Enterprise Content Management

ECM holt Unternehmensdaten ins Trockene

Von Sabine Philipp im Auftrag der Comarch AG

Der Pegel steigt zusehends. Dabei ist das erst der Anfang der Datenflut. Laut einer IDC-Erhebung vom Mai 2013 unter 219 IT-Fach- und Führungskräften aus Unternehmen in Deutschland erwarten zwei von drei Befragten einen Zuwachs von über 20 % innerhalb der nächsten 24 Monate. Was Durchsatz und Speicherkapazitäten an die Grenzen treibt, sind vor allem Bilder und Videos (44 %), andere Dateien mit unstrukturiertem Inhalt wie Office-Dokumente oder E-Mails (42 %) sowie die Transaktionsdaten aus Business-Anwendungen (38 %). Ein Lösungsansatz, das drohende Chaos in den Griff zu bekommen, sind ECM-Systeme (Enterprise Content Management).

„Eine besondere Herausforderung ist dabei das Speichern von immer größeren Datenbeständen und die direkte Verarbeitung durch die Mitarbeiter“, erklärt Jan Reichelt, Consultant ECM/EDI bei Comarch. Die Erfahrung lehrte den Experten auch, dass die Informationen oft mehrfach in den unterschiedlichsten Systemen abgelegt sind. Das kostet unnötig Speicherplatz und führt dazu, dass Mitarbeiter viel Arbeitszeit mit der Suche verbringen. Gleichzeitig gilt es, trotz der Datenschwemme den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Exemplarisch nennt Reichelt die Anforderungen des Handelsgesetzbuches (HGB) und Abgabenordnung (AO), die u.a. die ordnungsgemäße Aufbewahrung über zehn Jahre vorsehen.

Enterprise Content organisieren

In der BITKOM-Definition umfasst Enterprise Content Management die „Technologien zur Erfassung, Verwaltung, Speicherung, Bewahrung und Bereitstellung von Content und Dokumenten zur Unterstützung organisatorischer Prozesse“. Wichtig ist zunächst die Überführung von Input in geordnete Systeme, die dann eine solide Arbeitsgrundlage der nachgelagerten Prozesse darstellen. „Bei ECM-Systemen handelt es sich um ganzheitliche IT-Lösungen, die in ihrer Grundausstattung immer über eine Archivfunktion und Suchmechanismen verfügen, mit denen der Mitarbeiter – entsprechend seiner Zugriffsrechte – auf die Daten zugreifen kann“, erläutert Reichelt.

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Jan Reichelt ist bei Comarch in der DACH-Region als Consultant für die Bereiche ECM und EDI tätig. Er ist in diesem Zusammen­hang ver­antwort­lich für die Analyse, Kon­zeption, Beratung und Über­wachung der Realisierung anspruchs­voller Lösungen und Projekte für Kunden ver­schiedenster Branchen. Sein Fokus liegt dabei auf der An­wendung einfacher, durch effiziente IT unter­stützter Prozesse.

Zusätzlich kommen Hilfsmittel zum Einsatz, die digitale und analoge Dokumente erfassen (Capturing) und eingehende Daten nach einem festen Schema auf einer zentralen Plattform ablegen (Input-Management). Weitere Module, die dazu passen, übernehmen z.B. das Dokumentenmanagement, Prozessmanagement und Record Management. Viele ECM böten außerdem die Möglichkeit, über Schnittstellen weitere Quellen – etwa Daten direkt aus der Buchhaltung – einzubinden.

Mit Workflows automatisieren

Besondere Bedeutung kommt dabei den automatisierten Workflows eines guten Prozessmanagements zu. Solche Arbeitsflüsse schaffen Sicherheit und ersparen dem Unternehmen eine Unmenge Handbetrieb. Reichelt erklärt das an einem Beispiel: „Eine Rechnung trifft per Mail ein. Der Server identifiziert den Inhalt und legt sie – noch bevor sie der Mitarbeiter lesen kann – revisionssicher im Archiv ab. Nachträgliche Manipulationen werden somit ausgeschlossen. Damit ist sie manipulationssicher. Anschließend erfasst das System den Inhalt und blendet ihn in eine Maske ein, während über eine Schnittstelle die Stammdaten übertragen werden. Der zuständige Mitarbeiter erhält Nachricht über den Rechnungseingang, bucht die Rechnung und legt den Vorgang in der vorgesehenen Ablage ab.“

Damit wird auch klar, dass ECM-Systeme erst dann etwas bringen, wenn sie auf die konkreten Prozessschritte abgestimmt sind. Zwar sind viele Bereiche über Unternehmen hinweg sehr ähnlich organisiert (etwa der elektronische Rechnungseingang), dennoch gibt Reichelt zu bedenken, dass ECM-Systeme ein sehr individueller Lösungsansatz sind und eine sorgfältige Implementierung daher nicht ohne Aufwand vonstattengehen kann: „Unternehmen sollten sich mindestens ein paar Monate Zeit nehmen.“ Gerade die Konzipierungsphase sei sehr empfindlich. Denn das Unternehmen muss genau festhalten, auf welche Weise es welche Schritte umsetzen möchten.

Wie Reichelt hervorhebt, ist es essenziell, bereits in dieser Phase die Mitarbeiter ins Boot zu holen, denn „sie kennen die Abläufe am besten und geben oft den wertvollsten Input“. Gleichzeitig beugt eine frühe Einbindung Misstrauen vor, das eine häufige Begleiterscheinung von Change-Management-Projekten ist. Für den Fachmann ist entscheidend, dass die Beschäftigten den konkreten Nutzen erkennen, sodass sie die Neuerungen gern annehmen. Besonders wichtig sei es darum, „benutzerfreundliche Systeme zu etablieren, die Mitarbeiter in ihrem gewohnten Arbeitsfluss unterstützen und die Mehrarbeit verhindern“.

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Vom Chaos zur Produktivität
Ausführliche Praxistipps und Informationen rund um das Thema Enter­prise Content Manage­ment enthält das aktuelle IDC-White­paper von Comarch. Es unter­sucht den der­zeitigen Einsatz­grad von ECM-Lösungen nach Branchen, nennt die wichtigsten An­forderungen und die meist­genutzten Funktionen, klopft die Lösungen auf mess­bare Vorteile ab und erklärt, was bei der Implemen­tierung zu beachten ist.

Sauber bleiben, Fallstricke vermeiden

Bei der Dokumentenerfassung und der richtigen Zuordnung im Zusammenhang ist die jeweilige OCR-Software entscheidend. „Sie muss die im Unternehmen verwendeten Formate erkennen und verarbeiten können. Gleichzeitig muss sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Dazu gehört u.a., dass die Rechnungen zehn Jahre lang revisionssicher gespeichert werden“, sagt dazu Reichelt, der in diesem Zusammenhang auch die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) nennt und zu bedenken gibt, „dass man die Daten für Dritte zugänglich machen muss. Bei Systemwahl sollte man deshalb auch darauf achten, dass ein Export möglich ist.“

Werden die E-Mails bereits serverseitig gespeichert, bevor sie den Empfänger erreichen, rät Reichelt außerdem, die private Nutzung von E-Mails im Unternehmen zu untersagen. Ansonsten laufe man gegen das Fernmeldegeheimnis aus § 88 Telekommunikationsgesetz (TKG): „Für Unternehmen ist es dann so gut wie unmöglich, auf die Daten zuzugreifen.“ Als Alternative empfiehlt er, den Mitarbeitern einen Freemail-Account anzubieten.

Ein weiterer kritischer Punkt sind die Schnittstellen zu anderen Systemen. Sie sollten nicht nur offen für momentan gebräuchliche Lösungen wie HR-Software oder ERP sein, sondern auf Standards setzen, die es auch für künftige Funktionen bereithalten, an die man heute noch gar nicht denkt, z.B. ein Web 5.0.

Fazit: Der Mittelstand hat eigene Abläufe

Dieses Prinzip der Erweiterbarkeit sollten Unternehmen durchgängig beachten. Gerade wer zunächst nur auf eine einfache ECM-Lösung setzt, muss darauf achten, dass eine Erweiterung z.B. mit Modulen für Capturing und Record Management einfach möglich ist. Reichelt hat wiederholt die Erfahrung gemacht, dass sich viele Unternehmen im Nachhinein für eine umfassendere Lösung entscheiden.

Bei der Wahl des Anbieters ist es hingegen wichtig, dass er die Sprache des Unternehmens spricht und die spezifischen Probleme kennt. Kleinere Mittelständler haben nun einmal andere Prozesse als Konzerne. Außerdem verfügen sie in der Regel über keinen großen IT-Stab, der dem ECM-Anbieter auf Augenhöhe begegnen kann. Daher rät Reichelt außerdem, auf gute Anwenderschulungen zu achten und ausreichend Erfahrung im Change Management zu verlangen.

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