Verkaufsmanagement

Verkäufer sind Fremdenführer durchs Portfolio

Von Ralph Guttenberger, Kaltenbach Training

„Soll ich den teuren Akkuschrauber kaufen oder eher den günstigen? Schließlich benutze ich ihn selten.“ Solche Fragen stellen sich Kunden oft – unabhängig davon, ob sie sich für einen Akkuschrauber, eine Bohrmaschine, eine Heizungs- oder Solaranlage, einen Fernseher oder einen Kühlschrank interessieren. Und häufig finden sie auf ihre Fragen allein keine Antwort. Denn gerade bei technischen Geräten und Problemlösungen überfordert es Kunden oft, aus der Flut von Angeboten das herauszufiltern, was für sie richtig ist – z.B., weil sich aus ihrer Laiensicht die Produkte gleichen wie ein Ei dem anderen. Oder weil ihnen für dasselbe Problem zwar ganz unterschiedliche Lösungen angeboten werden, sie aber nicht wissen, was all die technischen Daten bedeuten. Ein Verkäufer, der hier zur Stelle ist, steht goldrichtig.

Kunden fühlen sich oft allein gelassen, wenn Sie die Frage beantworten sollen, was für sie die beste oder klügste Wahl wäre. Also wünschen sie sich einen Führer, der sie wie ein Profi vom Tourist-Office zwar nicht durch den Großstadtdschungel, aber durch den Angebotsdschungel lenkt; einen Führer, zudem dem sie vertrauen können, weil sie spüren: Er fühlt sich für mich bzw. die Lösung meines Problems (mit-)verantwortlich. Top-Verkäufer wissen das. Deshalb betrachten sie es als ihre Aufgabe, potenzielle Kunden im Kaufentscheidungsprozess zu führen.

Mit Menschen arbeiten

Das setzt voraus, dass man sich als Verkäufer mental vom Produktverkauf verabschiedet. Denn Kunden interessieren sich in der Regel gar nicht für Produkte. Sie haben vielmehr einen Wunsch oder ein Problem, für das sie eine Lösung suchen. Sie wollen z.B. Bilder oder Einbauschränke in ihrer Wohnung befestigen. Deshalb fragen sie nach einem Akkuschrauber und einer Bohrmaschine. Oder sie wollen eine warme Wohnung haben, ohne dass ihnen die Heizkosten über den Kopf wachsen. Deshalb interessieren sie sich für einen neuen Brenner.

Was der Kunde konkret möchte, das muss ein Verkäufer erkunden, denn nur dann kann er für ihn die ideale Lösung finden. Ähnlich wie ein Fremden- oder Reiseführer. Auch er erkundigt sich zunächst: Wer nimmt an der Tour teil? Eher ältere Menschen mit Gehbeschwerden oder junge Menschen? Wofür interessieren sie sich? Eher für alte Gebäude oder das kulturelle Leben? Welche Vorerfahrungen und -kenntnisse haben sie? – Erst danach stellt er die Tour zusammen.

Sicherheit ausstrahlen

Ein Fremden-, Reise- oder Bergführer wird aber erst dadurch zum Führer, dass ihm andere Menschen folgen – also bereit sind, sich ihm anzuvertrauen – z.B. weil sie spüren: Der Mann (oder die Frau) hat Erfahrung. Er weiß, was er tut, und kennt sich im Gelände aus. Bergführer strahlen deshalb in der Regel eine große Gelassenheit und Selbstsicherheit aus.

Dasselbe gilt für Top-Verkäufer. Auch sie vermitteln ihren Kunden durch ihr Auftreten: „Sie können mir vertrauen.“ Dabei sind sie jedoch nie überheblich und arrogant. Sie kommunizieren vielmehr mit den Kunden auf Augenhöhe, d.h. sie sprechen u.a. deren Sprache. Statt ihnen z.B. technische Daten an den Kopf zu hauen, erläutern sie ihnen mit einfachen, bildhaften Worten die Vorzüge der verschiedenen Lösungen. Und statt ihnen besserwisserisch, ohne Nachfragen, sofort „die ideale Lösung“ zu präsentieren, sagen sie z.B.: „Lassen Sie uns einmal überlegen, was Ihrem Bedarf entspricht. Wie wichtig ist Ihnen, dass …?“

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Ralph Guttenberger ist geschäftsführender Gesellschafter des auf den technischen Vertrieb spezialisierten Trainings- und Beratungsunternehmens Kaltenbach Training, Böbingen. Der Diplom-Ingenieur für Luftfahrttechnik war vor seiner Beratertätigkeit Jet-Pilot und Kommandant einer Fliegerstaffel. Danach war er zwei Jahrzehnte in geschäftsführenden Positionen für verschiedene Unternehmen tätig. Zudem blickt er auf 20 Jahre Erfahrung im Aufbau und Führen von Vertriebsteams zurück.


Kaltenbach Training, Juristenstraße 8–9, 06886 Lutherstadt Wittenberg, Tel. 03491-7630, Fax: 03491-7626, info@kaltenbach-training.de, www.kaltenbach-training.de

Verantwortung übernehmen

Top-Verkäufer binden also ihre Kunden in die Suche nach der Problemlösung ein. Das tun sie nicht nur, weil sie dann am ehesten einen Abschluss erzielen. Sie interessieren sich ernsthaft für Menschen und kommunizieren gerne mit ihnen. Deshalb spulen sie in Gastbeitrag:Verkaufsgesprächen auch keinen antrainierten Fragenkatalog ab. Sie reagieren vielmehr auf die Antworten und Signale ihres Gegenübers und checken zwischenzeitlich immer wieder, ob ihr Verhalten und Vorgehen noch zielführend ist.

Dasselbe tut ein Reiseführer. Auch er fragt die Teilnehmer immer wieder: „Laufe ich zu schnell, soll ich langsamer gehen?“ „Haben Sie noch Fragen zu …?“ „Geht es Ihnen gut?“ Dadurch vermittelt er den Teilnehmern das Gefühl: In den Händen dieses Guides bin ich gut aufgehoben.

Vorangehen und die Richtung vorgeben

Dessen ungeachtet gilt: Ein guter Stadt-, Reise- oder Bergführer geht in aller Regel voran. Denn er ist es, der den Weg kennt und er ist mit dem für sein Gefolge unbekannten Terrain vertraut. Zwar hat er dabei stets die Gruppe im Blick, doch er gibt den Weg, die Richtung vor, u.a. um zu vermeiden, dass seine Schützlinge sich verlaufen.

Ähnlich agiert ein Top-Verkäufer. Auch er hat den Kunden zwar stets im Blick, doch letztendlich weist er ihm den Weg durch den Angebotsdschungel zur besten Lösung. Ein Top-Verkäufer versucht also, das Heft des Handelns stets in der Hand zu behalten. Deshalb checkt er zwischenzeitlich immer wieder: Bin ich noch auf dem Weg zum Ziel? Das geht z.B. mit Orientierungsfragen: „Wie wichtig ist Ihnen dieses Leistungsmerkmal?“ oder „Wie gefällt ihnen diese Lösung?“ Denn nur dann kann der Verkäufer im Bedarfsfall den Kurs korrigieren.

Deshalb lässt ein Top-Verkäufer Kunden mit ihren Entscheidungen – soweit möglich – auch nicht allein. Das heißt, er schickt ihnen z.B. nicht einfach Angebote, sondern er überreicht seine Angebote im Idealfall persönlich oder er telefoniert diese zumindest nach. Auf diese Weise kann er mit den Kunden über die Vorzüge des Angebots sprechen und ihren Kaufentscheidungsprozess steuern.

Deutliche Worte finden

Ein guter Guide spricht auch eine klare Sprache. Er redet nicht um den heißen Brei herum. Fragt ihn ein Teilnehmer „Wie weit ist es noch zum Ziel?“, erwidert er z.B.: „Wir müssen noch über zwei Anhöhen. Dann …“ Er macht auch klare Ansagen: „Wenn wir vor der Mittagshitze am Ziel sein möchten, sollten wir jetzt die Rast beenden und weiterlaufen.“ Gerade dadurch vermittelt er seinem Gefolge Sicherheit.

Ähnlich ist es bei einem Top-Verkäufer. Auch er sagt Kunden klipp und klar, was die Vor- und Nachteile einer Lösung sind und was nötig wäre, um diese zu realisieren. Er nennt Kunden auch, wenn sie ihn danach fragen, ohne Zögern den Preis für eine vorgeschlagene Lösung – u.a. weil er von ihren Vorzügen überzeugt ist. Diese Sicherheit spürt der Kunde, sodass er dem Verkäufer vertraut.

Entscheidungen anstoßen

Ein guter Bergführer spornt, die ihm anvertrauten Männer und Frauen auch immer wieder an, z.B. indem er sagt: „Mädels, ihr seid klasse. Noch fünf Minuten schwitzen, dann sind wir oben!“ Oder: „Jungs, diesen Gipfel müssen wir noch erklimmen. Dann gibt es auf der Hütte ein kühles Bier.“

Ähnlich agiert ein Spitzenverkäufer. Er sagt etwa zu Kunden: „Herr Müller, mit dieser Tür haben Sie ein gute Wahl getroffen. Jetzt sollten wir uns nur noch für ein Schließsystem entscheiden, dann steht dem Einbau Ihrer neuen Haustür vor Beginn der dunklen Jahreszeit nichts mehr im Weg.“

Und wenn alle für die Kaufentscheidung relevanten Fragen beantwortet sind und der Kunde dies dem Verkäufer verbal oder nonverbal signalisiert? Dann steuert ein Top-Verkäufer auf direktem Weg den Vertragsabschluss an – z.B., indem er sagt: „Herr Huber, ich habe den Eindruck, wir haben den passenden Rasenmäher für Sie gefunden. Wollen Sie ihn mitnehmen oder sollen wir ihn Ihnen nach Hause liefern?“ Oder: „Frau Müller, mit dieser Heizanlage sparen Sie 30 % Ihrer Energiekosten. Sollen wir sie gleich im September einbauen, noch vor der kalten Jahreszeit?“

Das heißt: Ein Top-Verkäufer lässt seine Kunden auch auf den letzten Metern nicht allein – gerade dann, wenn diese (und viele Verkäufer) oft schlapp machen. Er fordert sie vielmehr dazu auf, jetzt die Kaufentscheidung zu treffen.

Ein so verkaufsaktives Verhalten stört Kunden meist nicht – u.a. deshalb, weil es vielen Menschen schwer fällt, sich zu entscheiden. Deshalb freuen sie sich, wenn der Verkäufer in der entscheidenden Phase des Verkaufsgesprächs Entschlossenheit und Verbindlichkeit zeigt. Denn dies vermittelt ihnen Sicherheit.

Loben und belohnen

Ein Top-Verkäufer gratuliert seinen Kunden aber auch, nachdem sie die Kaufentscheidung getroffen haben – z.B. indem er sagt: „Herr Mayer, herzlichen Glückwunsch. Mit diesen Fenstern haben Sie eine vorzügliche Wahl getroffen. Sie passen optimal zur Fassade Ihres Hauses. Außerdem isolieren sie so gut, dass Sie die vorbeifahrenden Lkw künftig nicht mehr hören.“ Genauso tut dies ein Bergführer. Auch er lobt seine Truppe, wenn sie den Gipfel erklommen hat, und sagt: „So, jetzt habt Ihr Euch aber wirklich ein Bier verdient.“ Oder eine Buttermilch.

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