Andreas Franken/4. Interview: Warum die klassische Kaltakquise nicht funktioniert

Beliebt machen sich Vertriebler, die ungebeten mit Angeboten vor der Tür stehen, ohnedies nicht. Ob ein Unternehmen mit Kaltakquisen heute noch erfolgreich sein kann, ist eine andere Frage. Andreas Franken sagt: So nicht. Er rät im Interview dazu, sich lieber von den Kunden optimal finden zu lassen.

Erfolgreicher Vertrieb lässt sich vom Kunden finden

Beim Thema Kaltakquise erhitzen sich die Gemüter. Manch ein altgedienter Vertriebsprofi hält sie für das einzig Wahre und setzt seinen ganzen Stolz darein, für andere gerät sie regelmäßig zum Albtraum. Aber ist Verkauf ohne Kaltakquise überhaupt möglich? Andreas Franken von Franken-Consulting hat sich als Unternehmensberater auf die Themen Strategie, Marketing und Vertrieb spezialisiert. Er sieht vor allem das vorbereitende Marketing in der Pflicht, damit Kundenkontakte zum richtigen Zeitpunkt kommen. Die klassische Kaltakquise, sagt er, ist ein überholtes Instrument: „Wenn es dem Marketing nicht gelang, genügend Leads zu produzieren, musste sich der Vertrieb selbst auf die Socken machen.“

MittelstandsWiki: Was halten Sie von der Kaltakquise?

Andreas Franken: Im Zuge meiner Beratungsmandate wird mir diese Frage regelmäßig gestellt und ich gebe hierauf stets dieselbe Antwort: Die traditionelle Kaltakquise ist ein Relikt früherer Tage, welches auch heute noch primär von Unternehmen eingesetzt wird, die es nicht geschafft haben, mit effizienteren Mitteln Nachfrage in ihren jeweiligen Zielgruppen zu generieren.

MittelstandsWiki: Das ist eine klare Antwort – die vermutlich viele vor den Kopf stoßen wird. Es gibt doch viele Unternehmen, die ihre Verkäufer gezielt für Direktansprachen ausbilden und diese Unternehmen sind doch auch erfolgreich, oder? Was machen diese Firmen falsch?

Andreas Franken: Zunächst ist festzuhalten, dass eine strategisch geplante Direktansprache nicht zwingend eine Kaltakquise sein muss. Eine gezielte Direktansprache stützt sich nicht selten auf vorgelagerte Marketing-Aktivitäten und Selektionsprozesse, wogegen eine Kaltakquise für gewöhnlich ohne effektive Marketing-Vorarbeiten auskommen muss. Bei der Kaltakquise wird ein mutmaßlicher Kunde einfach angerufen oder direkt besucht. Solch eine Kaltakquise ist bei vielen Verkäufern ebenso unbeliebt wie bei den meisten B2B– und B2C-Kunden.

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Andreas Franken ist als Unternehmensberater spezialisiert auf die Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Seine Berufserfahrung erstreckt sich über mehr als 30 Jahre, und er veröffentlicht regelmäßig Fachartikel zu Managementthemen. Zur eigenständigen Optimierung von Unternehmen bietet er seinen Neun-Punkte-Plan zum kostenlosen Download.


Andreas Franken, Franken-Consulting, Ortbeckstraße 5, 45894 Gelsenkirchen; Telefon 0209-3187586, Telefax 0209-3187581, af@franken-consulting.org, www.franken-consulting.org

MittelstandsWiki: Und warum genau ist die Kaltakquise so unbeliebt?

Andreas Franken: Ein Verkäufer, der Kaltakquise betreibt, holt sich täglich viele Abfuhren ein. Das ist nicht jedermanns Sache. Und jemand, der „auf der Liste steht“ also aus Sicht des Akquisiteurs ein potenzieller Kunde ist, empfindet den Anrufer oder Besucher zumeist als lästig. – Das Credo bei der traditionellen Kaltakquise ist, die kontaktierte Person vom eigenen Angebot zu „überzeugen“. Aber wer möchte denn schon „überzeugt“ oder zum Kaufen „motiviert“ werden? Viele mündige Menschen bilden sich ihre Meinung doch auch, ohne dass sie mit rhetorischen Mitteln manipuliert werden. Ergo haben betont manipulative Verkaufsmethoden ausgedient und müssen durch eine professionelle, typgerechte und vor allen Dingen ehrliche Beratung ersetzt werden. Umsätze sollten nicht dort gemacht werden, wo sie möglich, sondern nur dort, wo sie für alle Beteiligten auch sinnvoll sind.

MittelstandsWiki: Das klingt ja ganz nett. Aber in der Praxis stehen die Firmen und der Vertrieb doch unter hohem Erfolgsdruck und müssen Umsatz machen.

Andreas Franken: Das stimmt. Unter Druck legitimieren viele Menschen Vorgehensweisen, die sie ohne Druck nicht goutieren würden. Aber das rechtfertigt nicht, einen anderen zu belästigen oder gar zu übervorteilen, oder? Grundsätzlich sollte im Verkaufsgespräch doch in erster Linie geprüft werden, ob die Beteiligten miteinander Geschäfte machen können. In diese Situation muss ein Verkäufer aber erst einmal kommen. Und wenn die potenziellen Kunden nicht Schlange stehen, um sich mit dem Verkäufer über das Geschäftemachen zu unterhalten, dann muss er sich seine Kunden aktiv suchen. Und genau hier ist die Logik der Kaltakquise nicht mehr zeitgemäß. Es ist zwar richtig und wichtig, potenzielle Kunden auf sich aufmerksam zu machen, aber die traditionelle Kaltakquise ist obsolet und wird von vielen Unternehmen und Vertrieblern auch nur deshalb angewandt, weil sie keine anderen wirksamen und bezahlbaren Methoden kennen.

MittelstandsWiki: Als da wären?

Andreas Franken: Erfolgreicher Verkauf geht heute durch einen vernünftig konzipierten Verkaufstrichter. Hier ist ein konzertiertes Agieren zwischen Marketing und Vertrieb vonnöten, bei dem potenzielle Kunden mit gezielten Inbound- und Outbound-Marketing-Maßnahmen für die eigenen Leistungsangebote interessiert werden. In definierten Prozessphasen ist dann auch zielgerichtetes Agieren der Vertriebler angezeigt, aber nur mit „angewärmten“ oder gar „heißen“ Kontakten. Ein klug kreierter und fachkundig installierter Sales Funnel sortiert die interessierten sowie interessanten Kontakte heraus und bietet größtmögliche Effektivität verbunden mit enormer Effizienz. Ich kenne viele Unternehmen, die hier ihre alten Marketing- und Vertriebsprozesse anpassen müssen.

MittelstandsWiki: Wahrscheinlich ist es trotzdem wesentlich günstiger, einen Verkäufer um die Häuser ziehen zu lassen, als aufwendige Prozesse inklusive Marketing zu installieren. Außerdem gibt es viele Waren und Dienstleistungen, bei denen der Verkäufer etwas nachhelfen muss…

Andreas Franken: Es gibt Angebote, die niemand braucht, die von Verkäufern mit niedrigem Fixum auf Provisionsbasis in den Markt gedrückt werden. Das meine ich aber nicht, denn da sollte jeder für sich selbst beurteilen, ob so etwas zukunftsfähig ist.

MittelstandsWiki: Sondern?

Andreas Franken: Ich glaube daran, dass die Produkt- und Leistungsangebote eines Unternehmens mit klar benennbaren Wettbewerbsvorteilen ausgestattet sein sollten. Hierzu zählen nicht nur ein Besser oder Günstiger, sondern auch viele weiche Faktoren wie die Zuverlässigkeit des Anbieters, guter Service etc. Kurzum: Es sollte Gründe geben, dass ein Kunde bei einem selbst und nicht beim Wettbewerb kauft. Diese Gründe sind die logische Basis einer Unternehmens- und Marktstrategie. Diese Strategie berücksichtigt dann Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen. Hat man z.B. zu wenig Kapital, sind andere Vorgehensweisen opportun als bei Schwächen in den Bereichen Ideen, Know-how oder Personal. Gerade in der heutigen Zeit ist es durchaus möglich, hochwirksame Marketing-Maßnahmen mit relativ niedrigen Investitionen umzusetzen.

MittelstandsWiki: Jetzt sind wir von der Kaltakquise ins Marketing gekommen–

Andreas Franken: Und das zu Recht! Was hier vielen Unternehmen fehlt, sind kluge Konzepte. Es gibt in der digitalen Welt viele analoge Manager, die wegen einer permanenten Einbindung ins Tagesgeschäft das für unsere Zeit erforderliche Instrumentarium einfach nicht in ihrer Toolbox haben. Selbst gestandene Unternehmen weisen schlechte ROMIs aus. Der traurige Trend ist, mit immer mehr Budget immer weniger zu erreichen. Es war schon immer schwierig, mit einer alten Denkweise in einem neuen Umfeld zurechtzukommen. Selbstverständlich ist Erfahrung ein wichtiger Erfolgsbaustein, aber auch Erfahrung muss stets aktualisiert werden, das heißt, dass ein Manager sich auch mit neuen Technologien und Vorgehensweisen auseinandersetzen muss.

MittelstandsWiki: Gekauft. Jetzt aber bitte noch einmal zurück zur Kaltakquise. Selbst wenn sie der Vertrieb nicht mag und die Zielkundschaft nicht mag – was spricht aus Sicht des Unternehmens dagegen, einen potenziell Interessierten einfach anzurufen?

Andreas Franken: Grundsätzlich nichts – wenn durch kluge Marketing-Maßnahmen zuvor ermittelt wurde, ob es sich beim Anzurufenden tatsächlich um einen potenziellen Interessenten handelt. Die Frage ist doch: Wie sehr interessiert ist er wirklich und wann möchte er eine Entscheidung treffen? In der schlecht- oder gar unvorbereiteten Kaltakquise ist der Anrufer doch entweder zu früh oder zu spät. Leider ruft man selten genau zum richtigen Zeitpunkt an. Nehmen Sie den umgekehrten Fall, wenn ein Interessent beim Verkäufer anruft, dann liegen zwei Vorteile auf der Hand. Erstens: Er ist der Icebreaker. Zweitens: Es ist der richtige Zeitpunkt, sonst würde er gar nicht anrufen.

MittelstandsWiki: Neukunden, die von sich aus anrufen, dürften eher selten sein.

Andreas Franken: Das ist oft so, muss aber überhaupt nicht so sein. Wenn ein Unternehmen es schafft, dass der Akquisiteur seine Kontakte zum richtigen Zeitpunkt anruft oder – noch viel besser – dass die Interessenten in großer Zahl beim Vertrieb des Unternehmens anrufen, dann verfügt das Unternehmen über ein exzellentes Neukundengewinnungssystem. Statt kostbare Vertriebszeit an demotivierende Kaltanrufe zu verschwenden, kann sich der Vertrieb auf die wirklich interessanten Kandidaten konzentrieren.

MittelstandsWiki: Und wie erreiche ich, dass mein Vertrieb von potenziellen Kunden angerufen wird?

Andreas Franken: Das Unternehmen und die Leistungsangebote müssen entweder bekannt sein oder man wird im Zuge einer Recherche gefunden. Früher war das Branchenbuch das wichtigste Rechercheinstrument. Zudem informierte man sich auf Messen oder auch durch (Fach-)Publikationen. Damit konnten Unternehmen Bedarfe wecken, die zu direkten Kontaktaufnahmen von Kunden führten. Weil das aber nicht reicht, konnte kaum jemand ohne die Kaltakquise per Telefon oder als unangemeldeter Besuch leben. Trotz aller Werbe-und Marketing-Maßnahmen war die Kaltakquise einfach zwingend erforderlich. Unsere Welt hat sich seitdem verändert und damit auch das Nachfrage- und Informationsbeschaffungsverhalten. Man schaue doch einfach auf sein eigenes Verhalten, wenn es um die Beschaffung von irgendetwas geht, denn schließlich sind wir ja auch Kunden! Wir leben in einer Hybrid-Gesellschaft. Menschen informieren sich digital und kaufen analog. Oder die Informationen werden offline beschafft, um dann online zu kaufen. In puncto Informationen geht es auch nicht ausschließlich um Preise und weitere harte Faktoren, sondern auch um Informationen über den Anbieter, um Empfehlungen von Kunden und um Meinungen. Das Internet ist ein von nahezu jedermann genutztes Instrument, ca. 75% der Konsumenten googeln im Zusammenhang mit Kaufentscheidungen und 95% der B2B-Entscheider. Außerdem googeln 99% der Journalisten. Somit ist es für Unternehmen unabdingbar, zu relevanten Themen hochrangig und mit einer positiven Belegung in den Suchmaschinen gefunden zu werden.

MittelstandsWiki: Wenn ich oft genug ein guter Google-Treffer bin, rufen die Kunden also mich an, verstehe ich das richtig? Ist das Ihr Ernst?

Andreas Franken: – sofern es einen Bedarf und vor allem einen guten Grund gibt, gerade Ihr Angebot zu wählen: Ja. Das ist mein voller Ernst. Wann haben Sie z.B. das letzte Mal von sich aus in einem Online-Shop gekauft? Oder hat Amazon bei Ihnen per Kaltakquise geklingelt?

MittelstandsWiki: So gesehen… Aber dann muss es doch einen Grund geben, warum noch immer so häufig auf die tradierte Art und Weise verkauft wird.

Andreas Franken: Wie bereits erwähnt, sind viele analoge Manager mit der digitalen Klaviatur bei Weitem nicht so vertraut, wie es erforderlich wäre. Demzufolge wird in vielen Firmen noch auf die altbewährten Vermarktungsprozesse gesetzt. Fakt ist, dass das Zusammenspiel zwischen Vertrieb und Marketing oft nicht klappt. Früher hat der Vertrieb durch Kaltakquise Mängel im Marketing ausgeglichen. Das war Usus. Wenn es dem Marketing nicht gelang, genügend Leads zu produzieren, musste sich der Vertrieb selbst auf die Socken machen. Mit einem modernen Ansatz allerdings, der Inbound- sowie Outbound-Marketingmaßnahmen strategisch integriert, bekommt der Vertrieb die wirklich interessanten Kontakte gezielt zugespielt. So kann sich der Vertrieb mit mehr Kundendialogen intensiver befassen und vergeudet seine Zeit nicht mit der Suche nach potenziellen Auftraggebern. Dies führt zu zielgerichteter Marktbearbeitung und nachhaltigen Ergebnissteigerungen.

MittelstandsWiki: Herr Franken, haben Sie besten Dank –

Andreas Franken: Ich danke Ihnen ebenfalls. Ich möchte aber gern noch einen Appell an die richten, die in ihrem Unternehmen für den Vertrieb verantwortlich sind: Wenn Sie Ihrem Vertrieb ein Leben ohne oder zumindest mit weniger Kaltakquise wünschen und die Rentabilität Ihres Unternehmens nachhaltig verbessern möchten, dann bewerten Sie doch einmal – mit ein wenig Abstand vom Tagesgeschäft – Ihre aktuellen Marketing- und Vertriebsprozesse und vergleichen Sie diese mit modernen Vermarktungsmethoden. Ich garantiere Ihnen überraschende und den Erfolg steigernde Erkenntnisse.

Das Interview führte Florian Eichberger.