AGG nicht aus den Augen verlieren

Vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 wurde den deutschen Unternehmen eine Klagewelle prophezeit. Interessensverbände, Rechtsanwälte und Politiker befürchteten amerikanische Verhältnisse in Deutschland. Doch hohe Entschädigungssummen sind bisher ausgeblieben, so dass sich viele Unternehmen mit den gesetzlichen Vorgaben arrangiert haben – und, vor allem im Mittelstand, die Risiken des AGG gerade deswegen noch immer unterschätzen, mahnt die internationale Rechtsanwaltssozietät Lovells.

Die Verstöße des deutschen Gesetzgebers gegen die europarechtlichen Vorgaben bergen für die Wirtschaft nämlich eklatante Risiken, wie die ersten Urteile zum AGG zeigen. Viele Unternehmen haben zwar die Prozesse bei der Personalbeschaffung (Stellenausschreibungen und Bewerberauswahl) nach dem Inkrafttreten des AGG anhand der gesetzlichen Vorgaben geprüft und bei Bedarf angepasst. Die Auswirkungen des AGG auf andere Unternehmensaktivitäten werden aber noch unterschätzt, zum Beispiel bei der AGG-festen Entlohnung von Männern und Frauen.

Zwar sind die in Deutschland bisher gezahlten Entschädigungssummen gering und liegen nicht auf dem erwarteten Niveau. – so musste die Lufthansa kürzlich in einem Diskriminierungsfall nur 4000 Euro Schadenersatz an eine 46-jährige Bewerberin zahlen. Solche Entschädigungszahlungen müssen aber nach den EU-Vorgaben abschreckend sein. Auch wenn diese Formulierung im AGG keinen Niederschlag gefunden hat, wird der Europäische Gerichtshof irgendwann unangemessen niedrige Entschädigungsleistungen nicht mehr akzeptieren. „Daher ist auf mittlere Sicht mit einem deutlichen Anstieg der Entschädigungssummen zu rechnen“ prophezeit Dr. Hans-Peter Löw, Arbeitsrechtler im Frankfurter Büro von Lovells. Zum Vergleich: Ende Juni 2007 wurde in den USA der Handelskonzern Wal-Mart zur Zahlung von 2 Millionen US-Dollar wegen Diskriminierung einer weiblichen Angestellten verurteilt.

Den Frankfurter Arbeitsrechtler erschüttert auch, dass trotz großer Medienpräsenz des AGG einige Unternehmen noch immer das Gesetz völlig außer Acht lassen. Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für kleine und mittlere Unternehmen planen nur 18% Ihre Mitarbeiter im Hinblick auf die Vorgaben des AGG zu schulen. Gleichzeitig bringt für 79% der im April 2007 befragten Unternehmen das AGG eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich. (ots/ml)

Die wichtigsten AGG-Regelungen für die betriebliche Umsetzung

  • Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen die Benachteiligungsverbote ausgeschrieben werden (§ 11 AGG).
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen (§ 12 Abs. 1 AGG).
  • Der Arbeitgeber soll insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen hinweisen (§ 12 Abs. 2 AGG).
  • Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung zu ergreifen (Abmahnung, Versetzung oder Kündigung) (§ 12 Abs. 3 AGG).
  • Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach dem AGG zuständigen Stellen sind im Betrieb bekannt zu machen (§ 12 Abs. 4 AGG).

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