Karriere in der Robotik: Wo Roboter die Jobs der Zukunft schaffen

Die Berufs­aussichten in der Robotik sind in Zeiten der Auto­mation besser als je zuvor, vor allem für gut aus­gebildete Ingenieure. Gefragt sind Fach­kräfte, die über den eigenen Teller­rand schauen können – und die sich nicht scheuen, die Arbeits­welt der kom­menden Jahre mitzugestalten.

Androiden träumen nicht

Von David Schahinian

Wall-E, R2D2, Commander Data, HAL 9000 – sie alle sind Mitglieder der Robot Hall of Fame. Seit 2003 würdigt die Carnegie Mellon University damit Fortschritte in der Robotik. Gleichzeitig soll die Ruhmeshalle ein breiteres Bewusstsein dafür schaffen, welchen Beitrag intelligente Maschinen und ihre Erschaffer mittlerweile für die Wissenschaft und die Gesellschaft leisten. Denn längst setzen sich Automation und mit ihr Roboter in immer mehr Unternehmen durch.

Über die Folgen dieser Entwicklung ist sich die Fachwelt nicht ganz einig. Unter dem Titel „Die Roboter kommen“ veröffentlichte die ING-Diba 2015 eine Studie, wonach von 30,9 Mio. berücksichtigten Arbeitsplätzen in Deutschland 18,3 Mio. in ihrer jetzigen Form von der fortschreitenden Technologisierung bedroht sind. Besonders gefährdet seien Büro- und Sekretariatskräfte, Hilfskräfte für Post- und Zustelldienste sowie Lageristen, Verkäufer, Hilfskräfte in der Reinigung sowie Gastronomieservicekräfte.

Gleichzeitig wird aber auch auf die Chancen hingewiesen. Denn durch die vernetzte Kommunikation werde die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine gefördert. Vor allem werde es zu einer Umschichtung in Richtung IT-Tätigkeiten kommen, so die Prognose. Dass die Roboter und Maschinen auch gebaut, programmiert, gewartet und weiterentwickelt werden müssen, rückt bei diesen Diskussionen oft in den Hintergrund. Die Berufsbilder in der Robotik sind vielfältig, weil die Anwendungsmöglichkeiten es sind.

Interdisziplinäres Arbeiten

Der Weg in den Beruf zum Ingenieur für Robotik und autonome Systeme führt über ein Bachelor- oder Masterstudium. Führungspositionen, spezialisierte Aufgabenstellungen oder Tätigkeiten in Wissenschaft und Forschung erfordern meist Letzteres, gegebenenfalls auch die Promotion oder Habilitation, heißt es bei der Agentur für Arbeit.

Die Absolventen planen und realisieren Roboter und kognitive Systeme und müssen die Fähigkeit haben, über den Tellerrand zu schauen. So beschäftigen sie sich, je nach Einsatzgebiet, beispielsweise auch mit Sprache, Gestik und Dialogführung. In der Medizin designen sie intelligente Assistenzsysteme, heißt es bei den Jobprofis weiter, auch im Bereich Beratung und Consulting werden die Robo-Ingenieure gebraucht: Dort sind sie unter anderem in Fragen der Mensch-Maschine-Interaktion tätig. Typische Einsatzbranchen sind der Maschinen- und Fahrzeugbau, die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Mikroelektronik- und Elektroindustrie sowie die pharmazeutische und chemische Industrie.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Einige Hochschulen bieten spezialisierte Studiengänge an. Diese haben unterschiedliche Namen wie „Automatisierungstechnik und Robotik“ (Bachelor of Engineering, Hochschule Coburg), „Autonome Systeme“ (Master of Science, TU Darmstadt) oder „Robotics, Cognition, Intelligence“ (Master of Science, TU München). Zur Abgrenzung erklärt die TU München, dass das Studium Berufsbilder wie den Maschinenbauingenieur nicht ersetzen solle. Stattdessen sollen Absolventen mit ihnen gemeinsam den effektiven Einsatz von Methoden der Informatik zur Bearbeitung von Problemen aus dem Bereich der Automatisierung leisten. „Generell ist die Robotik seit jeher das Feld der interdisziplinären Zusammenarbeit, auf dem Gruppen von Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Informatikern eng zusammenarbeiten“, heißt es bei der Universität weiter.

Das ist der Grund, warum viele Wege nach Rom führen können. Wer sich zunächst nicht festlegen will, kann über verwandte Tätigkeitsfelder mit Schnittmengen zur Robotik Anschluss suchen. Dazu zählen Mathematik und Informatik, Elektrotechnik, Kognitionswissenschaften oder die Psychologie.

Versuch und Irrtum

Zu den weiteren Eignungen, die unabhängig vom Studiengang benötigt werden, zählt Geduld. Schnelle Erfolge sind bei den anspruchsvollen Aufgaben meist nicht zu erwarten. Darüber hinaus ist man selten allein für die Entwicklung eines Roboters verantwortlich. Teamgeist, ein langer Atem und auch Leidensfähigkeit sind hilfreich. Umso größer ist allerdings die Belohnung, die Maschine zum ersten Mal laufen zu sehen – was mitunter durchaus wörtlich verstanden werden kann.

Für Furore sorgte in diesem Zusammenhang Method V2. Der südkoreanische Hersteller Hankook Mirae Technology pries ihn Ende 2016 als ersten bemannten Roboter auf zwei Beinen an. Die Arme werden aus dem Cockpit des 4 m großen Riesen heraus gesteuert. Wer jetzt an die Transformers-Filme denkt, liegt nicht ganz falsch: Das Design stammt von Vitaly Bulgarov, der sowohl an diesen Produktionen als auch an Robocop beteiligt war. Eines der ersten realen Einsatzgebiete des Roboters soll Fukushima sein, wo er beim Wiederaufbau nach der Nuklearkatastrophe helfen soll.

Die Anwendungen im Arbeitsalltag werden meist weniger spektakulär sein. Das Prinzip der Entwicklung ist aber auch bei Haushaltsrobotern oder maschinellen Helfern in der Produktion grundsätzlich ähnlich: Die Ingenieure entwerfen ein Design und bauen einen Prototyp, der dann ausgiebig getestet wird. Immer wieder sind Verbesserungs- und Absprachezyklen nötig, die dann in Optimierungen einfließen. Die Arbeit ist nie richtig fertig, denn in den meisten Fällen werden die Roboter auch nach der Marktreife weiterentwickelt, um die bisherigen Modelle durch neue, noch bessere zu ersetzen.

Robotik im Trend

Der Robotikingenieur hat es immerhin in die Liste der Trendberufe 2017 des Jobportals gehalt.de geschafft. Gut ausgebildete Maschinenbauer gebe es zwar bereits, „jedoch nicht unbedingt mit dem relevanten Schwerpunkt in Robotik“. Das technische Verständnis von Konstruktionen und Automatisierungskonzepten sei zwar relevant, reiche aber nicht mehr aus. Zunehmend seien auch Kompetenzen in der Programmierung der entwickelten Maschinen gefragt. Die Experten beziffern das durchschnittliche Einkommen pro Jahr auf 52.443 Euro.

Die Aussichten sind rosig: Auch durch Themen wie autonomes Fahren werden der Umgang mit und die Anwendung von Programmiersprachen für andere Ingenieurswissenschaften immer wichtiger. Zudem wächst die Auswahl an potenziellen Arbeitgebern. Waren es bisher oft einige wenige Schwergewichte wie der Robotikanbieter Kuka, an die man als Interessierter auf Jobsuche in diesem Bereich kaum vorbeikam, drängen verstärkt neue Anbieter in das Feld. Nicht selten sind das Ausgründungen von großen Unternehmen. So präsentierte der Hersteller Mayfield Robotics, der zu Bosch gehört, jüngst Kuri, einen Heimroboter für Kinder. Das Start-up Magazino entwickelt und baut wahrnehmungsgesteuerte, mobile Roboter für die Intralogistik – und schloss frühzeitig eine Partnerschaft mit Siemens.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist die Forschung. Die Stellen sind zwar dünn gesät, aber umso interessanter. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) führt derzeit beispielsweise mehrere Projekte durch. Dazu zählen Mantis und Flatfish. Mantis ist ein mehrbeiniger Laufroboter mit sechs Extremitäten, der steile Krater und Geröllfelder erkunden und überwinden soll. Flatfish ist für den Einsatz unter Wasser gedacht, wo er unter anderem Pipelines inspizieren soll. Das DFKI sucht regelmäßig sowohl Wissenschaftler als auch studentische Hilfskräfte.

Arbeit im Wandel

Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) traut der Robotik den „nächsten großen Produktivitätssprung“ in der Industrie zu. Als Hauptgrund wird genannt, dass es bisher immer noch günstiger war, viele Arbeiten von Menschen ausführen zu lassen, anstatt Robotersysteme zu kaufen, zu programmieren und zu warten. Das ändere sich jedoch: Viele Industrien erreichten mittlerweile einen Wendepunkt, an dem es sich für sie auszahlen könnte, in die Maschinen zu investieren. Befeuert werde diese Entwicklung von immer günstigeren Preisen für die benötigte Hard- und Software. Gleichzeitig sagen die Analysten eine jährliche Performancesteigerung der Roboter in Höhe von etwa 5 % voraus.

Das wird auch Auswirkungen auf diejenigen Beschäftigten haben, die zunächst einmal wenig mit den Robotern am Hut haben (wollen). Nicht nur die Berater von BCG gehen davon aus, dass die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steigen wird, während einfache Hilfstätigkeiten mehr und mehr wegfallen. Die Fähigkeiten, die Mitarbeiter brauchen, um in den hochtechnisierten neuen Arbeitsumgebungen bestehen zu können, würden sich „fundamental wandeln“ – ein weiterer von vielen Gründen für Unternehmen, die IT-Weiterbildung ihrer Belegschaft nicht zu vernachlässigen.

Einstieg ohne Studium

Wer gerne mit Robotern arbeiten, sie aber nicht gleich selbst konzipieren und bauen will, kann einen Berufszugang ohne Studium finden. Robotereinsteller etwa bestücken Anlagen, kontrollieren die Steuerungsprogramme, führen Tests durch oder überwachen die Maschinen. Sie sind auch für die Wartung und die etwaige Behebung von Störungen im Funktionsablauf verantwortlich. Voraussetzung ist nach Angaben der Arbeitsagentur in der Regel eine Aus- oder Weiterbildung im Maschinenbau oder in der Automatisierungstechnik. Die Inhalte des Berufs Roboterführer sind weitgehend identisch, doch wird der Begriff heute nur noch selten verwendet.

Darüber hinaus bietet die Industrie auch Chancen für Interessierte, die zwar eine Affinität zu Informatik und technisches Verständnis haben, dies aber nicht unbedingt in einem jahrelangen Studium nachweisen können oder wollen. Dazu zählen etwa Kundenbetreuer und Vertriebler in der Robotikbranche. Sie müssen das Geschäft verstehen, vor allem aber auf den Punkt erklären können, worin die Vorzüge der Maschinen liegen. Hier ist oftmals Pionierarbeit gefragt, denn noch ist der Einsatz von Robotern in vielen Unternehmen Zukunftsmusik.

Neue Perspektiven

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, sagte einst Bundeskanzler Helmut Schmidt. Und doch vermittelt ein Griff nach den Sternen die ganz praktische Faszination eines Berufs in der Robotik. Die NASA hat ihre Experten in diesem Bereich einmal befragt, wie ihre Karriere gestartet sei und was sie an ihrer Tätigkeit besonders beeindrucke. Das Interesse von Robotics System Engineer Fernando Zumbado wurde beispielsweise durch einen jährlich stattfindenden Roboterwettbewerb an der Universität geweckt. Jeder Tag, an dem ein Roboter erfolgreich eine neue Fähigkeit demonstriert, ist ein Feiertag, erzählte Julie Townsend, die am Mars Exploration Rover mitarbeitete. Am hilfreichsten beim Einstieg fand Robotikingenieur Arin Morfopoulos einen Kurs in C++-Programmierung.

Etwas bodenständiger geht es beim bereits erwähnten Start-up Magazino zu. Böse gesagt, sei Robotik bisher eher Maschinenbau gewesen, erzählt der Entwicklungsleiter der Softwareabteilung, Dr. Moritz Tenorth. Unternehmen bauten Roboterhardware und boten Programmiermöglichkeiten. „Und jetzt kommen relativ schnell große Firmen auf dem Informationstechnologie- und Internet-Bereich wie Google oder Toyota, die sehr stark in diesen Markt investieren und andere Techniken nutzen, um diese Roboter zu programmieren.“ Cloud-Anbindung, Sensordateninterpretation, Informationsverarbeitung – hier sieht er künftig einen sehr großen Einfluss auf die Automatisierung aus einer neuen Perspektive heraus.

I, Robot!

Die Robotik ist ein Zukunftsfeld, das lange Zeit im Bereich der Science-Fiction verortet war. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten und aufgrund der digitalen Transformation hält sie jedoch Einzug in immer mehr Unternehmen. Den Horrorszenarien von Millionen Arbeitsplätzen, die vernichten werden, stehen positivere Prognosen gegenüber, die von einer Vielzahl neu geschaffener Jobs ausgehen. Fest steht: Der Bedarf an Menschen, die Roboter planen, bauen, programmieren und steuern können, ist groß und wird noch größer. Für Technikaffine bieten sich damit viele Chancen, in den Markt einzusteigen – jetzt, wo er richtig Fahrt aufnimmt.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

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