Freie Software, Teil 1

Open Source wird geschäftsfähig

Von Sabine Philipp

Aktuelle Studien sind sich einig: Freie Software mit offen gelegtem Quellcode ist aus der Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Die Frage ist nicht mehr: Open Source – ja oder nein? Es geht jetzt darum, welcher Anbieter die passende Lösung hat und die Anforderungen im Unternehmen am besten erfüllt.

Wer auf Open-Source-Software setzt, kann gutes Geld sparen, da Lizenzgebühren in der Regel entfallen. Ausgereifte Lösungen gibt es schon für so gut wie jede Anwendung. Von Kostensenkungen von mehr als 50 % geht knapp die Hälfte (47 %) der 115 befragten öffentlichen Einrichtungen aus. So das Ergebnis der Studie „Open Source – Strukturwandel oder Strohfeuer?“ des Fraunhofer Instituts.

Auch in der Wirtschaft spielt Open Source eine immer stärkere Rolle, wie die „Study on the Economic impact of open source software on innovation and the competitiveness of the Information and Communication Technologies (ICT)“ der Europäischen Kommission ergab. Fazit der Untersuchung war, dass Open Source die Wettbewerbsfähigkeit in der EU steigere.

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Der gebürtige Schwabe Hjalmar Hie­mann stu­dierte 1992–1996 Infor­matik an der Fach­hoch­schule Furt­wangen im da­mals bundes­weit ersten Studien­gang Medien­informatik. Seit 2001 ar­beitet er als IT-Leiter bei der Wirt­schafts­förderung Re­gion Stutt­gart GmbH. Tätig­keits­schwer­punkte dort sind die seit 2004 lau­fende Initia­tive Open Source Region Stuttgart so­wie natio­nale und inter­natio­nale Forschungs- und Förderprojekte.


Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, Friedrichstraße 10, 70174 Stuttgart, Tel.: 0711-22835-0, info@region-stuttgart.de, wrs.region-stuttgart.de

„Grundsätzlich rentieren sich Open-Source-Lösungen für Unternehmen sämtlicher Größenordnungen“, erklärt Hjalmar Hiemann, IT-Leiter bei der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH. Typische Anwendungen im Mittelstand sind Content-Management-Systeme (CMS), Firewalls, Fileserver, Mailserver und Webserver. Laut einer aktuellen Erhebung von Netcraft laufen sogar weltweit 46,51 % aller aktiven Websites auf Apache-Servern.

Besonders stark ist Open Source in den Bereichen Netzwerk und Servertechnologie. Und natürlich im Sektor Sicherheit. Denn dadurch, dass der Quelltext offen ist, können Sicherheitslücken schneller erkannt und geschlossen werden. Selbst das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist voll des Lobes und präsentierte beim Linux-Tag 2007 IT-Sicherheitslösungen auf Basis von Open-Source-Software.

Büroprogramme setzen Standards

Aber auch der Desktop-Bereich hat in den letzten Jahren stark aufgeholt und kann nun locker mit einer Microsoft-Windows-Umgebung mithalten: „OpenOffice als Software kann man hundertprozentige Businesstauglichkeit bescheinigen“, meint Hiemann. Das quelloffene Büropaket richtet sich nach dem Open Document Format (ODF), einem internationalen Standard, der von vielen Ländern und Behörden und auch Unternehmen unterstützt bis vorgeschrieben wird.

Es gibt allerdings einen Wermutstropfen: Bei der Nutzung kann es derzeit noch zu Schwierigkeiten kommen, weil OpenOffice nicht vollständig kompatibel zum derzeitigen Quasistandard Microsoft Office ist. „Bei einfachen und wenig formatierten Dokumenten gibt es zwar in der Regel kein Problem“, sagt Hiemann. „Bei komplexeren Dokumenten oder gar Makros ist die Kompatibilität aber erheblich eingeschränkt.“

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Schwarz auf Weiß
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Dass die Arbeit mit der Bürosoftware trotz dieser Kompatibilitätsschwierigkeiten dennoch problemlos funktionieren kann, zeigt das Beispiel der Stuttgarter Versicherung. Bereits 2004 hat das Unternehmen 900 Clients umgestellt und setzt außer OpenOffice auch das quelloffene Linux als Desktop-Betriebssystem ein.

Wer nicht ganz auf Open Source setzen will, kann auch Mischlösungen etablieren. Schließlich ist es mit Emulatoren möglich, spezielle Windows-Anwendungen unter Linux zu verwenden und umgekehrt. Für gängige Anwendungen, die auch bei den Emulatoren als kompatibel aufgeführt sind, gibt es keine Einschränkungen. Allerdings hinken die Emulatoren für aktuelle Anwendungen oft noch etwas hinterher, so dass sich Interessierte hier genau informieren sollten.

Serie: Open Source im Mittelstand
Teil 1 sagt, wo die Stärken von freier Software liegen und was offene Standards bedeuten. Teil 2 sichtet Pro und Contra: Support, Folgekosten und Implementierung. Ein eigener Beitrag als Checkliste verrät außerdem, woran Sie gute Anbieter erkennen.

Fazit: Offen macht unabhängig

Freie Software ist laut Hiemann nicht nur deshalb oft ein Gewinn, weil in der Regel keine Lizenzgebühren zu zahlen sind. „Aus meiner Sicht viel wichtiger ist der Punkt offene Standards. Diese Dinge werden leider häufig vermischt. Wird auf den Einsatz offener Standards wie z.B. das Dokumentenformat ODF geachtet, erhält sich ein Unternehmen die Flexibilität, jederzeit auf aktuelle Entwicklungen am Markt zu reagieren, und ist nicht an bestimmte Programme gefesselt“, erläutert der Fachmann.

Als „offen“ wird ein Dateiformat definiert, bei dem die Daten und Spezifikation transparent dargestellt werden. Meist werden solche Standards von Organisationen wie der International Organisation for Standardisation (ISO) festgelegt, die übrigens auch ODF offiziell anerkannt hat.

Die Frage, ob ein Unternehmen Open Source einsetzen sollte, ist also auch eine strategische Entscheidung. Denn wer sich mehrere Optionen offen lässt, kann später schneller, einfacher und vor allem preiswerter neue Programme und Erweiterungen integrieren und sein System günstiger ausbauen. Kurz: Offene Software ermöglicht nachhaltigere Lösungen.

Wo sich bei Open Source unter Umständen Kosten verstecken, warum der Support so wichtig ist und wie die Einführung am besten klappt, legt Teil 2 dieser Serie dar. Sebastian Sand hat außerdem kritisch nachgerechnet, wann sich Open Source rechnet.

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