Mein lieber Freund!
Von Christian Zander, Perspektivist, freedom manufaktur GmbH
Cloud, Industrie 4.0, Big Data und IoT, 3D-Druck, Arbeiten 4.0, Social Selling, Customer Journey, BYOD – das sind die Schlagworte, die heute so durch die Industrie geistern. Und viele der neuen Gurus erzeugen um diese Themen ein großes Bohei. Mich erinnert das alles sehr an die sogenannten Cargo-Kulte. In Melanesien beobachteten die Ureinwohner, dass eine Landebahn und ein Turm und jemand, der mit so komischen Dingern über den Ohren betet, dafür sorgen, dass Essen und Ware von den Göttern aus der Luft gesandt werden. Also baue ich auch eine Landebahn und einen Holzturm und bete.
Klappt aber nicht. Weil ich das Prinzip dahinter nicht verstanden habe.
Mach es einfach!
Eigentlich kennen wir das doch alle bereits; zum Beispiel: das Heizen. Früher hatten wir alle einen Heizapparat in unseren Wohnungen – also einen Kamin oder einen Ofen on premises, wie wir es heute nennen. Dann hatte jemand die großartige Idee HaaS (Heizen as a Service) anzubieten und nannte das Fernwärme. Noch besser finde ich jedoch das gegenteilige Beispiel: das Kühlen. Es begann mit EaaS (Eis as a Service). Eisblocklieferanten brachten es zu den Haushalten. Dieses Geschäftsmodell lief hervorragend, bis der Kühlschrank kam und die Menschen ihr Kühlsystem on premises erzeugten – das brachte letztendlich den Tod des Eis-aus-der-Cloud-Angebotes. Und heute 3D-drucke ich mir Eiswürfel einfach aus, oder etwa nicht? Auch elektrischer Strom kommt langsam wieder zurück on premises, Solarzellen, Windkraft etc. sorgen dafür, dass die großen Cloud-Anbieter das große Jammern starten. So schwingt das Pendel hin und her.
Das Prinzip dahinter ist eigentlich ganz einfach – zu einfach, gerade für uns Deutsche. Wir Dichter, Denker und Ingenieure akzeptieren Einfachheit nicht. Zumindest nicht, bis es uns jemand vorgemacht hat. „Einfach“ ist nicht intelligent genug, es muss doch schwere Technologien und Innovation dahinter haben, sonst ist es nicht gut. So entwickeln wir gerne Sensoren, die den Bräunungsgrad einer Toastscheibe messen, um den optimalen Auswurfpunkt automatisch zu bestimmen. Ein gutes Brot und ein transparentes sowie ansprechendes Design würden jedoch vollkommen reichen. Dann kann ich sehen, wann mein Toast gerade richtig ist und ihn einfach auswerfen. Der Toaster merkt sich die Dauer – et voilà: einfach und perfekt.
Hinzu kommt, dass wir in einem System des Etablierten stecken, das uns durch Regularien scheinbar nicht mehr erlaubt, aus dem Status quo auszubrechen. „Das haben wir immer schon so gemacht.“ Eben nicht, wie das Kältetechnologiebeispiel zeigt. Leider hat kein Eisblocklieferant Kühlschränke produziert.
Die gute Nachricht: Wenn dein Unternehmen schon stirbt, ist dein Konkurrent wenigstens auch tot.
Wenn wir uns umsehen, dann sind die großen Erfolgsfaktoren: Zuhören und Einfachheit. Und der Wille, dies gegen alle Widerstände durchzusetzen. Dyson, Steve Jobs (Apple kann man ja nicht mehr sagen), Google haben von der Reduktion der Komplexität profitiert. Sie erzeugen und erzeugten einen Hype in unserer gesimplifyten Welt. Das selbstfahrende Auto wird kommen, und dann wird dir jemand eine Flatrate anbieten: AaaS (Auto as a Service). Innerhalb von fünf Minuten ist ein Wagen vor deiner Tür, und du hast 24.000 Freikilometer für nur 200 Euro im Monat oder so ähnlich. Warum brauche ich noch einmal ein eigenes Auto? Der Platz auf den deutschen Straßen wird gigantisch sein. Ich würde schon mal Parkhäuser aus meinem Portfolio streichen.
Eine Einführung macht mit Chancen und Risiken vertraut; dazu gibt es gleich die ersten Beispiele: Otto in Hamburg, Lufthansa Technik und Viessmann in Berlin. Danach geht der Blick Richtung Nordrhein-Westfalen zu Henkel und Grohe, aber auch zu Hidden Champions wie der Harting-Gruppe. In Bayern sind Jungheinrich, die Wenzel Group, Lamilux und natürlich KUKA gute Beispiele, in Baden-Württemberg Firmen wie Festo und Trumpf. Der Blick über den Tellerrand nach Österreich zeigt, dass dort Namen wie Erema, Radel & Hahn und LiSEC, aber auch Red Bull digital erfolgreich unterwegs sind. Auf die Chancen der Digitalisierung geht dann Matthias Meyer genauer ein, der Beispiele aus den Bereichen Big Data, Augmented und Virtual Reality sowie Open Innovation nennt. Eher in Richtung Disruption geht das Digitalisierungsinterview, das wir mit Andreas Franken geführt haben; mit ihm haben wir außerdem über die Folgen für den Arbeitsmarkt gesprochen. Weitere Gastbeiträge behandeln das Thema aus der Perspektive von Marketing und Vertrieb, Kundendienst, Logistik, Baubranche und Gastronomie sowie Kommunikationstechnologie. Nicht zuletzt steht auch die Digitalisierung der Energiewende an.
Mach Regeln weg!
Was kannst du machen? Die Wahrheit befindet sich bereits in deinem Unternehmen. Sie liegt in deinen Mitarbeitern verborgen und zwischen den Abteilungen deines Unternehmens. Da, wo Abteilungsleiter den ganzen Tag damit beschäftigt sind, abzuteilen und Arbeit zu erfinden, damit sie nach wie vor gebraucht werden. Und dann werfen sie Informationen über die Abteilungswand, und die landen manchmal in anderen abgeteilten Abteilungen oder bleiben dazwischen im Niemandsland liegen. Das interessiert aber keinen, weil wir ja ein Organigramm haben und oben – also in der Obrigkeit, das sind die, die im Turm sitzen – gedacht wird und unten, bei den menschlichen Ressourcen, gemacht wird. Dumm nur – wir kennen das von der Stillen Post – dass Information verloren geht. Und dass sowohl die eine als auch die andere Seite denkt, dass die anderen keine Ahnung haben. Alles liegt unter Hierarchie begraben.
Die Höhe – also die Anzahl der Ebenen – eines Organigramms nenne ich gerne die Gap of Death. Ich habe diese Erfahrung gemacht: Wenn Mitarbeiter Freiheit und Verantwortung für einen Bereich haben – ich meine nicht Manager, ich meine Mitarbeiter –, also auch Budgetverantwortung, dann performen sie in der Regel sehr wohl außerordentlich gut, im Sinne des Unternehmens und wesentlich umsichtiger, als ich gehofft hatte. Die ganze Abteilungspolitik entfällt, und die Herausforderungen und deren Lösungen stehen wieder im Mittelpunkt.
Entbinde deine Mitarbeiter von diesem Regelballast! Mach Regeln weg! Je länger die Checklisten, desto dümmer werden deine Mitarbeiter. Schaffe autarke Bereiche, in denen deine Mitarbeiter Neues einfach machen dürfen. Dann erkennen sie auf einmal, dass sie beginnen, etwas Bleibendes, etwas Sinnvolles zu erschaffen. Und sie investieren mehr, als ihr durch Zieldefinitionen jemals festnageln könnt. (Wie wir an VW sehen, ist Zielerreichung gar nicht immer segensreich.) Und warum? Weil sie es wollen. Auf einmal hast du dann keine Mitarbeiter mehr, sondern Engagierte.
Hol dir Mentoren und Querdenker ins Haus, die deinen Mitarbeitern die Augen öffnen, was man noch alles machen kann. Gerne artfremd – aus einem völlig anderen Bereich. Kombination ist vielleicht die Innovation, auf die wir alle gewartet haben.
Der Einführungsbeitrag gibt eine erste Übersicht für Gründer und Start-ups. Dabei interessiert auch die Frage, wie sich die Locations auf den eigenen Erfolg und die Karriere auswirken. Teil 1 stellt dann konkrete Beispiele aus Berlin, Hamburg und anderen Orten im deutschen Norden und Osten vor. Teil 2 reist nach Köln, Dortmund, Mainz und Gummersbach, um die Technologiezentren an Rhein und Ruhr zu sichten. Überraschungen hat auch der Südwesten parat, von dem Teil 3 berichtet – aus Darmstadt und Stuttgart ebenso wie aus dem beschaulich-umtriebigen Bad Orb. Teil 4 geht schließlich in den Postleitzahlenbereich 8 und 9 nach Bayern und Thüringen: Auch außerhalb von München bekommen Gründer gute Unterstützung. Sonderbeiträge geben außerdem Auskunft über die Innovations- und Gründerzentren in Österreich und die dortige Start-up-Szene.
Mach endlich auf!
Erkenne, dass sich der Markt ändert. Und kämpfe nicht dagegen an! Taxifahrer brauchen nicht gegen Uber zu demonstrieren, AaaS wird ihr Untergang sein. Wenn du das kommen siehst, suche eine neue Bestimmung. Wozu brauche ich eigentlich eine Bank, wenn auch meine Strom- oder Telefonrechnung ein Konto führen kann und ich darüber bezahlen kann?
Wenn der Motor eines Kraftfahrzeuges nicht mehr verbrennt, sondern mit Strom funktioniert, sind alle die, die sich mit der Optimierung von Verbrennungsmotoren und der daraus resultierenden Kraftübertragung beschäftigen, die ersten Kandidaten für eine Umschulung, oder? Doch merke auf: Sie sind eine Abteilung, und sie werden dafür kämpfen, dass sie benötigt werden! Innovation wird erstickt, sabotiert und bekämpft. Das ist das, worauf du in deinem Unternehmen achten musst. Welche innere Agenda haben deine Abteilungsleiter und was ist ihr Motiv?
Nimm den Kunden und Partner mit ins Boot – machst Du schon? Zu spät! Partner haben nicht dein Geschäftsmodell mit-designed, stimmt’s? Ich als Partner arbeite viel lieber mit Unternehmen zusammen, mit denen ich zusammen ein Geschäftsmodell aufgebaut habe. Haben Kunden wenigstens schon deine Innovationsideen reviewed? Wenn du das machst, begehst du hoffentlich nicht den gleichen Fehler wie die meisten von uns – in allen Lebenssituationen. Sie hören auf zuzuhören, wenn sie meinen, sie hätten verstanden. Das ist problematisch, weil erst dann die wesentlichen Informationen kommen: die, die dir helfen, Innovation aufzuspüren. Erst dann kommt ein Aha! Erst, wenn ich weiter zuhöre, mich interessiere, nachfrage und versuche, mich in die Schuhe meiner Partner und Kunden zu versetzen.
Heutzutage gilt eines: Früh und häufig scheitern sichert den Erfolg. Fehler sind super! (Also nicht als solche, aber ohne Fehler gibt es keine Innovation). Höre auf, deine Mitarbeiter als austauschbares Humankapital zu betrachten und abzuschreiben. Sie haben ähnlich viele Neuronen wie du. Nutze das! Befreie deine Mitarbeiter aus der Käfighaltung. Dann ist auch digitale Disruption kein Thema mehr, sondern deine Zukunft.
Dein digital disruptiver Wuschelkopp aus der Freiheit in Berlin,
- Christian Zander
Perspektivist, freedom manufaktur GmbH