Selfie-Drohnen: Was Follow-me-Copter könnten, wenn sie dürften

Sexy waren Selfie-Sticks noch nie, sondern immer nur ein Be­helfs­werk­zeug. Jetzt sind sie end­gültig passé: An ihre Stelle tritt eine Mini-Drohne, die das Handy treu be­gleitet und Luft­auf­nah­men in allen Le­bens­lagen macht. Das High­tech-Spielzeug kann aber viel mehr, als nur Selfies schießen.

Und … Action!

Von Roland Freist

Ob beim Freeriden in Davos, beim Kanufahren auf der Ardèche oder beim Mountainbiken auf den Schotterpisten Sardiniens: Unerschütterlich folgen die Mini-Drohnen ihrem Frauchen oder Herrchen. Sie fliegen in gleichbleibendem Abstand, beobachten alles und liefern per Funk oder WLAN Fotos und Videos von der sportlichen Action. Als Selfie-Drohnen werden diese neuen ständigen Begleiter oft bezeichnet, was allerdings nicht ganz korrekt ist. Tatsächlich handelt es sich um ganz normale Multicopter für Privatanwender, in deren Software ein Follow-me-Modus angelegt ist. Damit folgt die Drohne dem Steuergerät, letztlich also dem Besitzer, der Abstand ist meist einstellbar. Die Kamera bleibt ständig auf den Akteur gerichtet und überträgt je nach Einstellung Einzelbilder oder Videos. Dank elektronischer Stabilisierung sind die Bilder scharf und nicht verwackelt.

Mehr Funktionen, mehr Komfort

Nah verwandt mit dem Follow-me- ist der Watch-me-Modus, den einige Modelle beherrschen. Dabei bleibt die Drohne in der Luft stehen und richtet lediglich ihre Kamera immer auf den Piloten aus. Beliebt ist auch der Orbit-Modus, der bei einigen Herstellern unter der Bezeichnung „Point of Interest“ läuft. Der Copter umkreist den Besitzer oder ein beliebiges Objekt und macht dabei kontinuierlich Luftaufnahmen.

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Die Phantom 4 Pro von Marktführer DJI bietet gute Flugeigenschaften und eine ausgezeichnete Kamera. Sie kostet knapp 1000 Euro. (Bild: DJI)

Eine weitere interessante Funktion nennt sich Wegpunkt-Navigation oder kurz Wegpunkte bzw. Waypoints. Worum es geht, ist leicht zu erraten: Der Drohnenhalter definiert Wegpunkte auf einer Karte, die sein Fluggerät dann per GPS-Ortung nacheinander abfliegt. Die Markierungen dürfen sogar in einiger Entfernung voneinander liegen, denn die Copter aus der Preisklasse zwischen 1000 und 1500 Euro schaffen bereits Reichweiten bis 4 km. Das ist allerdings in erster Linie ein Verdienst der hohen Geschwindigkeit, die sie erreichen: 50 bis 70 km/h Spitze sind keine Seltenheit. Bei einem kurvigen Kurs liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit allerdings deutlich niedriger. Realistisch sind Flugzeiten von 20 bis 30 Minuten, dann geht den Akkus die Kraft aus.

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Yuneek setzt bei der Typhoon H auf sechs anstatt vier Rotoren, was dieser Drohne zu einem besonders ruhigen und präzisen Flug verhilft. Preis: rund 850 Euro. (Bild: Yuneek)

Auch der Komfort nimmt stetig zu. Die Steuerung überlassen inzwischen nur noch einige preiswerte Modelle allein dem Smartphone, denn die Kontrolle des Flugs verläuft über dessen kleines Display eher grobmotorisch. Zudem verbinden sich Smartphone und Copter per WLAN, was die Reichweite stark begrenzt; sobald Steuerung und Flugkörper nicht mehr miteinander kommunizieren, bleibt die Drohne ganz einfach in der Luft stehen, und ihr Besitzer muss warten, bis sie zum Ende der Akkulaufzeit selbstständig den Landeanflug einleitet. Teurere Modelle liefern deshalb separate Fernsteuerungen mit, bei den günstigeren Drohnen gibt es sie oft gegen Aufpreis – eine sehr empfehlenswerte Anschaffung. Allerdings besitzen manche Fernbedienungen kein eigenes Display und weichen dann doch wieder auf das des Smartphones aus.

Versicherung nicht vergessen!

Einen Haken an der Sache gibt es allerdings: Rechtlich gesehen bewegen sich die Drohnenbesitzer in einer Grauzone. Laut Gesetz müssen sie jederzeit Sichtkontakt zu ihrem Fluggerät haben, was bei autonom fliegenden Coptern zwar möglich, aber in der Praxis meist nicht gegeben ist. Zudem verlangt der Gesetzgeber, dass der Pilot ständig die Kontrolle über seine Drohne behält. Das Fluggerät muss also von einem Moment auf den anderen vom Automatik- in den manuellen Modus wechseln können. Sollte die Drohne, etwa beim Abfliegen von Wegpunkten, außer Sicht geraten, genügt zum Glück üblicherweise ein Druck auf den GPS-Button der Fernsteuerung, um sie zurückzuholen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe in der Beilage Heise After Work zur c’t und Technology Review. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Unbedingt sollten Drohnenhalter außerdem auf eine ausreichende Versicherung achten. Kommt es zu einem Unfall mit Sach- oder Personenschaden, greift die Privathaftpflicht meist nicht. Viele Versicherungsunternehmen bieten daher entsprechende Erweiterungen der Verträge oder spezielle Policen an. Eine gute Anlaufstelle sind hier Modellfliegervereine, die für ihre Mitglieder oft spezielle Versicherungsverträge aushandeln. Diese Vereine sind auch deshalb ein echter Tipp, weil auf Modellflugplätzen die gesetzliche Flughöhenbegrenzung nicht gilt. Ansonsten dürfen Drohnen generell nicht über eine Höhe von 100 m steigen.

Helden der Action Cam

Die sogenannten Selfie-Drohnen nur für schnöde Selfies einzusetzen, wäre viel zu schade. Ihre Follow-me-Funktion macht sie zu automatischen Verfolgungsjägern mit Action Cam, die ihre Besitzer bei sportlichen Abenteuern gekonnt in Szene setzen. Damit nicht genug, lassen sie sich auch so programmieren, dass sie selbstständig eine Strecke abfliegen und dabei aufnehmen – bis zu 4 km sind drin. Nur die rechtlichen Bestimmungen setzen ihrem Abenteuerdrang Grenzen.

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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


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