Krankheitsbedingte Kündigung, Teil 2: Was vor der krankheitsbedingten Kündigung kommt

Auch langjährige Betriebszugehörigkeit schützt nicht vor Kündigung während einer Krankheit. Im Beispiel, das Sabine Wagner erläutert, fielen die 16 Dienstjahre zwar stark ins Gewicht, waren aber kein absolutes Hindernis. Am Ende fehlte dem Gericht lediglich der Versuch einer Wiedereingliederungsmaßnahme.

Altersleiden wiegen schwerer

Von Sabine Wagner

Krankheitsbedingte Kündigungen landen regelmäßig vor Gericht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Kündigungsschutzgesetz (KschG) hierfür eine Kombination recht weicher Kriterien vorsieht, voraussichtliche Entwicklungen wie wirtschaftliche Einschätzungen – und das alles will noch gegeneinander abgewogen sein. Wichtig zu wissen ist, dass geltendes Recht Arbeitnehmer nicht generell vor einer Kündigung während einer Krankheit schützt. Das gilt selbst für langjährige Arbeitnehmer.

Zur Erinnerung: Die krankheitsbedingte Kündigung, auch personenbedingte Kündigung genannt, ist eine Kündigung dar, die in der Person des Arbeitnehmers begründet ist. Ein Unternehmen kann eine solche Kündigung aussprechen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Krankheit den Arbeitsvertrag künftig nicht mehr erfüllen kann. Dafür müssen die drei nachstehenden Voraussetzungen alle zusammen erfüllt sein:

  1. eine sogenannte negative Gesundheitsprognose (zum Zeitpunkt der Kündigung liegen Tatsachen vor, die die Prognose weiterer Erkrankungen des Arbeitnehmers im bisherigen Umfang rechtfertigen),
  2. eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers (z.B. Störung des Betriebsablaufs, erhebliche Belastungen mit Lohnfortzahlungen) sowie
  3. eine Interessenabwägung, die zu­guns­ten des Unternehmens und zuungunsten des Arbeitnehmers ausfällt.

Lohnfortzahlung bis zur Rente

Bei Ziffer 3 spielt dann z.B. das Lebensalter sowie die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Rolle. So hob das Arbeitsgericht Frankfurt mit Urteil vom 27. März 2013 (Az. 7 Ca 5063/12) die Kündigung einer Mitarbeiterin in einem Postunternehmen auf. Die Briefsortiererin war 16 Jahre im Unternehmen gewesen. In den letzten 2,5 Jahren hatte sie jährliche Fehlzeiten von bis zu 80 Tagen. Dem Postunternehmen waren dadurch Lohnfortzahlungskosten von knapp 11.000 Euro entstanden.

Die Interessenabwägung des Gerichts erfolgte zu­guns­ten der langen Betriebszugehörigkeit, so dass die jährlichen Fehlzeiten und die aufgewendeten Lohnfortzahlungskosten des Postunternehmens die Kündigung nicht rechtfertigen konnten. Aus Sicht des Gerichts hätte das Postunternehmen wegen der langen Betriebszugehörigkeit vielmehr einen Versuch einer betrieblichen Wiedereingliederungsmaßnahme unternehmen müssen. Da ein solcher Versuch vor Ausspruch der Kündigung nicht stattgefunden hatte, war die Kündigung nicht zulässig.

Fazit: Nicht ohne Erhaltmaßnahmen

Gemäß § 84 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) hätte im vorliegenden Fall unter Beteiligung der Arbeitnehmerin und gegebenenfalls des Betriebsrats bzw. Personalrats in einem Zwischenschritt geklärt werden müssen, wie im konkreten Fall die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchem Konzept einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz für die Arbeitnehmerin erhalten werden kann. Hätte das Postunternehmen zuvor eine solche Wiedereingliederungsmaßnahme durchgeführt, hätte es Chancen gehabt, den Prozess zu gewinnen.

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