Neue IT-Jobprofile: Welche Berufe der digi­tale Wandel hervor­bringt

Viele vertraute Job­profile werden sich in den kom­menden Jahren auf­grund der Digi­tali­sierung zwangs­läufig wandeln. Zu­gleich ent­stehen aber gerade im IT-Bereich auch gänz­lich neue Be­rufs­bilder. Sie bieten Quer­einsteigern wie Spe­zia­listen in­teres­sante Tätig­keits­felder, die sie selbst mit­gestalten können.

Chef­transformer und Wolken­architekten

Von David Schahinian

Hofnarr, Laternenanzünder, Haderlump – das alles waren mal ganz normale Berufe, die heute aus der Zeit gefallen scheinen. Die Erinnerung an sie schärft den Blick dafür, dass sich Gesellschaften weiterentwickeln und daraus neue Aufgaben erwachsen. Freilich kostet das auch immer Arbeitsplätze. Der Beraterfirma A.T. Kearney zufolge weist in der Bundesrepublik ein Viertel aller Jobprofile ein hohes Automatisierungsrisiko in den nächsten beiden Jahrzehnten auf: „Der mögliche Effekt für den Arbeitsmarkt ist drastisch, weil in diesen Bereichen 17,2 Millionen Männer und Frauen beschäftigt sind – das sind 45 % aller Beschäftigten.“ Zu den zehn am meisten gefährdeten Berufen zählen demnach Büro- und Sekretariatstätigkeiten, Berufe im Verkauf und der Gastronomie sowie in der kaufmännischen und technischen Betriebswirtschaft. Kaum bedroht sind dagegen Berufe, in denen Empathie oder emotionale Intelligenz gefordert sind, etwa in der Pflege oder der Erziehung. Und auch viele MINT-Berufe gelten als roboterresistent.

„Es macht keinen Sinn, rasant wandelnden Jobprofilen nachzutrauern“, findet A.T.-Kearney-Partner Dr. Volker Lang. Tatsächlich hätten technologische Innovationen und Strukturwandel bisher immer neue Jobs und Wohlstand mit sich gebracht. So werde auch die fortschreitende Automatisierung Optionen eröffnen, die zu neuen Tätigkeitsfeldern mit Wachstumspotenzial führen. Die Entwicklung ist bereits in vollem Gange. Eine Vielzahl neuer Berufe entsteht. Manche sind noch ein zartes Pflänzchen, andere durchaus schon weiter verbreitet. In beiden Kategorien können sowohl Neustarter als auch Absolventen im IT-Bereich Anregungen für ihre Karriereplanung finden.

Chief Digital Officer

Das Berufsbild des CDO hat eine beeindruckende Karriere hingelegt. Der Titel sagt es bereits: Die Digitalisierung ist in vielen Unternehmen Chefsache geworden, was sich auch daran zeigt, dass der CDO in der Regel auf Vorstandsebene agiert. Er ist Fürsprecher des digitalen Wandels und braucht vielfältige Qualitäten. Er setzt den Rahmen, gibt die Richtung vor, und führt innovative digitale Technologien im Unternehmen ein. Dazu braucht er betriebswirtschaftliche und technische Kenntnisse, um Auswirkungen der Transformation auf bestehende Geschäftsmodelle bewerten zu können und neue zu entwickeln. Gleichzeitig muss er die Entwicklung des Unternehmens als Ganzes im Auge behalten. Er soll Neuerungen gegebenenfalls auch gegenüber den Vorstandskollegen durchsetzen und gleichzeitig die Interessen der Beschäftigten berücksichtigen. Der Wandel muss sich jedoch durch das gesamte Unternehmen ziehen, alleine kann und darf der CDO nicht dafür verantwortlich sein. Die Aufgabe ist knifflig, das Jahresgehalt meist entsprechend hoch.

Wohin die Reise des Berufes CDO geht, ist noch nicht deutlich zu erkennen. In Deutschland ist er bis jetzt eher die Ausnahme als die Regel. Eine Studie von KPMG fragt, ob er „Phantom oder Wegbereiter“ ist, der Digitalverband Bitkom nannte ihn in einer Studie „das unbekannte Wesen“. Bis März 2016 hatten lediglich 2 % der deutschen Unternehmen ab 500 Beschäftigten diese Funktion eingerichtet, aller Voraussicht nach werden es aber künftig mehr.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Chief Transformation Officer

Nichts ist beständiger als der Wandel. Dafür gibt es den Chief Transformation Officer, der bisher noch seltener anzutreffen ist als der CDO. Er ist explizit dafür verantwortlich, die richtigen Schlüsse aus der Entwicklung zur Digitalisierung zu ziehen und das Unternehmen darauf einzustellen, noch besser: es darauf vorzubereiten. McKinsey charakterisiert ihn als Gesicht des Wandels, der die Organisation fit für die Zukunft macht. Er sollte unabhängig in das Führungsteam integriert sein und Begeisterung wecken können.

Wie sieht das im praktischen Unternehmensumfeld aus? Der CTO soll „eine hoch effiziente und moderne Organisation“ schaffen, in der die Systeme und Prozesse optimal mit allen ihren Leistungsträgern verzahnt sowie auf den Endkunden und alle Vertriebspartner ausgerichtet sind. So sieht beispielsweise die Stellenbeschreibung von Dirk Tietz aus, seit 2015 CTO bei DER Touristik. Die Mediaagentur MEC hat seit 1. März 2017 einen CTO: Hanno Stecken soll sich dort vor allem um drei Aufgabenfelder kümmern: „Die Zusammenarbeit mit Kunden und damit verbundene Agenturmodelle der Zukunft, die Weiterentwicklung und Zusammenführung der Geschäftsfelder Content, Data und Technologie sowie die Veränderung der internen Prozesse und Wertschöpfungskette.“

Produktionstechnologe

„Er war seiner Zeit schlichtweg voraus“, schreibt das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) über den Produktionstechnologen. Der staatlich anerkannte Ausbildungsberuf, der technisches Wissen und Kompetenzen bei Produktionsprozessen voraussetzt, wurde nämlich schon 2008 entwickelt. Die Ausgebildeten planen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zufolge industrielle Produktionsprozesse, richten Produktionsanlagen ein und nehmen diese in Betrieb. Außerdem betreuen sie die Prozessabläufe und dokumentieren sie.

Fünf Jahre nach der Einführung des Produktionstechnologen gab es bundesweit aber nur 156 Auszubildende. Die Digitalisierung der Arbeitswelt und die zunehmende Vernetzung der industriellen Fertigung bietet nun aber gänzlich neue Chancen für „diese bislang zu wenig bekannte Ausbildung“, schreibt das BIBB. Der Beruf hat die Zielsetzung, IT-Kompetenz für Produktionsabläufe in die Werkstätten und Produktionshallen zu bekommen. Die Ausbildung dauert drei Jahre, Einsatzgebiete sind vor allem der Maschinen- und Anlagen- sowie der Fahrzeugbau. Die Zukunftschancen stehen gut, denn der Beruf wurde unter anderem von Verbänden und der Industrie ins Leben gerufen, weil sie den Bedarf frühzeitig erkannten.

Data Scientist

Daten sind das neue Öl, ist immer wieder zu lesen. Das nutzt Unternehmen aber wenig, wenn sie mit dem Rohstoff nichts anzufangen wissen. Hier kommen Data Scientists ins Spiel. Vor allem im Zusammenhang mit Big Data wurde der Beruf populär. Sie sind „die neuen Lieblinge der Arbeitgeber“, schrieb die FAZ über die Datenwissenschaftler, die „gesammelte Informationen aller Art verknüpfen, entschlüsseln und auswerten“. Ziel ist es, Ansätze zu finden, um das Geschäftsmodell weiter zu optimieren. Die Branche können sich Absolventen fast frei aussuchen, da die digitale Transformation nahezu alle Unternehmen betrifft.

„Data Scientists sind auf dem Arbeitsmarkt äußerst begehrt“, schreibt die Hochschule Darmstadt. Absolventen des Masterstudiengangs träfen auf ein „hervorragendes Stellenangebot beispielsweise als Analysten, Consultants, Systemarchitekten, im Management und in der Wissenschaft“. Zulassungsvoraussetzung ist dort ein qualifizierter Bachelor- oder Diplomabschluss auf dem Gebiet der Mathematik oder Informatik oder vergleichbare Abschlüsse mit einer Gesamtnote von 2,5 oder besser. Andere Hochschulen wie die Philipps-Universität Marburg bieten auch Bachelor-Studiengänge an, die aus einer „fundierten Ausbildung in Informatik mit Wahlmöglichkeiten im Bereich der Datenanalyse sowie einer Grundausbildung in Mathematik und Statistik“ bestehen.

Cloud Architect

In einer Umfrage des Personaldienstleisters Hays wird der Cloud Architect spätestens 2020 zu einem der gefragtesten Berufe im IT-Bereich zählen. Cloud-Architekten sind für die Erstellung und Überwachung der Cloud-Computing-Strategie eines Unternehmens verantwortlich. Dazu gehören unter anderem die Festlegung der Infrastruktur, das Cloud-Management sowie profundes Wissen über Virtualisierung und Vernetzung. Zudem gewährleistet er, dass Service Level Agreements erfüllt werden.

Es ist allerdings mehr als technisches Know-how notwendig. Der Wolkenarchitekt agiert an der Schnittstelle zu Kunden und Kollegen verschiedener Abteilungen, ist für sie Ansprechpartner und Berater. Mit dem Trend zu agileren Arbeitsweisen und der weiteren Verlagerung von Unternehmensdaten in die Cloud dürfte das Berufsbild eine rosige Zukunft haben. Gefordert werden in der Regel ein abgeschlossenes Informatik- oder Ingenieurstudium sowie Erfahrungen mit Cloud- und IT-Infrastruktur-Prozessen, manchmal auch mit agilen Methoden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe an Weiterbildungsangeboten, mit denen sich Interessierte aus verwandten Fachbereichen entsprechendes Know-how aneignen können.

IT-Security Specialist

Permanente Cyberangriffe sind heute in jeder Branche Realität, sagt Marius von Spreti, bei Accenture verantwortlich für den Bereich Informationssicherheit. Eine weltweite Umfrage der Beratung hatte ergeben, dass ein Drittel aller Cyberattacken auf Unternehmen erfolgreich ist. In Deutschland stünden durchschnittlich 8 % des IT-Budgets für Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung. „Der Bedarf für einen ganzheitlichen und durchgängigen Ansatz, der digitale Sicherheit im Unternehmen integriert, war noch nie größer“, so von Spreti weiter. Er umreißt damit eine Kernaufgabe des IT-Sicherheitsspezialisten.

Zu seinen Aufgaben zählen das Aufspüren, die Dokumentation sowie die Auswertung von Lücken im IT-Netzwerk des Unternehmens. Auch präventive Tests und Maßnahmen führt der IT-Sicherheitsexperte durch. Im Falle eines entdeckten Einbruchs in das System weiß er, welche Maßnahmen schnellstmöglich in die Wege zu leiten sind. Auch bei der Einschätzung von Risiken, der Erstellung von Sicherheitsrichtlinien und der Integration von IT-Sicherheitssystemen ist seine Expertise gefragt. Darüber hinaus ist er Ansprechpartner von Kollegen und Vorgesetzten, wenn es um Fragen der IT-Sicherheit geht. Vorausgesetzt wird meist eine einschlägige Informatikausbildung. Die Chancen für interne Bewerber aus der unternehmenseigenen IT stehen nicht schlecht, da sie die Systeme bereits gut kennen. Auch ein IHK-Zertifikatslehrgang zum IT-Security-Spezialisten wird angeboten.

IT-Auditor

„Der IT-Auditor analysiert und bewertet IT-gestützte Geschäftsprozesse hinsichtlich ihrer Effizienz und Qualität, möglicher Risiken sowie der Einhaltung interner und externer Vorgaben“, erklärt die Beratung Robert Half. Er ist für die Überprüfung nach verschiedenen Standards verantwortlich, ob im Management, Finanz- oder Compliance-Bereich. Gewissermaßen ist auch er ein Sicherheitsspezialist. Denn die Audits, die er plant und durchführt, helfen dabei, geschäftliche Risiken zu minimieren, Lücken aufzuspüren und IT-Prozesse zu optimieren. Gefragt sind Kandidaten mit einem Studium der Wirtschaftsinformatik, des Wirtschaftsingenieurwesens oder der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Informatik und Wirtschaftsprüfung.

Hier kann ich der Erste sein

Für IT-Experten waren die Zeiten selten so spannend wie heute. Ihr Tätigkeitsfeld durchdringt mittlerweile nahezu alle Branchen, Bereiche und Unternehmen – und formt immer neue Berufsbilder. Wurde die Systemsicherheit vor wenigen Jahren beispielsweise noch vom IT-Administrator gewährleistet, ist die Aufgabe längst viel komplexer geworden. Zahlreiche spektakuläre Hacks haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass es sich lohnt, einen ausgewiesenen IT-Sicherheitsspezialisten mit an Bord zu haben.

Wer flexibel ist, dem bieten sich viele Chancen. Pioniere in Berufsfeldern, die gerade erst am Entstehen sind, werden ebenso gesucht wie Kandidaten für vergleichsweise fest umrissene Anforderungsprofile. Die Anpassung formaler Ausbildungs- und Studiengänge erfolgt meist erst mit Zeitverzögerung, wenn überhaupt. Daher lohnt es sich, seine eigenen Stärken, Schwächen und Ziele zu analysieren – und dann zu recherchieren, in welchem Tätigkeitsfeld man diese praktisch anwenden kann. Und wenn dabei sogar eine gänzlich neue Position geschaffen wird – warum nicht? Einen Chief Transformation Officer hatte die Welt vor fünf Jahren auch noch nicht kommen sehen.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

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