Freie Software, Teil 2

Gute Lösungen sind leicht erweiterbar

Von Sabine Philipp

Teil 1 dieser Serie hat aufgezeigt, wo Open Source im Geschäftsbereich punkten kann – und wie wichtig offene Standards sind. Nur halten leider nicht alle Programme in puncto Offenheit immer, was der Anbieter verspricht. Eine eindeutige Definition gibt es nicht – aber Hilfsmittel, um den Grad der Offenheit festzustellen.

So hat der Information Technology Openness Benchmark (ITOB) eine Bewertungsmethode entwickelt, die Jahn Suhr in seinem Beitrag für das Open-Source-Jahrbuch 2008 lesenwert erläutert. Die zentralen Kriterien des ITOB werden auf einer Skala definiert, mit der jeder Nutzer die Offenheit der Software selbst beurteilen kann. (Die Bewertung veranschaulicht Suhr unter anderem am Beispiel des 100-Dollar-Laptops, der für Schulkinder in weniger entwickelten Ländern konzipiert wurde.)

Folgekosten im Griff behalten

Immer wieder hört man Firmen über mangelhaften Support klagen, über fehlende Schnittstellen, immer kürzere Intervalle bei den Updates und diffizile Anpassungen. Auch der Aufwand für Sicherheit soll stets steigen. In der Folge seien die Kosten doch höher als geplant und die ganze Ersparnis wieder dahin.

Die Microsoft-Studie „Understanding Linux Migrations: How easy is it to change distributions?“ schlägt in dieselbe Kerbe. Die Grundthese ist, dass die Migration auf Linux kostspielig und arbeitsintensiv werden kann und die Kosten nicht so leicht vorhersehbar sind. Nun sieht Microsoft naturgemäß die Entwicklung von Open-Source-Software sehr kritisch; das sollte man bei der Lektüre im Hinterkopf behalten. Fakt ist aber, dass nicht jede quelloffene Anwendung automatisch das Gelbe vom Ei ist. Auch hier gibt es Projekte, die nicht optimal laufen – wie bei kommerzieller Software übrigens auch.

Und natürlich wollen auch Anbieter von Open-Source-Lösungen Geld verdienen: mit Implementierung, Anpassung, Service und Support. Damit für Unternehmen die Kosten nicht den Nutzen überwiegen, sind daher stets eine sorgfältige Planung im Vorfeld und Maßnahmen zur Qualitätskontrolle und -sicherung die maßgeblichen Faktoren, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Wenn es aber läuft, dann richtig.

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Der gebürtige Schwabe Hjalmar Hie­mann stu­dierte 1992–1996 Infor­matik an der Fach­hoch­schule Furt­wangen im da­mals bundes­weit ersten Studien­gang Medien­informatik. Seit 2001 ar­beitet er als IT-Leiter bei der Wirt­schafts­förderung Re­gion Stutt­gart GmbH. Tätig­keits­schwer­punkte dort sind die seit 2004 lau­fende Initia­tive Open Source Region Stuttgart so­wie natio­nale und inter­natio­nale Forschungs- und Förderprojekte.


Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH, Friedrichstraße 10, 70174 Stuttgart, Tel.: 0711-22835-0, info@region-stuttgart.de, wrs.region-stuttgart.de

„Die Erfahrung bei großen Open-Source-Projekten zeigt, dass hier eine lange Kontinuität vorhanden ist und Updates – vor allem Sicherheitsupdates – regelmäßig und oft schneller als bei Closed-Source-Produkten durch die Community bereitgestellt werden“, gibt Hjalmar Hiemann zu bedenken. „Der Einsatz von Closed-Source-Produkten oder kommerzieller Software bietet auch nicht immer die Gewissheit, dass Updates schnell zur Verfügung stehen und dass die Software langfristig weiter entwickelt wird.“

Gerade Unternehmen aus dem Mittelstand sollten also besonders darauf achten, dass sie nur ausgereifte Software einsetzen und dass eine gute Support- und Partnerinfrastruktur zur Verfügung steht. Ebenso sollten sie Business-Anwendungen auswählen, die möglichst geringe administrative Aufwendungen für den laufenden Betrieb nach sich ziehen. Hier bieten sich besonders Mietverfahren an. Gegen eine geringe Monatspauschale gibt es z.B. auf Open Source basierende Customer-Relationship-Management-Software zu pachten (z.B. SugarCRM), ebenso wie E-Mail bzw. Collaboration (MailXchange). Entscheidender Vorteil: Der Aufwand für Installation und Wartung liegt hier ganz beim Anbieter.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Fazit: Mit Anwendern umgehen

Wenn es bei Einführung von Open Source im Getriebe knirscht, dann liegt das meist weniger an der Technik, sondern am Menschen. Denn in vielen Unternehmen und Organisationen besteht zunächst Skepsis; alles Neue wird misstrauisch begutachtet. Verstärkt wird diese Tendenz oft dadurch, dass die Mitarbeiter nicht genug in den Prozess eingebunden werden. So entsteht bei vielen Angestellten eine bockige Verweigerungshaltung.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den gewohnten Microsoft-Produkten und OpenOffice und auch lieb gewonnene Abläufe müssen geändert werden. „Das ist aber kein Open-Source- oder softwarespezifisches Problem und kann nur durch entsprechendes Veränderungsmanagement kompensiert werden“, meint Hiemann. Wichtig ist, dass die Unternehmensführung Vorbildfunktion übernimmt und sich hinter das Projekt stellt.

Serie: Open Source im Mittelstand
Teil 1 sagt, wo die Stärken von freier Software liegen und was offene Standards bedeuten. Teil 2 sichtet Pro und Contra: Support, Folgekosten und Implementierung. Ein eigener Beitrag als Checkliste verrät außerdem, woran Sie gute Anbieter erkennen.

An mangelnder Benutzerfreundlichkeit indes sollte die Umstellung auf Open Source nicht scheitern. Im Gegenteil: Offene Software ist tendenziell benutzerfreundlicher, weil sie davon lebt, dass jeder sie selbst herunterladen, installieren und sofort benutzen kann. Die Stadt München hat bei der Umstellung auf OpenOffice übrigens weit weniger Schulungsaufwand als geplant nötig gehabt. Zudem gibt es neue, didaktisch hervorragende E-LearningPortale (z.B. www.soluzione.de), die den Aufwand wesentlich reduzieren.

Nützliche Links

Über aktuelle Open-Source-Lösungen berichtet das ITK Journal. Den Aufsatz von Jahn Suhr: „Messung von Offenheit an IT-Artefakten. Der Information Technology Openness Benchmark“ steht unter www.opensourcejahrbuch.de kostenfrei zur Verfügung – unter Creative-Commons-Lizenz, versteht sich. Das Open-Source-Jahrbuch wird vom Fachbereich Informatik & Gesellschaft der Technischen Universität Berlin herausgegeben.