PBX für All-IP: Wohin ISDN-Anlagen ohne ISDN umziehen

Seit zwei Jah­ren pre­digt die Tele­kom, dass ISDN Ende 2018 ab­ge­schal­tet wird. Bis Mitte Mai wurden be­reits mehr als 90 % der Sprach-/Daten­anschlüs­se auf Breit­band um­ge­stellt. Für Fi­lia­len und klei­ne Bü­ros gilt der Ter­min wei­ter­hin, doch Nie­der­las­sun­gen mit eige­ner TK-Anlage be­kom­men eine letzte Frist.

Anlagenanschlüsse bekommen Aufschub

Von Doris Piepenbrink

„Anlagen- und Primärmultiplexanschlüsse laufen auf einer anderen Plattform als Double-Play-Anschlüsse“, erklärt Klaus Müller, Leiter strategische Entwicklung und Transformation bei der Telekom Deutschland Geschäftskunden. Deshalb sei hier der Umstellungstermin zum Jahreswechsel 2018/2019 nicht so strikt. Bei einem Pressegespräch während der Hausmesse Digital South Mitte Mai in München verkündete die Telekom die aktuellen Zahlen der Umstellung auf All-IP, wies auf unterstützende Angebote gerade für Geschäftskunden hin und präsentierte verschiedene Umstellungsszenarien.

Der Umstellungsgrad bei Geschäftskundenanschlüssen liegt demnach mit 1,9 Millionen Anschlüssen bei 85 %. Das betrifft hauptsächlich kleinere Unternehmen und Filialisten. Denn die Telekom brachte ihren SIP-Trunk erst vor einem Jahr auf den Markt und die DeutschlandLAN CloudPBX noch deutlich später. Derzeit verkauft sie laut Müller rund 1600 SIP-Trunks und 300 Cloud-Telefonanlagen pro Woche an Geschäftskunden. Die SIP-Trunk-Lösung kam laut Karsten Lebahn, Leiter IP Transformation Sonderdienste bei der Telekom, erst deshalb so spät auf den Markt, weil sie auch für die Großkunden von T-Systems eingesetzt wird. Entsprechend robust muss sie sein und dabei möglichst viele TK-Anlagen und Dienste unterstützen.

SIP-Trunk-Anbindung

SIP-Trunks ersetzen künftig den Anlagenanschluss. Damit die TK-Anlage oder die entsprechende Voice-over-IP-Serversoftware im Unternehmen reibungslos mit der Software im Carrier-Netz kommuniziert, sind an den Rändern von LAN und Carrier-Netz SBC (Session Border Controller) notwendig. Diese koordinieren die SIP-Kommunikation zwischen Netzanbieter und IP-Kommunikationsserver im Unternehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Auslegung des SIP-Protokolls unterstützt nicht jeder Netzanbieter jede Anlage, auch die Telekom nicht. Deshalb sollten sich Firmen, die im LAN bereits eine IP-TK-Anlage betreiben, vorab beim Hersteller erkundigen, welche Netzanbieter diese Anlage mit der betriebenen Softwareversion unterstützt. Sollte es keinen geben, ist entweder ein Software-Upgrade notwendig oder eine darauf abgestimmte Konfiguration im SBC.

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Der Weg von der reinen Sprachkommunikation bis zur umfassenden IP-Kommunikation (Bild: Telekom Deutschland)

Für Geschäftskunden, die bisher ihre Telefonie mit einer klassischen ISDN-TK-Anlage realisiert haben, ist es möglich, die bisherige Lösung mit den Endgeräten weiter zu betreiben und über ein Gateway mit dem IP-Netz des Providers zu verbinden. Doch dann werden zahlreiche ISDN-Dienste nicht mehr funktionieren. Klaus Müller von der Telekom sieht den Weiterbetrieb von ISDN-TK-Anlagen deshalb als vorübergehende Erscheinung an, die sich von selbst erledigen werde.

Von der IP-TK-Anlage zur Cloud

Sehr viele Unternehmen nutzen die All-IP-Umstellung zur Einbindung von Voice over IP als geschäftskritischer Anwendung in die Unternehmens-IT. Doch das LAN muss dafür ausgelegt sein: nicht nur mit einem entsprechenden Bandbreitenmanagement und der Priorisierung von Sprachdaten, sondern auch mit einer Überarbeitung des Ausfallsicherheitskonzeptes.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechen­zentren und Infra­struktur“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Die IP-TK-Anlage im Unternehmen kann ein dedizierter Kommunikationsserver sein, eine Serversoftware oder eine Anwendung in der Unternehmenscloud. Alternativ bietet sich auch eine Private-Cloud-Lösung im Rechenzentrum eines Colocators an. Dort lassen sich in einer abgesicherten Umgebung vielfältige Hybrid-Cloud-Anwendungsszenarien realisieren, die weit über klassische UCC-Lösungen (Unified Communication and Collaboration) hinausgehen.

Für die Public-Cloud-Lösung präsentierte die Telekom das Beispiel eines Beratungsunternehmens. Ausschlaggebend sollen hier die Flexibilität bei der Zahl der Anschlüsse und die vollständige Integration der Mobilfunkgeräte gewesen sein sowie die flexible Nutzung anderer Cloud-Lösungen.

Unterstützung bei der Migration

Für Geschäftskunden bietet die Telekom Migrationsworkshops an. Laut Klaus Müller haben bereits mehr als 43.000 solcher Workshops stattgefunden. Nach dem ersten Anschreiben der Telekom hätten jetzt die meisten Unternehmen ihre vorhandene Infrastruktur bereits dokumentiert.

Wer noch in der All-IP-Migration stecke, solle laut Karsten Lebahn nicht nur ein besonderes Augenmerk auf Sonderdienste wie Faxgeräte oder rein analoge Anschlüsse legen, sondern auch sämtliche Rufweiterleitungen genau dokumentieren. Denn mit der Umstellung müssten diese Weiterleitungen wieder neu konfiguriert werden, ließen sich aber manchmal nicht mehr rekonstruieren. Solche Tipps erhalten Unternehmen in der Regel kostenlos in den Workshops oder von Projektmanagern, die die Telekom extra für die IP-Umstellung bereitgestellt hat. Gerade Firmen mit vielen Filialen oder Franchising-Partnern profitieren auch von Rollout-Begleitern. Diese erstellen den Rollout-Plan in enger Zusammenarbeit mit den Unternehmen, sodass selbst Firmen mit 1000 bis 2000 Filialen, aber wenigen IT-Mitarbeitern 80 bis 100 Filialen pro Woche umstellen können.

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Die Telekom unterstützt Geschäftskunden in mehreren Phasen der Umstellung meist kostenlos. (Bild: Telekom Deutschland)

Unternehmen mit Anlagen- oder Primärmultiplexanschluss sollten sich trotz Fristverlängerung rechtzeitig auf die Umstellung vorbereiten. Die entsprechenden Projektmanager und Rollout-Begleiter werden nämlich laut Lebahn im nächsten Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen.

Das künftige Breitbandnetz der Telekom

Basis für die Umstellung auf All-IP ist der Netzausbau auf Fiber to the Curb und Vectoring. Damit stehen bis zu 100 MBit/s Bandbreite zur Verfügung. An manchen Stellen wird bereits auf Supervectoring umgestellt. Das erlaubt Bandbreiten bis 250 MBit/s. Doch diese Techniken seien nur Übergangstechnologien. Langfristig soll das Telekom-Netz laut Müller für Fiber to the Building/Home (FTTB/H) und 1 GBit/s ausgebaut werden. Das ist einfacher, wenn die Glasfaser bereits bis zum Multifunktionsgehäuse am Straßenrand liegt.

Unternehmen können sich bis zum 15. Juli ohne zusätzliche Anschlusskosten Glasfaser bis ins Gebäude legen lassen. Danach kostet es über 670 Euro. Aber Vorsicht: Das ist nur kostenfrei, solange die Erschließungskosten unter 30.000 Euro bleiben! Liegen sie auch nur einen Euro darüber, muss der Auftraggeber komplett für die Erschließung aufkommen.

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Die Telekom will langfristig auf FTTB/H und 1 GBit/s umstellen, erste Zielgruppe sind 3000 Gewerbegebiete mit etwa 20 bis 40 Unternehmen. (Bild: Telekom Deutschland)

FTTB für Gewerbegebiete

Eine wichtige Zielgruppe für den 1-GBit/s-FTTB-Anschluss DeutschlandLAN Connect IP sieht die Telekom bei Gewerbegebieten mit 20 bis 40 Firmen. Das sind deutschlandweit etwa 10.000 Stück. Hier sei zum einen von Vorteil, dass bereits FTTC verlegt sei, und zum anderen, dass genügend potenzielle Kunden vorhanden sind, sodass sich die Ausbaukosten tragen. Bis 2022 will die Telekom 3000 solcher Gewerbegebiete mit FTTB versorgt haben. Über 50 sind laut Müller bereits freigegeben und im Ausbau, bei 75 weiteren sei die Vorvermarktung abgeschlossen. Auch hier verlangt die Telekom nichts für die Bereitstellung des Netzes. Der Einstiegstarif für die Nutzer liegt bei knapp 80 Euro. Details zum Gigabit-Anschluss findet man derzeit unter www.telekom.de/Vollglas.

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