, sind von jedem Unternehmen schrittweise sechs Voraussetzungen zu erfüllen:

  1. Bereitstellung von Budget
  2. Bildung eines geeigneten (interdisziplinären) Projektteams
  3. Inspiration von außerhalb, um eine neue Denkweise ins Team zu bringen
  4. Anwendung einer geeigneten Methode zur Durchführung von Innovationsprozessen
  5. Fachmännische Durchführung des Innovationsprozesses unter Einbezug der Leistungsträger in Schlüsselpositionen, um ein „aus der Praxis für die Praxis“ zu gewährleisten
  6. Erfolgreiche Implementierung

Fazit: Mit neuen Regeln gewinnen

Natürlich sind die Planung, die Konzeptionierung und die Durchführung von Regelbrüchen äußerst schwierige Aufgaben. Das ist nicht mal eben „so nebenbei“ gemacht, sondern bedarf kluger Ideen, reichlich Sachverstand und einer gewissen Portion Glück.

Letztendlich ist der Regelbruch aber eine Option, die im Erfolgsfall komplette Branchen verändern und die eigene Ertragskraft nachhaltig vergrößern kann.

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