Jobwechsel: Wer beim Jobwechsel die Nerven behält

Nur weil der IT-Arbeitsmarkt wohl noch auf Jahre von Personalmangel geprägt sein wird, sollten sich gefragte Fachkräfte nicht benehmen wie die Axt im Walde. Das gilt auch beim Jobwechsel. Wer mit ein wenig Umsicht und Fingerspitzengefühl kündigt, sammelt Punkte für seinen guten Ruf in der Branche.

Abschied ohne Ärger

Von Michael Praschma

Es ist ein Riesenthema, und es treibt CIOs und Personalern den Schweiß auf die Stirn – in IT-Unternehmen, aber auch in Firmen, deren Betriebsabläufe von IT-Experten abhängig sind: Die Fachkraft will kündigen, was nun? Die Sorge ist berechtigt. 137.000 unbesetzte IT-Stellen in Deutschland im Jahr 2022 laut Bitkom sprechen eine deutliche Sprache. Und diese Zahl könnte sich bis 2026 mehr als verfünffachen, sagen McKinsey und Stifterverband. Gute Gelegenheit also für alle mit den händeringend gesuchten Skills, die Fühler nach attraktiveren Arbeitgebern auszustrecken, selbst in einem festen Job.

Es gibt natürlich noch viele andere – und durchaus legitime – Gründe für einen Jobwechsel: Der Aufgabenbereich ist zu eng und bietet wenig Chancen zur fachlichen Weiterentwicklung; betriebliche Strukturen und/oder Arbeitsprozesse erscheinen starr und kaum oder nur schwer adaptierbar an neue Anforderungen; das Betriebsklima oder das Verhalten von Vorgesetzten ist unerfreulich; vielleicht war die jetzige Position überhaupt nur als Option auf Zeit gedacht und nun bietet sich eine verlockende Chance … Was davon auch immer zutrifft, es macht nur wenig Unterschied, wenn es um die richtige Vorgangsweise bei der Kündigung geht.

Der letzte Eindruck zählt

Auf Kündigungen folgt stets, na klar, zeitnah das Dienstzeugnis. Und auch wenn da keine direkt negativen Bewertungen stehen dürfen – Formulierungen wie das schon fast sprichwörtliche „er/sie bemühte sich stets …“ oder das Fehlen erwartbarer positiver Aspekte geben erkennbare Hinweise darauf, wo ein Vorgesetzter unzufrieden war. Und das schleppt man dann ein Arbeitsleben lang mit sich herum.

Hier kommt etwas Psychologie ins Spiel. Auch hartgesottene Vorgesetzte agieren zumindest ein Stück weit auf Basis sehr schlichter Emotionen. Leicht nachvollziehbar ist zum Beispiel, dass frische Erinnerungen stärker wirken können als langjährige Erfahrung. Das Verhalten eines Mitarbeiters im Zusammenhang mit seiner gerade erst erfolgten Kündigung kann also durchaus den Grundton eines Dienstzeugnisses in die eine oder andere Richtung färben. Dasselbe gilt, wenn man den Fehler begeht, sich in die „stille Kündigung“ zu begeben, also nur mehr das Nötigste zu leisten bzw. Dienst nach Vorschrift zu schieben. Das bleibt meist nicht unbemerkt und macht einen entsprechend schlechten Eindruck.

Ein weiteres gutes Motiv, nicht nur korrekt und kooperativ, sondern betont sensibel bei und nach der Kündigung aufzutreten: Ist man für das Unternehmen ein wertvoller Mitarbeiter, und sei es nur, weil man schwer ersetzbar ist, dann ist eine Kündigung nicht nur einfach ein betriebliches Problem. Sie kann bei Verantwortlichen auch Angst, unterdrückten Zorn und so etwas wie eine narzisstische Kränkung („Sind wir nicht gut genug?“) hervorrufen.

Nun steht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern natürlich nicht zu, in eine quasi-therapeutische Rolle zu schlüpfen. Aber wenn man zu erkennen gibt, dass einem die Auswirkungen der Entscheidung, das Unternehmen zu verlassen, bewusst sind, wenn man sich aus eigener Initiative Gedanken über Lösungsmöglichkeiten für daraus erwachsende Probleme macht und wenn man anbietet, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um an einem möglichst reibungslosen Übergang mitzuwirken, dann wird dieser positive Eindruck wahrscheinlich auch das Dienstzeugnis beeinflussen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Sieben Tipps für eine reibungslose Kündigung

Die folgenden Empfehlungen gelten je nach Unternehmen, eigener Position und betrieblicher Situation natürlich teils mit Abwandlungen; im Wesentlichen sind sie aber allgemeingültig.

Die eigene Entscheidung durchdenken

Bevor man überhaupt – egal wo im Unternehmen – ein Sterbenswort über Kündigungspläne fallen lässt, sollten alle Gründe für und gegen die Kündigung abgewogen sein, einschließlich der Aspekte, die sich aus den nachfolgenden Empfehlungen ergeben. Eine in allen Punkten gut durchdachte und entsprechend kommunizierte Kündigung hinterlässt einen guten Eindruck, ungeachtet dessen, dass eine fristgerechte Kündigung eigentlich keiner Rechtfertigung bedarf.

Kündigung oder Verhandlung?

Das ist die wichtigste Vorentscheidung! Eine Kündigung darf kein Erpressungsversuch werden. Wenn es darum geht, Veränderungen der eigenen Arbeitsbedingungen zu erzielen und wenn das innerhalb des Unternehmens Aussicht auf Erfolg hat, dann gehört das in eine Verhandlung, in der das Wort „Kündigung“, wenn überhaupt, dann nur nach einem definitiven Scheitern fallen darf.

Zuerst persönlich!

Zumindest in kleineren Unternehmen bzw. solchen, wo es noch eine Gesprächsebene zu dem Vorgesetzten gibt, der auch die Arbeit beurteilen wird, gilt: zuerst und so früh wie möglich in einem vereinbarten persönlichen Gespräch die Kündigungsabsicht bzw. -entscheidung mitteilen, dann erst die förmliche schriftliche Kündigung einreichen! Das gilt vor allem dann, wenn sich hinsichtlich des Termins, wann die Kündigung wirksam werden soll, noch etwas ändern könnte.

Diplomatie und Klarheit

Wenn einem Vorgesetzten die Kündigung vielleicht schwer im Magen liegt, dann hilft es ihm eventuell, wenn er die Kündigungsgründe gut nachvollziehen kann, z.B. wenn es um besondere neue Karrierechancen oder überhaupt eine völlige berufliche Neuorientierung geht. Heiklere Gründe wie Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation sollten (wenn sie nicht ohnehin bekannt sind, siehe Punkt 2) nur höflich angedeutet werden. Man kann sie genauer ausführen, wenn der Vorgesetzte dazu auffordert.

Kooperationsbereitschaft zeigen

In vielen Fällen wird es so sein, dass die eigene Arbeit nicht ohne Weiteres sofort von jemandem aus der Abteilung oder von einer neuen Fachkraft (die ja erst einmal gefunden werden muss) weitergeführt werden kann. Dann macht es einen guten Eindruck, wenn man darauf hinweist, dass man eigeninitiativ jede mögliche Unterstützung für einen glatten Übergang anbietet bzw. parat hat: transparente und nachvollziehbare Dokumentation über laufende Projekte, wiederkehrende Arbeitsprozesse, formale Routinen, Compliance-Regeln etc.

Rat und Hilfe

Nach Möglichkeit sollte man auch bereit sein, für eine Übergangszeit für Nachfragen zur Verfügung zu stehen. Und: Falls sich das Aufgabenprofil seit der eigenen Einstellung verändert hat, sind entsprechende Hinweise auf neue Anforderungen auch existenziell dafür, dass das Unternehmen die Anforderungen für die Stelle bei der Neuausschreibung richtig beschreibt.

Mehr als nur eine Floskel: Dank

Auch wenn nicht jeder Jobwechsel von schwerer Wehmut ob einer großartigen beruflichen Erfahrung geprägt ist, werden sich doch in jeder Tätigkeit Aspekte finden lassen, die man dankend anerkennen kann, ohne zu heucheln – Letzteres sollte man jedenfalls vermeiden. Als glaubhafte Geste erleichtert es selbst in konfliktbehafteten Arbeitsbeziehungen den Vorgesetzten, ihrerseits positive Formulierungen für das Dienstzeugnis zu finden.

Neben diesen Punkten kann es individuelle Besonderheiten einer Arbeitsstelle geben, wo man mit weiteren „flankierenden Maßnahmen“ dafür sorgen sollte, dass der Jobwechsel zumindest keine vermeidbaren Probleme im Unternehmen, in der Abteilung oder im Team hervorruft. Hier ist ein gewisses Einfühlungsvermögen und Mitdenken gefragt, wenn es darum geht, alles zu regeln. Vor allem jene Kolleginnen und Kollegen sollten dabei unbedingt einbezogen werden, die bisher in die eigenen Arbeitsläufe eng involviert waren. So lassen sich betriebliche Beeinträchtigungen auf ein Minimum reduzieren.

Formalien fehlerlos abwickeln

Eine Vorgangsweise bei der Kündigung, die für „gut Wetter“ sorgt, macht natürlich die Einhaltung der erforderlichen Formalien nicht überflüssig. Hier ist vor allem die Kündigungsfrist zu beachten. Sie ergibt sich – einschließlich eventueller Formvorschriften – meist aus dem Arbeitsvertrag. Anderenfalls gelten die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen von vier Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende. Das förmliche Kündigungsschreiben muss unter Bezugnahme auf die jeweilige Rechtsgrundlage darauf abgestimmt sein.

Wünscht man eine vorzeitige Aufhebung des Arbeitsvertrags (etwa weil ein neuer Arbeitgeber auf einen möglichst baldigen Arbeitsantritt drängt), gilt es, eine einvernehmliche Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag auszuhandeln, denn ein Recht auf eine außerordentliche Kündigung haben Arbeitnehmer nur aus wichtigen Gründen wie etwa Mobbing am Arbeitsplatz, Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger etc. Da man hier auf das Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen ist, empfiehlt es sich umso mehr, bei den entsprechenden Punkten aus der obigen Liste großzügig mit Angeboten umzugehen, die Unannehmlichkeiten des Unternehmens ausgleichen könnten.

Wie erwähnt, sollte das Kündigungsgespräch vor der Einreichung der förmlichen Kündigung stattfinden. Das Kündigungsschreiben kann – wenn nicht noch Details wie eben das Ende des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren sind – direkt zum Schluss des Gesprächs überreicht bzw. der Personalabteilung übergeben werden, dann mit dem entsprechenden Datum und möglichst mit einer Bestätigung des Arbeitgebers, damit es bei knapper Einhaltung der Kündigungsfrist kein Versäumnis gibt.

Die Schriftform ist für eine rechtsgültige Kündigung jedenfalls erforderlich, mündliche oder digital eingereichte Kündigungen (per E-Mail, SMS, Messenger u.Ä.) reichen nicht. In Österreich ist die digitale Form (mit elektronischer Signatur!) möglich, soweit nicht für den Einzelfall geltende rechtliche Bestimmungen das ausschließen.

Mein sauberer Abgang

Niemand sollte sich in falscher Sicherheit wiegen! Auch wenn sich noch nichts Definitives am eingangs skizzierten Stellenmarkt der IT-Branche abzeichnet: Die Erschütterungen durch die Kündigungswellen der großen Tech-Konzerne Twitter, Meta, Microsoft usw. machen deutlich, dass die Situation für IT-Fachkräfte sich auch einmal gravierend ändern kann.

Damit rückt neben der Frage des „Wie?“ einer Kündigung auch wieder in den Vordergrund, sich einen Jobwechsel ohnehin gut zu überlegen. Denn ob man auch morgen und übermorgen noch die freie Wahl zwischen dutzenden Stellen hat, die einen mit Kusshand nehmen, ist durchaus nicht garantiert. Sich aus purer Abenteuerlust spontan einen aufregenden neuen Arbeitgeber zu suchen, könnte also riskant sein. Umso wichtiger ist, sich von den bisherigen Stellen buchstäblich mit den besten Empfehlungen verabschiedet zu haben.

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Michael Praschma ist Texter, Lektor und Redakteur. Er beherrscht so unterschiedliche Gattungen wie Werbetext, Direct Marketing, Claims, Webtext, Ghostwriting, Manuals oder PR. Außerdem treibt er sich – schreibend und anderweitig engagiert – in Journalistik, Non-profit-Organisationen und Kulturwesen herum. Seine Kunden kommen aus verschiedensten Branchen. Am MittelstandsWiki schätzt er die Möglichkeit, mit eigenen Recherchen auf den Punkt zu bringen, was Verantwortliche in Unternehmen interessiert. → https://praschma.com/

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