Zertifizierte IT-Weiterbildung: Wo sich zerti­fizierte IT-Weiter­­bildung lohnt

Die Halb­werts­zeit von Wissen ist gerade im IT-Bereich kurz. Um auf dem Laufenden zu bleiben oder seiner Karriere einen neuen Schub zu geben, ist per­manente Weiter­bildung Pflicht. Bei der Viel­zahl an An­geboten gilt es aller­dings, sich schon vor der Aus­wahl ein wenig schlau­zumachen.

Schlauberger mit Bildungsschein

Von David Schahinian

Wenn Daten, wie oft kolportiert wird, das Öl des 21. Jahrhunderts sind, sind IT-Fachkräfte dann die neuen Rockefellers? Nicht ganz, aber die Verdienstmöglichkeiten in der Branche sind so gut wie selten. Es gilt das Gesetz von Angebot und Nachfrage: Während jenes immer knapper wird, steigt diese. Daran hat vor allem die digitale Transformation Anteil, denn IT-Know-how ist begehrt – und nicht nur in der eigenen Branche. Auch Anwenderunternehmen aus anderen Bereichen suchen händeringend Spezialisten.

Natürlich könnte man jetzt auf die alte Börsenweisheit setzen: Die Flut hebt alle Boote. Entweder sitzen IT-Profis also auch ohne große Anstrengung fest im Sattel, oder sie können als Bewerber spielend einen gut dotierten Job ergattern. Dem ist aber in den meisten Fällen nicht so, denn trotz mitunter großer Not wissen die Unternehmen recht genau, welche Qualifikationen sie für ihre Weiterentwicklung benötigen. Gerade weil die Stellen wichtig und gut bezahlt sind, können sie es sich kaum erlauben, nach dem Trial-and-Error-Prinzip einzustellen oder Aufträge zu vergeben.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Bei­trag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“. Einen Über­blick mit Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Die Fachkräfte selbst wiederum stehen vor der Herausforderung, das Gegenüber von ihren Qualitäten zu überzeugen. Selbst ein Experte, der sein Leben lang nichts anderes getan hat als zu coden, muss dies in der einen oder anderen Form treffsicher demonstrieren können. Vom Nachweis, dass sein Wissen auch auf dem aktuellsten Stand ist, ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass das Berufsfeld stark fragmentiert ist. Ein Mensch, der für sein Leben gerne programmiert, wird kaum als Systemelektroniker bestehen können – IT-Experten sind sie aber beide.

Kurz: Man lernt nie aus, und wer seinen Lerneifer belegen kann, ist klar im Vorteil. „Weiterbildung ist ein wichtiger Faktor, um die schnellen Veränderungen der IT-Anwendungen und Technologien in die betriebliche Praxis zu übernehmen. Sie wird überproportional genutzt.“ Das ist ein Kernergebnis der Studie IT-Berufe und IT-Kompetenzen in der Industrie 4.0 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Viele Wege stehen offen, und wer die Anforderungsprofile der Unternehmen mit seinen eigenen Fähigkeiten vergleicht, kann sich fehlende Qualifikationen aneignen oder bestehende ausbauen. Wenn sie auch noch mit den persönlichen Vorlieben übereinstimmen – umso besser.

Was soll’s denn sein?

Festangestellte können beim Arbeitgeber nach Weiterbildungsangeboten fragen. Grundsätzlich ist es aber nicht verkehrt, sich auf eigene Faust zu informieren und gegebenenfalls konkret mit dem Chef und der Personalabteilung ins Gespräch zu kommen. Der Leidensdruck scheint in vielen Unternehmen noch nicht groß genug zu sein: In einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom vom Oktober 2015 gaben 76 % der Betriebe an, es sei ihnen wichtig oder sogar sehr wichtig, dass die eigenen Fachkräfte bei IT-Themen kontinuierlich dazulernen. Nur 14 % wollen die Weiterbildung aber auch vollständig bezahlen. Immerhin 40 % würden zwar die Kosten tragen, aber nur, wenn die Mitarbeiter die Qualifizierung im Urlaub oder am Wochenende durchführen.

Wer sich zunächst orientieren will oder muss, sollte ein wenig Zeit investieren. Es entsteht eine Vielzahl an neuen Berufsfeldern, etwa Social Media Manager, Roboter-Koordinator, 3D-Druck– oder Data-Mining-Spezialist. Während das eine oder andere Unternehmen hier vielleicht noch gar keinen eigenen Bedarf identifiziert hat, ist man in anderen Bereichen schon weiter. Aufschluss darüber gibt die Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit (BA). Bundesweit sei ein Mangel an Experten in den Teilbereichen Informatik und Softwareentwicklung erkennbar, heißt es da im Juni 2016. Bei der Systemanalyse, der Anwendungsberatung, im Vertrieb, der Netzwerktechnik, der Koordination, Administration und Organisation bestehe derzeit kein Engpass, obwohl es in einigen dieser Bereiche bereits zu überdurchschnittlichen Vakanzzeiten komme. Für Experten in der Informatik und Softwareentwicklung betrage diese Phase 134 Tage: „Das ist 48 % länger als im Durchschnitt aller Berufe.“ Potenzielle künftige Bewerber können sich darüber freuen, dass die BA keine Anzeichen für eine Entspannung dieser Situation sieht.

Die Ergebnisse decken sich weitgehend mit denen des Bitkom, demzufolge ebenfalls vor allem Software-Entwickler gefragt sind – vorrangig mit Kenntnissen im Cloud Computing, in Big Data und der App-Programmierung. Auch Projektmanager und Security-Spezialisten haben gute Karten. „Sicherheitsexperten sind auch deshalb besonders gefragt, weil immer mehr Unternehmen auf Cloud-Lösungen und mobile Anwendungen setzen“, sagt dazu Bitkom-Präsident Thorsten Dirks.

Mindestens ebenso wichtig ist für viele Menschen allerdings auch die Frage, ob die Tätigkeiten ihren Interessen und Vorlieben, vielleicht sogar ihrer Passion entsprechen. Für Berufsanfänger, deren Ziel noch wenig konkreter als „irgendwas mit IT“ ist, gibt es im Netz eine Menge an Praxismaterial und viele Eignungstests zu den fünf Ausbildungsberufen Fachinformatiker (Anwendungsentwicklung oder Systemintegration), IT-Systemelektroniker, IT-Systemkaufmann und Informatikkaufmann. Erfahrene Kräfte wissen in der Regel schon eher, was ihnen liegt. Letztlich ist für sie die wichtigere Frage, in welchem Feld sie sich weiterbilden wollen und sollten. Es kann trotzdem hilfreich sein, vor einer Entscheidung für eine Weiterbildung das Selbstbild mit dem Eindruck abzugleichen, den Freunde, Kollegen oder Vorgesetzte von einem haben.

Zertifizierte Fortbildungsangebote

Was haben Yogalehrer, Journalisten und Systemanalytiker gemeinsam? Ihre Berufsbezeichnung ist nicht geschützt und kann prinzipiell von jedem verwendet werden. Ein Nachweis besonderer Kompetenzen ist sie nicht. Ähnlich verhält es sich mit einem Zertifikat. Auch dieser Begriff ist nicht geschützt. Damit bewege man sich „im freien Markt der Weiterbildung“, wie es der DIHK ausdrückt: Offen sei, was für ein Weiterbildungsaufwand und was für ein Anspruch an einen möglichen Abschlusstest damit verbunden ist. Umso mehr zählen die Marke und deren Reputation.

Wer sich unsicher ist, kann die Seriosität anhand einiger Anhaltspunkte besser beurteilen: Transparenz, schlüssige Auskünfte und eine individuelle Beratung zählen zu den Kriterien, die ein Weiterbildungsanbieter auf jeden Fall im Programm haben sollte. Inhalte, Abläufe, Ziele und Kosten eines Kurses oder Lehrgangs sollten verständlich und ausführlich dargestellt werden. Interessenten sollten zudem Referenzen des Lehrpersonals oder des Instituts erfragen. Nützlich kann es zudem sein, im Bekannten- und Kollegenkreis nach Erfahrungen mit bestimmten Anbietern zu fragen. Vergleiche sind sinnvoll, das erstbeste Angebot muss nicht das beste sein.

Zeugnisse mit Firmenlabel

Grundsätzlich lassen sich zwei Formen von Zertifizierungen unterscheiden: unabhängige und herstellerabhängige. Beide haben ihre Berechtigung. Ihr Nutzen hängt unter anderem davon ab, welche beruflichen Ziele man sich gesetzt hat. Beiden ist zumindest gemein, dass sie standardisiert sind. Die Anforderungen sind für jedermann nachvollziehbar, und der (künftige) Arbeitgeber weiß, was er von dem Besitzer des Zertifikats erwarten kann.

Herstellerabhängige Zertifikate spielen wohl nirgendwo sonst eine so große Rolle wie in der IT-Branche. Ihre Geschichte reicht mehr als 25 Jahre in die Vergangenheit zurück. Damals wuchs der Bedarf an einem vergleichbaren Nachweis bestimmter Fertigkeiten, da es noch so gut wie keine offiziellen Ausbildungswege oder Profile für die neu entstandenen Berufe gab. Also schmiedeten die großen Hersteller ihre eigenen. Mittlerweile hat sich das geändert, doch nach wie vor spielen die herstellerabhängigen Zertifikate, die kontinuierlich modernisiert werden, eine Rolle in vielen Bereichen des Marktes.

Ob Apple, Microsoft, IBM, Oracle oder SAP: Geprüft wird vor allem das Wissen im Umgang mit den hauseigenen Produkten. Damit sind die Inhaber zwar auf einen spezielleren Bereich festgelegt als bei unabhängigen Prüfungen. Andererseits sind genau diese Eignungen aber auch besonders gefragt, wenn die Produkte beim Arbeitgeber zum Einsatz kommen oder sein Geschäftsfeld sogar direkt im Zusammenhang mit dem Anbieter steht. Doch auch hier gilt: Trau, schau, wem! Zahlreiche dieser Zertifikate haben nur eine begrenzte Aussagekraft oder bieten kaum einen Mehrwert, kosten aber Geld.

Unabhängige Anbieter

Herstellerunabhängig sind beispielsweise die 14 Profile, in denen sich Seiteneinsteiger oder Absolventen einer entsprechenden Ausbildung zum IT-Spezialisten weiterbilden können. Sie sind in der IT-Fortbildungsverordnung geregelt. Wege dorthin führen z.B. über eine Personenzertifizierung nach dem international geltenden Standard ISO 17024 bei einer akkreditierten Gesellschaft oder durch einen Zertifikatslehrgang, der von verschiedenen Trägern wie der IHK angeboten wird. Im Gegensatz zu den höheren Abschlüssen der sogenannten IT-Professionals, die öffentlich-rechtlich geregelt und bundesweit anerkannte Fortbildungsabschlüsse sind, legen IT-Spezialisten für die Erlangung ihres Zertifikats in der Regel keine solche öffentlich-rechtlich anerkannte Prüfung ab.

Zu den unbestreitbaren Vorteilen unabhängiger Zertifizierungen zählt, dass man sich nicht auf einen bestimmten Produzenten festlegt. Zudem können Qualifikationen vergleichbar gemacht und nachgewiesen werden, für die es (noch) kein definiertes Berufsbild gibt. Anbieter sind beispielsweise Organisationen oder Verbände wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), der TÜV oder CompTIA, ein internationaler Branchenverband der IT-Industrie.

Die Kernfrage bei der Auswahl sollte sein, welchen Zweck die Zertifizierung erfüllen soll. Gute Gründe für die Arbeitnehmer sind unter anderem persönliches Interesse, der Wunsch nach einem höheren Gehalt, bessere Karrierechancen und die Sicherheit, seine Kenntnisse und Qualifikationen schwarz auf weiß nachweisen zu können. CompTIA hat mittlerweile auch ein deutschsprachiges Internet-Angebot, auf dem weitere Argumente aufgeführt sind: Da von den meisten Personalmanagern IT-Zertifizierungen als Auswahl- oder Einstellungskriterium herangezogen werden, verbessern sie die Chancen von Ein- oder Umsteigern bei Bewerbungen. Zudem ermöglichen sie eine Neuorientierung, wenn das derzeitige Tätigkeitsfeld an Anziehungskraft verloren hat.

Verschiedenen Studien zufolge sind Zertifizierungen jedoch kein Top-Kriterium – Berufserfahrungen oder Branchenkenntnisse stehen eher im Vordergrund. Sie sind also nur ein Teil des Puzzles: Zertifikate lediglich zu sammeln, wie es andere Menschen früher einmal mit Briefmarken gemacht haben, ist noch keine durchdachte Karriereplanung. Zumal, wenn man bedenkt, dass man am deutschen Markt mehrere hundert Zertifikate erlangen kann.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

So oder so – ich bleibe am Ball

Cui bono? Wem nützten Zertifizierungen wirklich (außer natürlich den Anbietern)? In einem unübersichtlichen Markt ist Transparenz wichtig, daher sind auch die Vorteile einer zertifizierten Fortbildung für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter nicht von der Hand zu weisen. Zum einen wird das Wissen mit den standardisierten Inhalten der Kurse und Lehrgänge besser vergleichbar. Zum anderen aber ist die Branche global aufgestellt und aktuelles Wissen in fünf Jahren möglicherweise schon nicht mehr zu gebrauchen.

Ob mit oder ohne Urkunde: Niemand kann es sich erlauben, sein fachliches Wissen als unüberbietbar abzufeiern. Lebenslanges Lernen bleibt eine Grundvoraussetzung für Fachkräfte in der IT-Branche. Und den Job kann einem kein anderer abnehmen.

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