Mobile Recruiting: Wie junge Bewerber nach offenen Stellen suchen

Klassische Stellen­anzeigen in der Tages­zeitung fin­den immer weniger Be­achtung. Und auch über Job­portale oder auf Un­ter­neh­mens­web­sites er­rei­chen Ar­beit­geber längst nicht mehr alle po­ten­ziel­len Job­interes­sen­ten. Wie in vielen an­de­ren Be­rei­chen auch läuft die Stel­len­ver­mitt­lung heute über mobile Kanäle.

Bewerbung via Smartphone

Von Michael Praschma

Unternehmen, die Umsatzeinbußen durch Fachkräftemangel befürchten, müssen sich bei der Personalsuche einiges einfallen lassen. Denn generell sind zwei Drittel der offenen Stellen in Deutschland schwer zu besetzen, zeigt eine Studie des IW Köln. Das lässt sich nicht wegzaubern, also müssen die Personalabteilungen Bewerberinnen und Bewerbern schon beim Recruiting in jeder Form entgegenkommen. Dabei lautet seit einiger Zeit die Devise „Mobile First!“.

Der Draht zu den Digital Natives

Junge Menschen leben und arbeiten digital – und immer öfter eben auch mobil. Von ihrem zukünftigen Arbeitgeber erwarten sie das auch. Unternehmen müssen sich darauf einstellen und neue Strategien verfolgen, um auch zukünftig noch ausreichend Fachkräfte zu finden. Sie sollten genau dort präsent sein, wo auch ihre potenziellen neuen Mitarbeiter sind, also bei Facebook, Instagram und Co.

Jobanzeigen erzielen über Social-Media-Kanäle nicht nur eine hohe Reichweite, Mobile Recruiting erleichtert auch einen schnellen direkten Kontakt und rasche Interaktion. Arbeitgeber, die in den sozialen Medien präsent sind, wirken außerdem trendy, lebendig und zukunftsorientiert. Unternehmen positionieren sich durch den Aufbau und die Pflege einer Arbeitgebermarke in sozialen Netzwerken gegenüber Mitarbeitern und potenziellen Bewerbern als attraktiver Arbeitgeber. Social-Media-Kanäle sind somit ein wichtiges, mittlerweile fast unverzichtbares Instrument im Personalmarketing geworden und spielen im Employer Branding eine bedeutende Rolle.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Bewerber als Kunden

2018 war laut Forbes – das Magazin ist bei Wirtschaftstrends bekanntlich nicht auf den Kopf gefallen – das Jahr der Employee Experience. Mitarbeitererfahrung tritt damit als Faktor für erfolgreiche Marktverteidigung gleichberechtigt neben Kundenerfahrung auf den Plan. Naheliegend, dass diese Erfahrungen bereits beim Bewerbungsprozess, und zwar beim ersten Kontakt des Bewerbers mit dem Unternehmen beginnen. Doch Unternehmen sind zu einem erheblichen Teil nicht oder nur schlecht darauf vorbereitet.

76 % der Bewerber nutzen das Smartphone für die Jobsuche. Das ergab die Mobile-Recruiting-Studie von meinestadt.de, bei der mehr als 1500 Fachkräfte dazu befragt wurden, wie sie nach Jobs suchen und welche Erwartungen sie an den Bewerbungsprozess haben. „46,6 % der befragten Fachkräfte mit Berufsausbildung haben schon einmal eine Bewerbung abgebrochen, weil Unternehmen nur unzureichend auf die mobile Bewerbung vorbereitet waren. Unternehmen verlieren also fast die Hälfte der Bewerber“, heißt es darin.

Auch die weiteren Ergebnisse der Befragung hören sich alarmierend an: Nur ein Fünftel der Personaler bekommt noch genug Bewerber über nichtmobile Kanäle. Ursache für eine abgebrochene Bewerbung ist bei einem Viertel der Befragten, dass diese am Smartphone nicht möglich ist. Und mehr als 10 % brachen ab, weil die Jobseite am Mobilgerät „furchtbar aussah“. Kein Wunder, denn 37 % der HR-Verantwortlichen haben noch gar nicht über einen mobilen Bewerbungsprozess nachgedacht.

Bei der Optimierung der Customer Experience setzt sich längst die Einstellung durch, Kunden dort abzuholen, wo sie sich mit ihrer Aufmerksamkeit befinden. Und dieser Ort ist zu einem großen Teil ihr Smartphone. Wenn man sie dort einmal hat, lässt man sie möglichst auch nicht mehr entwischen. Für eine solche kundenorientierte Haltung ist es auch bei den Personalabteilungen höchste Zeit.

So funktioniert die Jobsuche auf Facebook

Seit einiger Zeit gibt es Facebook-Stellenanzeigen auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Über facebook.com/jobs gelangen Unternehmen ebenso wie Jobsuchende auf den Stellenmarkt des sozialen Netzwerks mit den meisten Nutzern – nach eigenen Angaben zuletzt allein in Deutschland 31 Millionen. Dem stehen eine beträchtliche Anzahl von Unternehmen gegenüber, die Facebook nutzen; laut einer Bitkom-Umfrage etwa 43 % der deutschen Klein- und Mittelbetriebe.

Die Jobs-Seite von Facebook öffnet sich für die Kandidaten zunächst im Main Frame mit Angeboten bezogen auf ihren gespeicherten Standort. In der linken Spalte lässt sich nun weltweit auch jeder andere bei Facebook existierende Ort wählen, ob Sidney oder Timbuktu. Stellen gibt es aber nur in einem Umkreis zwischen 2 und 150 km. Regionen oder Länder kann man nicht eingeben. Die Plattform ist nämlich als mehr oder weniger lokaler Service strukturiert. Dennoch werden auch Angebote einiger Anbieter von außerhalb des gewählten Radius eingespielt.

Die beiden weiteren Filter betreffen die Art der Tätigkeit (Voll-/Teilzeit, Praktikum, Ehrenamt und Leiharbeit) sowie eine etwas eigenwillige Auswahl von Branchen. Eigenwillig, weil die Kategorien ohne irgendein System gemixt sind. So stehen, je nach Nutzer mit Variationen, zum Beispiel Luftfahrtzulieferer, Massagepraxis, lokales Unternehmen usw. bunt untereinander. Wie und ob man eine individuell passendere Branche auswählen kann, ist nicht auf Anhieb ersichtlich. Die Auswahl wechselt auch mitunter bei einem erneuten Aufruf.

Die direkte Facebook-Konkurrenz sind andere Online-Jobbörsen und Jobsuchmaschinen, die einen erheblichen Markt zu verteidigen haben. So beherrschte etwa alleine die mit Abstand größte deutsche Plattform, stepstone.de, im Jahr 2015 gut ein Drittel der neu geschalteten Jobs und wird von den Befragten des Jobbörsen-Kompass auch am besten bewertet – wohlgemerkt: unter den Generalisten. Interessant ist nämlich, dass Jobsuchende solche Anbieter bevorzugen, die sich „auf eine Branche, einen Ausbildungsgrad oder eine bestimmte Karrierephase konzentrieren“.

Bewerbungsmappe war gestern

Ebenso wie E-Commerce über Mobilgeräte eine deutlich andere Nutzerfreundlichkeit braucht als auf klassischen Geräten, müssen Unternehmen auch die Formen und Abläufe des Recruitings für Mobilgeräte optimieren. Das bedeutet zunächst einmal natürlich, dass die Karriereseiten bzw. die Landingpages, die auf Jobportalen verlinkt sind, auch auf kleinen Smartphone-Screens ein gutes Bild machen, schnell laden sowie intuitiv und rasch navigierbar sind.

Bewerbern sollten Formalitäten aus dem letzten Jahrhundert wie etwa das Anschreiben erspart bleiben. Die ganze Prozedur muss vielmehr hin zu einer Kurzbewerbung verschlankt werden, beispielsweise mit fertigen Fragenkatalogen, mitsamt der Option, zu Bewerbungsunterlagen oder etwa dem Xing- oder LinkedIn-Profil des Jobsuchenden zu verlinken. Ein positiver Eindruck entsteht, wenn Informationen über das Unternehmen direkt da angeboten werden, wo es um Joberwartungen der Bewerber geht – bis hin zu interaktiven Elementen. Schließlich sind ja auch erfolgreiche Chats auf Kundenwebsites keine Hexerei mehr. Denn „Mobile macht ungeduldig“, wie die Studie es sieht – aber Mobile ist eben auch kommunikativ, und das ist für beide Seiten, die Jobsuchenden und die Jobanbieter, eine Chance, die sie nutzen sollten.

Zum Thema Ungeduld gehört wiederum, dass Bewerber online auch hohe Erwartungen an eine schnelle Reaktion stellen. Nur noch knapp 13 % sind mit einer Antwort zufrieden, die länger als eine Woche braucht. Innerhalb einer Woche ist es für 69 % noch o. k., 12 % hätten eine Reaktion sogar am liebsten heute oder morgen. „Wir haben immer mehr Kandidaten, die sagen, sie möchten den gesamten Bewerbungsprozess mobil erledigen“, sagt Bernd Schmitz, Leiter des Personalmarketings der Bayer AG. Der Konzern plant eine App, mit der Bewerber entweder direkt ihr soziales Netzwerk verlinken können oder ihre Unterlagen aus der Cloud dem Unternehmen einmalig bereitstellen, berichtet das Handelsblatt.

Bei der Jobsuche bleibe ich mobil

Natürlich stellt sich auch die Frage, ob mobile Bewerbungen weniger seriös sind. Jene Bewerber, die sich nicht mobil bewerben wollen, befürchten zumindest zum Teil, diesen Eindruck zu machen. Es ist sicher ein guter Ansatz, diese Bedenken zu registrieren und solche Bewerber auch online bzw. mobil elegant zum richtigen Kanal für eine klassische – dann vielleicht besonders kreative oder beeindruckende – Bewerbung zu leiten.

Doch Mobile Recruiting ist keine kurzfristige Mode, darin sind sich Personaler weitgehend einig (auch das ein Studienergebnis). Entsprechende Maßnahmen können sich also durchaus rentieren. Die Lernerfolge aus gut aufgestellten Marketingmaßnahmen hinsichtlich der Optimierung der Kundenerfahrung lassen sich dazu sinnvoll auch auf die Candidate Experience der Zukunft übertragen.

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Michael Praschma ist Texter, Lektor und Redakteur. Er beherrscht so unterschiedliche Gattungen wie Werbetext, Direct Marketing, Claims, Webtext, Ghostwriting, Manuals oder PR. Außerdem treibt er sich – schreibend und anderweitig engagiert – in Journalistik, Non-profit-Organisationen und Kulturwesen herum. Seine Kunden kommen aus verschiedensten Branchen. Am MittelstandsWiki schätzt er die Möglichkeit, mit eigenen Recherchen auf den Punkt zu bringen, was Verantwortliche in Unternehmen interessiert. → https://praschma.com/

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