Geschäftsführer in der Insolvenz: Was Geschäftsführer in der Insolvenz durchmachen

Insolvenzverwalter und Wirtschafts­wissenschaftler gehen davon aus, dass vielen Unter­nehmen 2020 ein Tod auf Raten droht. Geschäfts­führer von Firmen, bei denen die Luft knapp wird, sollten sich bei­zeiten auf eine Insolvenz gefasst machen. Um das Unter­nehmen zu schützen. Um sich selbst zu schützen.

Im Insolvenzverfahren die Nerven behalten

Von Axel Oppermann

Fakt ist: In Deutschland werden im Jahr 2020 mehr Unternehmen als Menschen an der COVID-19-Pandemie sterben. Es trifft kleine und schwache genauso wie scheinbar starke und große. Es gilt, sich jetzt Zeit zu nehmen, um sich vorzubereiten.

Die Insolvenzwelle im Nachgang der akuten Corona-Situation wird kommen. Viele Unternehmen leben bzw. überleben momentan nur wegen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Besonderen und des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes im Allgemeinen. Aber ihr Ende ist absehbar. Daran besteht kein Zweifel. Daran können die massiven Eingriffe von Staat und Politik nichts ändern.

Aus der Makroperspektive ist das kein Problem; ist es kein Thema. Fakt ist ja ebenfalls: Kein Unternehmen existiert ewig. Unternehmen treten in einen Markt ein, wachsen, fusionieren oder verschwinden nach einer gewissen Zeit. Und Insolvenzen gehören zum Tagesgeschäft. Für das Jahr 2019 nimmt Creditreform ca. 107.000 Insolvenzen in Deutschland an; davon ca. 19.000 Unternehmensinsolvenzen. Für das Jahr 2020 und fortfolgende Jahre werden die Unternehmensinsolvenzen deutlich darüber liegen. Diverse Marktauguren gehen für 2020 von 60.000 bis zu über 80.000 Unternehmensinsolvenzen aus.

Aus der Mikroperspektive, aus dem Blickwinkel eines Inhabers oder Geschäftsführers, eines vollhaftenden Gesellschafters sieht die Sache natürlich anders aus. Für diese Gruppen stellt die drohende bzw. nicht abzuwendende Insolvenz in der Regel einen massiven, wahrscheinlich den massivsten negativen Einschnitt im eigenen Leben dar. Existenz. Gesundheit. Reputation. Alles gefährdet. Für diese Zielgruppe, für all diejenigen, für die eine Insolvenz ein geistiges oder organisatorisches Problem darstellt, ist dieser Artikel – mit ausgewählten Empfehlungen.

Zunächst noch ein paar wichtige Disclaimer:
Dieser Artikel ist keine Rechtsberatung. Konsultieren Sie Ihren Anwalt oder Steuerberater.
Aus Gründen einer leichteren Konsumierbarkeit der Inhalte werden nachfolgend die Begriffe „Unternehmer“, „Geschäftsführer“, „Gesellschafter“ trotz ihrer unterschiedlichen rechtlichen Natur bzw. Definition und Rolle teils synonym verwendet. Insbesondere dann, wenn es um persönliche Haftung bzw. Konsequenzen geht. Der Begriff „Verantwortliche“ bzw. „Betroffene“ steht gleichfalls sinngleich für diese Personengruppen.

Die Ausführungen richten sich besonders an Betroffene in kleineren und kleinen mittelständischen Unternehmen. An geschäftsführende Gesellschafter, Geschäftsführer mit individueller Haftung (z.B. gegenüber einer Bank) etc.

Grundlegendes

Das wirtschaftliche Überleben hat in der Corona-Pandemie für viele Unternehmer erste Priorität. Für Verantwortliche, deren Unternehmen sich latent oder manifest in einer wirtschaftlichen Schieflage befinden, sollte die konkrete Vorbereitung auf eine Insolvenz zumindest die zweite Priorität haben. Die große Herausforderung ist es, den Tipping Point zwischen Kampf um wirtschaftliches Überleben und dem Verwenden der Ressourcen auf ein Vorbereiten der Insolvenz zu lenken.

Eigentlich ist dieser Schritt, ist dieser Zeitpunkt mehr als eine Herausforderung. Es ist ein Problem. Warum? Eine Insolvenz bzw. der Ablauf einer Insolvenz für einen Verantwortlichen selbst kann mit einer schweren, mit dem Tode endenden Krankheit verglichen werden. Nach der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross gibt es fünf Phasen des Sterbens. 1. Nicht-wahrhaben-Wollen. 2. Zorn. 3. Verhandeln. 4. Depressionen. 5. Zustimmung.

Diese fünf Phasen kommen eins zu eins auf einen (wie auch immer selbst haftenden) Unternehmensverantwortlichen zu. So will man es oft einfach nicht wahrhaben, dass die Zeit für das eigene Unternehmen abgelaufen ist. Es wird versucht, weitere Mittel ins Unternehmen zu führen. Es wird versucht, weitere Mittel zu beschaffen. Es wird versucht, mit den vorhandenen Mitteln länger auszukommen. Und diese Handlungsweise wird zum Problem. Für das Unternehmen. Und einen selbst. Das Nicht-wahrhaben-Wollen ist eines der größten Probleme, da in dieser Phase viele Fehler gemacht werden, die sich negativ auf den weiteren Verlauf der Insolvenz und für einen selbst auswirken können. Aus diesem Grund nochmals: Auch wenn noch Hoffnung auf eine Kehrtwende besteht, auf ein Abwenden der Insolvenz, ist es wichtig, sich auf eine drohende Insolvenz organisatorisch und moralisch vorzubereiten.

Strategien zur Insolvenz
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.

Scheitern beginnt im Kopf

Wie gesagt: Es gilt, den Tipping Point zwischen Kampf um wirtschaftliches Überleben und dem Verwenden der Ressourcen auf ein Vorbereiten der Insolvenz zu lenken. In diesem Zusammenhang gilt es, individuelle Haftungsrisiken zu minimieren, den individuellen oder kollektiven Schaden zu reduzieren und sich für einen Neustart in wie auch immer gearteter Form vorzubereiten, sei es über eine neue Kapitalgesellschaft oder in einem Einzelunternehmen.

Dabei ist wichtig: Sowohl vor einer drohenden Insolvenz, einem Insolvenzverfahren als auch in einer laufenden Sanierungsmaßnahme liegt eine besondere Verantwortung bei denen, die zum Handeln bestimmt sind. Die in dieser Phase durchgeführten Aktivitäten und getroffenen Entscheidungen haben regelmäßig essenzielle Auswirkungen auf die eigene Person und das Unternehmen. Dies gilt sowohl für ein etwaig angestrebtes Überleben des Unternehmens als auch für die nachträgliche Bewertung von Entscheidungen, die das Unternehmen in seiner Substanz beschneiden und unter nachteiliger Auslegung der Ist-Situation einen Missbrauch im Kontext der Vermögenswerte nahelegen.

Kurzum: Es besteht für die Handelnden ein Haftungsrisiko, das nicht zu vernachlässigen ist. Zentrale Empfehlung: Fehlverhalten vermeiden. Sowohl in Bezug auf das Handeln für das Unternehmen als auch auf das Handeln für die eigene Person.

  • Bezogen auf das Handeln bezüglich des Unternehmens ist zu sagen: Geschäftsführende, die ihre Aufgaben verantwortungsvoll ausführen, stehen grundsätzlich nicht persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein. Das Haftungsrisiko eines ordentlich arbeitenden Geschäftsführers ist überschaubar. Weil er aber als Organ des Unternehmens der zentrale Handelnde ist, besteht bei einem „unredlichen“ Geschäftsführer ein hohes Missbrauchspotenzial, insbesondere in einer Krisensituation, was bei Sanierungen regelmäßig der Fall ist. Daher gibt es zahlreiche Haftungstatbestände, für die persönlich einzustehen ist. Es liegt de facto ein extrem hohes Haftungsrisiko vor. Um diesem Risiko zu begegnen, muss ein kleinteiliges Monitoring aufgebaut und die jeweilige Ist-Situation engmaschig dokumentiert werden. Wichtige Key-Performance-Indikatoren (KPI) müssen in eingem Takt erfasst werden. Dazu gehören ein stichtagbezogenes Ermitteln der Liquidität bzw. der Zahlungsfähigkeit, der Schuldenstand bzw. der Grad der Überschuldung sowie eine zeitraumbezogene Betrachtung der Finanzlage. Es wird empfohlen, diese Zeitraumbetrachtungen nicht nur für die Bewertung der Insolvenzreife auf einen dreiwöchigen Finanzplan(rahmen) auszulegen. Vielmehr sollten Planungen erstellt werden, die die Werte aus der Sales Pipeline, die zu erwartenden Zahlungseingänge und die realen Kosten über einen Zeitraum von a) 100 Tagen und b) 200 Tagen enthalten. Diese zusätzlichen Auswertungen helfen, den Tipping Point zu identifizieren. Darüber hinaus ist es wertvoll, die Zahlungseingänge und Abflüsse hinsichtlich der jeweiligen Fälligkeit (= Zahlungsziel) zu erfassen und statistisch aufzubereiten.
  • Bezogen auf das Handeln bezüglich der eigenen Person ist zu sagen: Investieren Sie nicht Ihr gesamtes Kapital als geschäftsführender Gesellschafter. Verbürgen Sie sich nicht privat gegenüber Dritten (exemplarisch: Banken) oder der Gesellschaft, wenn sich das Unternehmen bereits in einer Schieflage befindet und/oder die wirtschaftlichen Rahmenparameter eine Schieflage erwarten lassen. Das ist schwierig. Und wir sind hier wieder beim Tipping Point und den fünf Phasen der Akzeptanz des Sterbens; insbesondere beim Nicht-wahrhaben-Wollen. Jeder Cent, für den Sie sich hier verpflichten, schmerzt im Insolvenzverfahren doppelt und dreifach. Und vorab eine klare Empfehlung: Stecken Sie Ihr letztes privates Geld nicht in das Unternehmen. Legen Sie es zurück: für Steuerberater und Rechtsanwälte.

Diese Aufgaben, Vorgehen und Empfehlungen lesen sich recht einfach. Könnten aus einem BWL-Buch oder Lebensratgeber für 9,99 Euro stammen. Ja. Sie lesen sich einfach. Sie sind aber superschwer umzusetzen. Denn klar ist: Scheitern beginnt im Kopf. Also beim Leugnen. Beim Bauen von Scheinwelten. Beim Festhalten. Beim Glauben. Aber: Aufgeben ist eine Option. Und Scheitern gehört zu den Grausamkeiten des menschlichen Seins. Je eher man sich damit anfreundet, desto besser.

Vorüberlegungen

Vor und während eines Insolvenzverfahrens müssen grundlegende Handlungen zielgerichtet exekutiert und umgesetzt werden. Primär, um die eigene Existenz zu sichern und neu anzufangen. Wenn Sie ein Geschäftsführer sind, der seine Aufgaben zu 100 % verantwortungsvoll ausgeführt hat, also keinen persönlichen Regress zu befürchten hat und mit dem Unternehmen nicht tiefer verbunden ist, ist die Sache relativ einfach. Alle anderen sollten folgende Punkte beachten:

  • Ungleich verteilt: In der Regel ist ein Insolvenzverfahren eine von Dritten dominierte Konfliktsituation. Wissen ist asymmetrisch vorhanden. Im Normalfall haben die Handelnden im Unternehmen mehr Kenntnisse über die Werte des Unternehmens. Aber die Insolvenzverwalter haben ein höheres Fachwissen und eine bessere Methodenkompetenz in Bezug auf Prozesse und Abläufe während des Verfahrens.
  • Beuteholer: Auch wenn es offiziell keiner zugeben will – primäres Interesse der Insolvenzverwalter ist es regelmäßig, die Maximierung des eigenen Profits zu realisieren.
  • Unternehmenswerte: Die im Unternehmen vorhandenen materiellen und immateriellen Vermögenswerte, und hierzu zählen insbesondere Daten, haben für unterschiedliche Interessensgruppen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Werte. Hier gilt es, Werte aus unterschiedlichen Perspektiven zu ermitteln.
  • Probleme: Kurz vor dem Insolvenzverfahren oder unmittelbar während der Einleitung steigen die Probleme für die Betroffenen ins Unermessliche. Häufig sind sie mit Aufgaben konfrontiert, die weit weg vom Tagesgeschäft und ihrer Kernkompetenz liegen. Deshalb wird empfohlen, eine Methode zum Auf- und Abzinsen der Probleme zu entwickeln. Es geht also darum, das Problem/die Aufgabe im Kontext eines Handlungsbedarfs zu bewerten. Zentrale Fragen:
    • Wie hoch sind die zukünftigen Schäden aus der heutigen Perspektive und wie hoch sind die Konsequenzen daraus?
    • Welche zukünftigen bzw. zukünftig zu erwartenden Entwicklungen gibt es, die die derzeitigen Probleme in der Zukunft viel weniger beunruhigend erscheinen lassen und/oder zu einer geringeren Belastung führen?
    • Welche Probleme bedingen einander? Zur Auf- und Abzinsung können klassische Kapitalrenditen verwendet werden. Aber auch Dimensionen wie Liquidität, Zeit und Kompetenz sind wichtig.
  • Toxische Gedanken: Toxische Gedanken führen dazu, dass plötzlich die Idee, sich einfach mal nicht um die Dinge zu kümmern – oder kümmern zu müssen –, eine recht einfache Option ist. Und somit als gut bewertet wird. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ein aktives Kümmern und Angehen von Lösungen ist unabdingbar.
Thema: Insolvenz
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.

Fünf Empfehlungen

An dieser Stelle wollen wir uns nicht mit Prozessen im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschäftigen, dem Eingang des Insolvenzantrags, dem vorläufigen und dem eröffneten Insolvenzverfahren und der möglichen Sanierung oder Liquidierung. Auch nicht mit Themen der Vorbereitung eines Insolvenzantrags. Vielmehr sollen fünf zentrale Themen herausgegriffen werden. Diese Ausführungen richten sich besonders an Verantwortliche, die persönlich gegenüber der Gesellschaft oder Dritten haften und/oder die ein persönliches Haftungsrisiko wegen nicht verantwortungsvollem Handeln erwarten und/oder deren Tätigkeit für die Gesellschaft ihre primäre Erlösquelle etc. war:

(Selbst-)Reflexion

Denken Sie über sich nach. Denken Sie über die Auslöser nach, die zur momentanen Situation geführt haben. Auch hier: Es mag sich anhören wie eine billige Empfehlung aus einem schlechten Selbsthilferatgeber. Aber es ist leider so: Ohne Reflexion geht es nicht. Sie bekommen sonst den Kopf nicht frei. Können nicht offen mit wichtigen Peers kommunizieren. Können für sich keinen zukunftsfähigen Plan aufsetzen.

Wichtig: Lügen Sie sich nicht selbst an! Trennen Sie sich in dieser Phase von Verlierern. Von Leuten, die sie unglücklich machen. Hören Sie auf Ihre innere Stimme. Schreiben Sie Gedanken auf. Jeden Tag. Jeden Tag aufs Neue. Schikanieren Sie sich nicht selbst. Es ist leicht, Ausreden zu finden. Tappen Sie nicht in diese Falle.

Kommen Sie zum Schluss, dass Sie eine Vielzahl von Optionen haben. Und erarbeiten Sie einen Plan (siehe „Der eigene Plan“).

Offenheit

Auch wenn es absolut schwerfällt: Offenheit ist alles. Eine offene, ehrliche Kommunikation gegenüber Familie, Freunden, Geschäftspartnern und sonstigen Dritten ist unabdingbar. Gemeint ist hierbei nicht, dass mit den eigenen Problemen hausiert wird. Sondern nur eine ganz einfache Ehrlichkeit.

Diese „einfache Ehrlichkeit“ ist schwer. Erinnern wir uns an die fünf Phasen der Akzeptanz: Befindet man sich selbst noch in Phase 1 (Nicht-wahrhaben-Wollen) oder 2 (Zorn), ist es mit offener Kommunikation nicht weit her. Die eigenen Gedanken sind toxisch. Man stellt sich selbst die falschen Fragen. Macht andere dafür verantwortlich. Orientiert sich an anderen, an scheinbar erfolgreicheren und glücklicheren Menschen. Und vergisst, dass man es selbst in der Hand hat.

Es ist auch hier einfach gesagt, Offenheit sei unabdingbar. Aber es ist so. Bauen Sie sich ein Narrativ, eine Geschichte, die Sie Ihrem Umfeld erzählen. Es sollte sich nahezu zu 100 % mit der Realität decken.

Der eigene Plan

Trotz aller Probleme, die in einem drohenden oder laufenden Insolvenzverfahren auf einen zukommen, ist es wichtig, frühzeitig einen eigenen Plan zu entwickeln. Dieser enthält sowohl kurzfristige Ziele, etwa private Zahlungen abzusichern oder den Kühlschrank für die Familie und sich selbst zu füllen. Er enthält aber auch langfristige Ziele, wie die Planung einer selbstständigen oder nicht selbstständigen Tätigkeit, um den Unterhalt zu sichern. Wie gesagt: Es wird empfohlen, das Konzept des Auf- und Abzinsens von Problemen einzusetzen. Planen Sie ferner Zeit für alle Aktivitäten rings um das Insolvenzverfahren ein. Gerade in den ersten Monaten frisst das Thema viel Zeit, viel Energie.

Sowohl für kurzfristige als auch für langfristige private Aktivitäten ist ein persönlicher Finanzplan unabdingbar. Darin müssen einerseits zwingend Mittel für Steuer- und Rechtsberatung eingeplant werden. Andererseits müssen frühzeitig etwaige Strafzahlungen oder Forderungen Dritter in der eigenen Finanzplanung berücksichtigt werden. Wichtig: Unternehmen Sie alles, um handlungsfähig zu bleiben! Hierzu zählen besonders Bank- und Kommunikationsleistungen.

Wird überlegt, die Tätigkeiten der alten Gesellschaft in einer neuen Gesellschaft oder in anders gearteter Form fortzuführen, ist es wichtig, früh zu eruieren, welche Assets hier hilfreich sein können. Und wie diese in legaler Form übertragen werden können (siehe u. a. Im Folgenden bei „Werte“).

Auf Basis der Selbstreflexion und der Planungen für das Ist und für die Zukunft gilt es, die Planungen zu formalisieren. Aufschreiben. Projektplan. Konzept. Wie auch immer. Wichtig ist: ein Format zu haben, das weiterentwickelt werden kann.

Der Insolvenzverwalter

Es wurde oben schon gesagt: Das primäre Interesse des Insolvenzverwalters ist die eigene Gewinnmaximierung. Dann kommt lange nichts. Dann kommen die Gläubiger.

Alles, was Sie als Handelnder gegenüber dem Insolvenzverwalter erwähnen, Dinge die Ihnen wahrscheinlich nicht bewusst sind, werden im Laufe des Verfahrens gegen Sie verwendet. Insolvenzverwalter sind darauf konditioniert, Gespräche in Interviewform so zu gestalten, dass sie in einer Kombination aus Small Talk, Zweckfragen, Reflexfragen, Vergleichsfragen und offenen Fragen ein Maximum an Informationen abgreifen. Exemplarisch: zu Zahlungen, Meinungen zur Situation des Unternehmens, Maßnahmen. Ein guter Insolvenzverwalter gibt Ihnen dabei ein gutes Gefühl. Sinngemäß: „Das passiert häufig.“ „Anderen ist das auch passiert.“ „Das ist ein logisches Handeln.“ – Lassen Sie sich dadurch nicht beeindrucken oder ablenken. Es gilt, die aus „Der eigene Plan“ definierten Ziele zu realisieren und Punkte zu adressieren.

Entwickeln Sie vor dem Gespräch mit dem Insolvenzverwalter ein Narrativ. Also eine sinnstiftende Erzählung, die Sie verwenden, um eine einzelne Situation oder ein spezifisches Ereignis im Besonderen darzustellen und die die Summe aller (für Ihr Ziel) relevanter Einzelheiten darstellt. Sie brauchen eine erklärende Geschichte zur Rechtfertigung. Nehmen Sie sich selbst als Ausgangspunkt. Klammern Sie allgemeines und soziales Verhalten aus. Positionieren Sie sich als direkte Quelle für den Insolvenzverwalter. Untermauern Sie Ihr Narrativ mit Massen an Dokumenten und Unterlagen (Finanzplanungen, Liquiditätsplanungen, betriebswirtschaftliche Auswertungen etc.), die Ihrem Zweck dienen. Weichen Sie nicht von der Geschichte ab. Schreiben Sie sich die Geschichte vorab auf. Lernen sie auswendig. Optimieren sie. Schaffen Sie die Welt, die Sie erzählen wollen. (Wichtig: Diese Empfehlung gilt für den Dialog mit Dritten! Für eine Selbstreflexion gilt massive Ehrlichkeit und brutalste Analyse.)

Lassen Sie sich im Gespräch auf keinen Fall auf Mutmaßungen oder Spekulationen ein! Wenn Ihnen die Gesprächsthemen nicht passen, versuchen Sie, das Thema zu wechseln bzw. das Gespräch auf Ihr Narrativ zu lenken.

Werden weitere Unterlagen gefordert, so gehen Sie aktiv darauf ein. Legen Sie für Sie praktikable Zeiträume fest. Lassen Sie sich nicht in eine Drucksituation bringen.

Ziel aller Aktivitäten ist es, eine bessere Verhandlungsposition zu erreichen oder eine Schwächung der Position des Insolvenzverwalters. Nochmals: All dies geschieht in Anlehnung an den unter „Der eigene Plan“ definierten Plan.

Werte

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens kommt es früher oder später zur Bewertung der materiellen und immateriellen Werte; aller Wirtschaftsgüter. Hierbei sind mindestens drei Dimensionen zu beachten:

  1. die Werte, wie sie in den Büchern stehen,
  2. die tatsächlichen Marktwerte und
  3. der Wert einzelner Assets für einen selbst.

Unter Wirtschaftsgütern werden regelmäßig sämtliche Güter subsumiert, die in einem Arbeitsprozess für die Leistungserstellung notwendig sind. Hierzu zählen neben Sachgütern Rechte und Daten. Insbesondere deren Bewertung stellt eine Herausforderung dar.

Es kann je nach Ausgangslage von besonderem Interesse sein, dass die Insolvenzmasse sehr hoch angesetzt wird. Hierzu ist eine besondere bzw. gesonderte Bewertung der Rechte und Daten notwendig. Dies sollte vor Stellung des Insolvenzantrags am besten durch einen qualifizierten Dritten erfolgen.

Es kann allerdings auch von besonderem Interesse für einen aktiv Handelnden sein, dass die Werte von Rechten und Daten möglichst gering sind. Dies ist dann der Fall, wenn diese Rechte und Daten vom betroffenen Unternehmen unabhängig in einer neuen Gesellschaft oder auf andere Art und Weise genutzt werden sollen. Hierbei ist es das Ziel, die Werte möglichst niedrig anzusetzen und so Verhandlungen mit dem Ziel der Eigentumsänderung zu den eigenen Bedingungen zu realisieren. Wichtig ist: Die Beurteilung des tatsächlichen Wertes der entsprechenden Güter sowie die eigene Konzessionsgrenze (= Konzessionsbereitschaft zum Bewertungssubjekt; umgangssprachlich vMax-Preis) sind hochsensible Informationen. Warum? Der Insolvenzverwalter will seinen Nutzen maximieren. Er ist aber oftmals nicht in der Lage, (günstig) die immateriellen Assets zu bewerten. Ferner kann die Suche nach geeigneten Interessenten teils sehr aufwendig sein. Gesucht werden Grenzeinigungsbedingungen, zu denen der Insolvenzverwalter bereit ist, Daten oder Rechte abzugeben und zu denen man sie selbst erwerben will.

Kurzum: Vor einer drohenden Insolvenz gilt es, insbesondere immaterielle Vermögenswerte in unterschiedlichen Dimensionen bewerten zu lassen. Diese Informationen werden je nach Ziel, zur gegebenen Zeit, in das eigene Narrativ integriert, mit der Absicht, die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Hierzu sind konstruktive und destruktive Argumentationsstrategien nutzbar. Wichtig ist: Solange man als Geschäftsführer aktiv ist bzw. als Handlungsbevollmächtigter, muss man Schaden von der Gesellschaft abwenden. Verhandeln sollte man daher erst nach Abberufung.

Abschließend

In diesem Artikel werden nur einige Punkte aufgeführt, die vor und während einer Unternehmensinsolvenz relevant sind. Die Ausführungen sollen zum Denken und Handeln anregen.

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Axel Oppermann berät seit über 17 Jahren als IT-Markt­analyst Technologie­unternehmen in Strategie- und Marketing-Fragen. Er arbeitet beim Beratungs- und Analysten­haus Avispador, schreibt für diverse Blogs, Portale, Fach­zeitschriften und kommentiert in diversen Bewegt­bild­formaten aktuelle Themen sowie den Markt. Als Gesprächs­partner für Journalisten und Innovatoren bringt Axel erfrischend neue Ansichten über das Geschehen der digITal-Industrie in die Diskussion ein. Seine viel­fältigen Erkenntnisse gibt Axel in seinen kontroversen, aber immer humor­vollen Vorträgen, Seminaren, Work­shops und Trainings weiter. Seine Themen: Digital & darüber hinaus.

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