Open Research: Wo sich die vernetzte Forschung austauscht

Das Vor­bild von Open-Source-Soft­ware hat gezeigt, wie Men­schen mit unter­schied­lichen Hinter­gründen und Inter­essen welt­weit ge­meinsam an einem Projekt arbeiten kön­nen. Das­selbe Prin­zip funktio­niert immer öfter auch in der Wissen­schaft. „Nach­nutz­barkeit“ ist das zentrale Stich­wort von Open Research.

Freie Forschung fördert Innovationen

Von Roland Freist

Bei Open-Source-Software arbeiten mehrere Personen auf Basis von allgemeinen Zielsetzungen und Richtlinien gemeinsam an einem Projekt. Der große Erfolg dieses Modells hat auch in der wissenschaftlichen Forschung Freunde gefunden, welche die zugrunde liegenden Prinzipien auf ihre eigene Arbeit übertragen haben. Die etwa Mitte des letzten Jahrzehnts entstandene Open-Research-Bewegung fordert eine freie Publikation der eingesetzten Methoden sowie der damit gewonnenen Daten und Ergebnisse. Die Veröffentlichung sollte dabei möglichst übers Internet erfolgen. Auf diese Weise wird eine Zusammenarbeit von zahlreichen, weit voneinander entfernt arbeitenden Personen möglich. Zudem hat jeder Interessierte weltweit die Möglichkeit, jederzeit und auf jedem Level in ein laufendes Projekt einzusteigen.

Open Research bietet aber noch eine Reihe weiterer Vorteile: Offene, frei zugängliche Wissenschaftsdaten lassen sich als Basis für weitere Forschungen verwenden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer besseren Nachnutzbarkeit. Gleichzeitig kann anhand der offengelegten Methodik der wissenschaftliche Erkenntnisprozess nachvollzogen werden. Open Research erhöht also die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Zudem ist offene Forschung geeignet, vor allem im medizinischen Umfeld Probleme anzugehen, die für kommerzielle Unternehmen uninteressant sind.

Nachzügler im deutschsprachigen Raum

Im deutschsprachigen Raum ist Open Research nicht weit verbreitet. Es gibt einige Projekte der EU, mit denen die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Forschungsinstituten gefördert werden soll. Dazu gehört beispielsweise die Website Open Research Data Pilot. Sie will ausgesuchte Forschungsergebnisse aus den Projekten von Horizont 2020 offenlegen, dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation.

Eine deutsche Entwicklung ist hingegen das Wiki OpenResearch, das an den Universitäten Leipzig und Bonn entstanden ist und sich als eine Art Gelber Seiten für die Welt der Wissenschaften versteht. Es publiziert Informationen zu Veranstaltungen, Projekten, Ansprechpartnern bei Zeitschriften und Journalen, Werkzeugen und Förderungstöpfen und will damit die Vernetzung zwischen den Forschern verbessern und Nachwuchswissenschaftlern den Einstieg erleichtern.

In der Schweiz findet man die fächerübergreifende Open Research Data Platform, die sich zwar noch im Beta-Status befindet, jedoch bereits auf eine umfangreiche Sammlung von Links zu offen verfügbaren Forschungsdaten verweisen kann. Sie wird betrieben vom Schweizer Kompetenzzentrum für die Sozialwissenschaften FORS, dem Digital Humanities Lab der Universität Basel, den Scientific IT Services der ETH Zürich und dem Swiss Institute of Bioinformatics. Die Plattform ist als Metadaten-Katalog angelegt. Die Daten werden also nicht zentral gesammelt, stattdessen indexiert die Suchmaschine lediglich Dokumente auf den Servern der beteiligten Institutionen. Entstanden ist die Open Research Data Platform aufgrund eines Beschlusses der Schweizer Rektorenkonferenz.

Die beteiligte ETH Zürich fördert zudem auch intern die Veröffentlichung und die Freigabe zur Nachnutzung der bei ihr generierten Forschungsdaten nach den Prinzipien von Open Access und Open Research und gibt auf ihrer Website Hinweise und Hilfestellungen für Wissenschaftler, die ihre Arbeiten und Ergebnisse nach diesen Grundsätzen publizieren wollen.

Open-Pioniere in Großbritannien

Vor allem in Großbritannien ist Open Research bereits seit Längerem ein populäres Thema. Dort sammelt man bereits seit 2005 Erfahrungen mit der freien und offenen Zusammenarbeit in der Forschung und mit darauf ausgerichteten Internet-Portalen. In diesem Zusammenhang entstand beispielsweise die Website Why Open Research?, die von der Stiftung von Mark Shuttleworth finanziert wird, dem Gründer der Ubuntu-Firma Canonical. Sie stellt in erster Linie Argumente für den Umstieg auf Open Research zur Verfügung. Eine wissenschaftliche Herangehensweise an das Thema findet man dagegen bei vitae, einer britischen Non-Profit-Organisation, die sich der Förderung von Wissenschaftlern verschrieben hat.

Die größte staatliche Universität Großbritanniens und auch Europas ist die Open University in Milton Keynes. Ihre rund 200.000 Studenten greifen auf die Lehrmaterialien größtenteils im Fernstudium zu. Unter dem Titel Open Research Online bietet die Universität eine Datenbank ihrer Forschungsergebnisse an, wobei es sich allerdings eher um ein Open-Access- als um ein Open-Research-Projekt handelt.

Forschung unter der Rentabilitätsgrenze

Mit Open Research lassen sich auch Forschungsgebiete abdecken, die für kommerzielle Unternehmen uninteressant sind, da sie nur geringe oder gar keine Gewinne versprechen. Ein Beispiel sind die sogenannten vernachlässigten Krankheiten (Neglected Diseases), die vor allem in tropischen Ländern auftreten. Häufig sind nur kleine Gruppen in der Bevölkerung davon betroffen, gleichzeitig herrscht in den jeweiligen Ländern oft große Armut und es fehlt ein übergreifendes Krankenversicherungswesen. Für die Pharmaindustrie ist die Entwicklung von Medikamenten gegen diese Krankheiten daher oft uninteressant. Medical Open Research jedoch ist dazu geeignet, diese Lücken zu füllen, denn diese vernetzte Forschung arbeitet nicht profitorientiert und ermöglicht eine Zusammenarbeit zwischen den weltweit oft nur sehr wenigen Spezialisten für eine bestimmte Krankheit. Auch The Synaptic Leap, konzentriert sich auf Krankheiten, die vor allem in Entwicklungsländern auftreten, und stellt eine Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaftlern bereit, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

Ebenfalls im medizinischen Umfeld ist die Website Open Research Exchange aktiv. Sie sammelt die freiwillig zur Verfügung gestellten Daten von Patienten zu mehr als 2500 verschiedenen Krankheiten. Ziel ist es, die Patienten enger mit der Forschung zu vernetzen und die Entwicklung von Medikamenten und Behandlungsmethoden zu unterstützen.

Das Prinzip Humboldt 4.0

In den vergangenen Jahren hat sich eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Herangehensweisen an Open Research entwickelt. Die klassische Veröffentlichung von Methoden und Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung ist vor allem bei staatlich finanzierten Institutionen zu finden, private Organisationen setzen hingegen oft auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Spezialisten eines Fachgebiets. Zudem sind die Grenzen fließend – viele erfolgreiche Projekte, die man der Open-Research-Bewegung zuordnen könnte, findet man in einem anderen Kontext: bei Citizen Science, Open Access und Open Data.

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