Verweigerter Vorsteuerabzug: Warum Rechnungen richtig adressiert sein müssen

Beim Europäischen Gerichtshof steht zurzeit eine Entscheidung an, die klären soll, ob sich unvollständige Rechnungen nachträglich berichtigen lassen. Bis dahin sagt die Rechtsprechung jedenfalls: Nein. Wer z.B. Rechnungen mit fehlerhafter Gesellschaftsform einreicht, verwirkt seinen Vorsteuerabzug.

Der Fiskus akzeptiert keine korrigierten Rechnungen

Von Sabine Wagner

Man kennt das aus dem Tagesgeschäft: Wenn Rechnungen und Briefe eingehen, streift unser Blick das Adressfeld meist nur flüchtig. Dies kann aber finanziell wehtun. Denn die vollständige und korrekte Bezeichnung des Leistungsempfängers ist wesentlicher Bestandteil jeder Rechnung.

Wer übersieht, dass eingehende Rechnungen das Unternehmen unzureichend adressiert haben, muss wissen, dass eine spätere Korrektur keine rückwirkende Wirkung hat. Das heißt: Der Verlust des Vorsteuerabzugs bei Bestehen einer erhöhten Verwechslungsgefahr kann – Stand der augenblicklichen Rechtsprechung – rückwirkend nicht mehr korrigiert werden.

Verwechslungsgefahr durch falsche Unternehmensform

Der diesbezüglichen Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2014 (Az.: 5 K 5092/14) lag folgender Fall zugrunde:

Der Klägerin, die in Polen ansässig ist und in Deutschland eine Betriebsstätte hat, versagte das zuständige Finanzamt für die Jahre 2003 bis 2006 den Vorsteuerabzug. Begründet wurde dies damit, dass die Eingangsrechnungen nicht korrekte Angaben zur Gesellschaftsform des Adressaten enthielten und damit unzureichend adressiert waren. Statt des Zusatzes Sp. z o.o. (GmbH polnischen Rechts) sei der Zusatz GmbH verwendet worden. Unter derselben Anschrift firmierte auch ein Tochterunternehmen der Klägerin mit der Gesellschaftsbezeichnung „GmbH“.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Verlust des Vorsteuerabzugs nicht berechtigt sei, da sich aus allen Eingangsrechnungen der Name und die Anschrift des Unternehmens eindeutig, wenngleich nicht vollständig, ergeben. Eine Verwechslungsgefahr wie von den Finanzbehörden vorgetragen mit der ebenfalls an dieser Anschrift ansässigen Tochtergesellschaft sei bereits aus diesem Grund ausgeschlossen. Ferner hätten die Rechnungssteller alle keine Geschäftsbeziehungen zu dem Tochterunternehmen, sodass auch insoweit eine Verwechslung ausgeschlossen sei.
Ende 2012 reichte die Klägerin berichtigte Rechnungen ein. Die Berichtigungen erfolgten alle nach 2006. Unter Berufung auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Juli 2010 (EuGH, Az.: C-368/09) vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Berichtigung für die Streitjahre 2003 bis 2006 keine rückwirkende Wirkung zu entfalten vermöge.

Das Finanzgericht gab dem Finanzamt recht: Das Finanzamt hatte im vorliegenden Fall zu Recht den Vorsteuerabzug versagt, da keine vollständige und korrekte Bezeichnung des Leistungsempfängers vorlag. Hierzu gehört eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des Namens und der Anschrift. Eine unzutreffende Angabe der Rechtsform wie im vorliegenden Fall führt zum Verlust des Vorsteuerabzugs, wenn eine erhöhte Verwechslungsgefahr besteht. Diese wurde vorliegend angenommen, weil unter derselben Anschrift ein Tochterunternehmen der Klägerin firmierte. Ausschlaggebend ist dabei die Sicht Dritter, insbesondere des Finanzamts. Darauf, ob der Rechnungsaussteller das Tochterunternehmen kannte, kommt es nicht an. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Rechnungsaussteller die berechnete Umsatzsteuer abgeführt hat. Denn Vorsteuerabzug und Umsatzsteuer bedingen sich nicht wechselseitig.

Das Finanzgericht vertrat daher unter Verweis auf das Urteil des EuGH die Auffassung, dass für die Jahre 2003 bis 2006 die spätere Berichtigung der Rechnungen keine rückwirkende Wirkung auf den Verlust des Vorsteuerabzugs habe.

Fazit: Bis auf Weiteres ohne Vorsteuerabzug

Gegen das Urteil des Finanzgerichts wurde Revision eingelegt. Man geht allgemein davon aus, dass der Bundesfinanzhof die Entscheidung des EuGH zum Verfahren C 518/14 abwartet. Dem EuGH liegt zur rückwirkenden Wirkung die Frage des niedersächsischen Finanzgerichts vor, ob es eine solche rückwirkende Wirkung gebe, wenn ursprünglich fehlende Steuernummern und USt-Identifikationsnummern des Leistenden durch spätere Berichtigungen der zunächst unvollständigen Rechnungen nachgeholt werden.

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