Dr. Thomas Alt: Wo Kamerabilder genaue Auskunft geben

Augmented Reality (AR) ist längst mehr als eine hübsche Spielerei, auch wenn sie ihren Boom momentan im Rahmen von Apps erlebt. Die Realitätswahrnehmung gezielt mit Informationen anzureichern, sagt Metaio-CEO Dr. Thomas Alt im Interview, ist durchaus eine sinnvolle Option für den Mittelstand.

Augmented Reality ist ideal für den Kundensupport

Die Metaio GmbH ist einer der führenden Anbieter von Augmented-Reality-Software und -Lösungen. Am Hauptsitz in München und in den Büros in San Francisco entstanden Anwendungen beispielsweise für Audi, McDonald’s oder IKEA. Für das schwedische Möbelhaus arbeitete die Firma z.B. an der IKEA-App mit, mit der die Kunden über ihr Smartphone oder Tablet ausgesuchte Artikel des aktuellen Katalogs mittels Augmented Reality in ihre eigene Wohnung projizieren und so abschätzen können, wie das Möbelstück bei ihnen aussehen würde. Wir sprachen mit Dr. Thomas Alt, dem CEO von Metaio, über den Einsatz von AR bei mittelständischen Unternehmen. Er sieht Anwendungsszenarien „überall dort, wo es darum geht, dass der Kunde einen zusätzlichen Nutzen hat“.

Augmented Reality („erweiterte Realität“) ist eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre. Die Wikipedia definiert Augmented Reality (AR) als „computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung“. In den meisten Fällen geht es darum, Bilder oder Videos mit zusätzlichen Informationen zu versehen. Ein Beispiel ist etwa die eingeblendete Freistoß-Entfernung bei einer Fußballübertragung im Fernsehen.

MittelstandsWiki: AR-Lösungen wurden in den vergangenen Jahren vor allem von Konzernen wie IKEA, Lego oder McDonald’s präsentiert. Ist die Technik auch für den Mittelstand interessant?

Dr. Thomas Alt: Ja, auf jeden Fall. AR lässt sich theoretisch überall einsetzen, wo es um den Support und um das Erkennen von Gegenständen geht. Konzerne wie Volkswagen oder IKEA sind zwar momentan die Vorreiter. Wir glauben aber, dass bereits in naher Zukunft auch mittelständische und kleinere Firmen die Technik nutzen werden. Wir haben beispielsweise in den USA mit Mitsubishi ein Projekt zu Klimaanlagen durchgeführt. Dort gehen die Vertreter mit einem Tablet-PC zu den Kunden und zeigen ihnen direkt in ihrer Wohnung, wie die Anlage bei ihnen aussehen würde. Das ist auch für kleinere Unternehmen vorstellbar.

MittelstandsWiki: In welchen Branchen sehen Sie die größten Chancen für AR?

Dr. Thomas Alt: AR ist branchenübergreifend. Wir konzentrieren uns nicht auf bestimmte Branchen, sondern auf Use Cases. Wir waren in letzter Zeit beispielsweise auf den VDMA-Workshops präsent (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., Anm. der Redaktion), AR kann aber auch im Engineering- oder Print-Sektor stattfinden. Ein Beispiel für eine Anwendung bei der Automobilindustrie ist die App Audi eKurzinfo, die momentan für den A1 und den A3 verfügbar ist. Sie ist in der Lage, bis zu 300 Punkte auf dem Armaturenbrett zu erkennen und Erklärungen zu den einzelnen Bedienelementen wie der Klimaanlage etc. einzublenden. Sie ergänzt also die Bedienungsanleitung. Man könnte das Programm aber auch mit dem Autosystem verbinden, so dass der Anwender den Ölstand ablesen kann oder sieht, wo die nächste Werkstatt ist. Solche Szenarien sind auch im Bereich von brauner oder weißer Ware möglich, überall dort, wo es darum geht, dass der Kunde einen zusätzlichen Nutzen hat. Ganz gleich, ob es ein End- oder B2B-Kunde ist.

MittelstandsWiki: Sie sehen Augmented-Reality-Anwendungen also generell im Bereich des Kundensupports?

Dr. Thomas Alt: Auf jeden Fall. Ein Beispiel: Ihre Kaffeemaschine ist defekt. Es gibt aber eine App dafür. Sie erkennt die Maschine und blendet auf dem Smartphone oder Tablet mögliche Lösungen ein. Man könnte aber auch weiterdenken und in die Software eine Funktion aufnehmen, die einen Serviceanruf bei der Hotline tätigt. Der Hotline-Mitarbeiter könnte sich dann über die Kamera einen Eindruck davon verschaffen, was mit der Maschine los ist.

MittelstandsWiki: Die meisten AR-Lösungen basieren derzeit auf Apps für Smartphones oder Tablets. Gibt es auch andere Möglichkeiten?

Dr. Thomas Alt: Leicht überspitzt gesagt kann AR überall dort zum Zuge kommen, wo eine Kamera eingesetzt wird. Ob bei Kiosk-Systemen wie bei IKEA oder bei der Kameraüberwachung in der Industrie, wo es um die Produktionssteuerung geht – überall dort kann man Augmented Reality verwenden.

MittelstandsWiki: In welchem Kostenrahmen bewegt sich ein AR-Projekt?

Dr. Thomas Alt: Das kann man so pauschal nicht sagen. Wir stellen ja auch Tools wie den Metaio Creator her, mit denen die Kunden ihre eigenen Projekte durchführen können. Die meisten Anwendungen erarbeiten wir jedoch noch selber. Da hängt der Preis immer vom Pflichtenheft und dem Storyboard ab. Das sind jedoch immer sehr spezielle Auftragsdetails, da kann man keine allgemein gültigen Summen nennen.

Das Interview führte Roland Freist.

Thema: Extended Reality
Im Schwerpunktbeitrag zeichnet Axel Opermann nach, wie der VR/AR-Hype zum Geschäftsmodell geworden ist. Die weiteren Folgen sichten einerseits konkrete Extended-Reality-Anwendungen in der Industrie, speziell im Automobilbau, andererseits schicke VR-Lösungen zum Anfassen und Eintauchen für Consumer. Außerdem stellen wir das Berufsbild Virtual-Reality-Entwickler vor, zeigen praktische Use Cases bei der RZ-Wartung auf und bitten Dr. Thomas Alt zum Interview über Augmented Reality im Kundensupport. Lohnend ist nicht zuletzt ein Seitenblick ins Erlanger Hybrid Studio und nach Österreich – dort sitzen einige der interessantesten XR-Start-ups weltweit.