Michael Traut und Christine Pietsch

Wer auf 32 Quadratmetern ein Haus baut

Michael Traut und Christine Pietsch aus dem hessischen Bad Camberg leiten das Büro Traut Architekten, das der Lehrbeauftragte der FH Wiesbaden 1997 gründete. Das Paar gewann 2003 und 2008 den Preis für vorbildliches Bauen im Lande Hessen, den der Bund Deutscher Architekten vergibt. In beiden Fällen würdigten die Preisrichter die minimalistische Bauweise. 2008 erhielten sie den Preis für das Minihaus, das mit 32 m² Grundfläche auskommt und es dennoch auf immerhin 72 m² Wohnfläche bringt. Das Interesse war groß, denn statt einer Eigentumswohnung gab es hier „ein richtiges Haus, mit allen Vorzügen.“

Mittelstandswiki: Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee mit dem Minihaus?

Christine Pietsch: Das war reiner Zufall. Mein Bruder wollte auf dem Gelände in Idstein eigentlich ein Einfamilienhaus bauen. Dann musste er aber beruflich nach Stuttgart ziehen. Irgendwann kam uns die Idee, statt einem großen zwei kleine Einfamilienhäuser zu errichten und zu vermieten.

Mittelstandswiki: Die Gebäude sind ja mit ihren 32 m² Grundfläche recht klein. Als ich das Minihaus am Tag der Architektur besucht habe, kam es mir innen aber nicht sonderlich eng vor. Irgendwie hat es mich an ein Loft erinnert.

Michael Traut: Das haben uns viele Besucher gesagt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir die einzelnen Stockwerke mit einer offenen Stahl–Holz–Treppe verbunden haben. Dadurch wirkt das Gebäude offen und transparent. Die Füllungen der Treppenstufen bestehen zudem aus Makrolonglas, was dem Ganzen noch eine besondere Leichtigkeit gibt. Großzügig wirken die Gebäude auch deshalb, weil die Fenster raumhoch sind und direkt ins Grüne blicken und weil wir keine Wände in den einzelnen Stockwerken hochgezogen haben, was zusätzlich Platz spart. Außerdem ist die Grundfläche ja quadratisch, wodurch der Platz optimal genutzt wird.

Christine Pietsch: Am Ende kommen Sie trotzdem auf 72 m², weil wir über vier Stockwerke gebaut haben.

Mittelstandswiki: Das Innere ist sehr minimalistisch und einfach. Aus ästhetischen Gründen?

Michael Traut: Das auch. Wir denken, dass man Einfaches nicht verkomplizieren und Kompliziertes nicht vereinfachen sollte. Das ist eine unserer Kernthesen.

Christine Pietsch: Genau. Albert Einstein sagte einmal: ‚Man sollte alles so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher.‘ Das nehmen wir uns zu Herzen. Das Ganze hatte noch einen parktischen Nebeneffekt. Weil wir uns auf wenige Baustoffe und Details konzentriert haben, wirkt das Gebäude nicht überladen, und ganz nebenbei konnten wir die Kosten klein halten.

Mittelstandswiki: Apropos Kosten. Wie teuer war das Ganze?

Michael Traut: Für ein Gebäude hatten wir ca. 120.000 Euro Baukosten, Eigenleistungen nicht mitgerechnet.

Mittelstandswiki: Und wer zieht in so ein Haus ein?

Christine Pietsch: Also der Andrang war sehr hoch. Wir hatten Musiker, eine Opernsängerin, junge Paare, Familien mit kleinen Kindern.

Michael Traut: Sie haben alle sofort den großen Vorteil erkannt. Nämlich dass das Minihaus ein richtiges Haus ist, mit allen Vorzügen. Sie können singen, Schlagzeug spielen, Musik hören – und keinen Nachbarn stört’s. Interessanterweise waren es alles Menschen, die irgendwie gegen den Strom schwammen. Das fand ich bemerkenswert.

Mittelstandswiki: Könnte das Minihaus ein Modell für die Zukunft sein?

Michael Traut: Für einige Menschen auf jeden Fall. Es gibt ja auch immer mehr Singles, die ja meist nur davon träumen können, ein eigenes Haus zu besitzen. Für sie hieß die Alternative immer Eigentumswohnung. Mit einem Minihaus können sie auch ein eigenes Haus bauen.

Mittelstandswiki: Wollen Sie dann noch mehr Minihäuser bauen?

Michael Traut: Es hat uns schon Spaß gemacht, aber wir wollen nicht für alle Zeiten als die Spezialisten für Minibauten gelten. Wir können auch größere Häuser bauen. Vor kurzem haben wir 21 Wohnungen in einem öffentlich geförderten Wohnhaus umgebaut. Da konnten wir aber von unserer Erfahrung mit dem Minihaus zehren. Wir hatten feste Raumgrößen, mit denen wir klar kommen und die wir auf einen modernen Stand bringen mussten.

Das Interview führte Sabine Philipp.
Serie: Gründerwettbewerbe
Teil 1 beginnt die Übersicht im Südwesten mit Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland Teil 2 führt die Liste für Bayern und Thüringen fort. Von dort aus wirft Teil 3 gleich noch einen Blick auf die Gründerwettbewerbe in Österreich. Lesenswerte Seitenstücke sind die Preisträger-Interviews mit Thorsten Pehl von audiotranskription.de, Gregor von dem Knesebeck von bilandia sowie den Architekten Michael Traut und Christine Pietsch.