Produktivität allein macht noch nicht wettbewerbsfähig

Eine isolierte Betrachtung der Produktivität ohne gleichzeitige Berücksichtigung der damit verbundenen Lohnkosten reicht nicht aus, um die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft oder eines Wirtschaftsbereichs zu beurteilen. Beispielsweise kann eine relativ niedrige Produktivität verbunden mit sehr niedrigen Lohnkosten durchaus in der Gesamtschau zu einer besseren Kostensituation führen als hohe Produktivität gepaart mit noch höheren Lohnkosten. Erst beide Faktoren zusammen spiegeln den Preis des Produktionsfaktors Arbeit wider.

Nach den Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamts stellt sich in Deutschland für die Jahre 1991 bis 2006 die langfristige Entwicklung der Arbeitsproduktivität, die Lohnkosten sowie – daraus abgeleitet – der sogenannten Lohnstückkosten so dar.

Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität wird als Quotient aus preisbereinigtem Bruttoinlandsprodukt und Erwerbstätigen bzw. Erwerbstätigenstunden berechnet. Gesamtwirtschaftlich wurde für Deutschland im Zeitraum 1991 bis 2006 eine Steigerung der Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen um insgesamt 22,5% und je Erwerbstätigenstunde um 32,4% verzeichnet. In der erkennbar günstigeren Entwicklung der Produktivität je Erwerbstätigenstunde spiegelt sich die über diese siebzehn Jahre zu verzeichnende Verringerung der in Deutschland je Erwerbstätigen (Selbstständige und Arbeitnehmer) durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden um 7,5% wieder.

Die Lohnkosten, also das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer, stiegen zwischen 1991 und 2006 um 37,7% an. Je Arbeitnehmerstunde stiegen die Lohnkosten deutlich stärker um 50,7% an, was darauf zurückzuführen ist, dass im Durchschnitt je Arbeitnehmer 2006 im Vergleich zu 1991 gut 8,6% weniger Arbeitsstunden geleistet wurden.

Wie aus der Veränderung der Lohnkosten und der Produktivität zu erkennen ist, haben die Erwerbstätigen zwar durchschnittlich je Person bzw. je Stunde eine größere Menge an Gütern produziert, aber gleichzeitig stieg das Arbeitnehmerentgelt in noch stärkerem Maße an. Für die Arbeitgeber gab es somit die Alternative, die Preise der produzierten Güter zu erhöhen oder auf Teile ihres eigenen Gewinns zu verzichten. Als abgeleitete Kennziffer bilden die Lohnstückkosten den zahlenmäßigen Zusammenhang zwischen Lohnkosten und Produktivität ab.

Die Lohnstückkosten, die die Veränderung der Lohnkosten in Relation zur Arbeitsproduktivität darstellen, stiegen in Deutschland von 1991 bis 2006 nach dem Personenkonzept um 12,4% und nach dem Stundenkonzept um 13,8% an. Bei den Lohnstückkosten wird also bei beiden Betrachtungsweisen eine ähnliche Entwicklung erkennbar. In den letzten drei Jahren, also 2004, 2005 und 2006 gingen die Lohnstückkosten im Vorjahresvergleich jeweils leicht zurück.

Wie die Arbeitgeber letztlich auf diesen Kostendruck reagierten zeigen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, die zwischen 1991 und 2006 um über 74% anstiegen. Allerdings enthält diese Größe auch Einkommen (beispielsweise Zinsen und Dividenden), die von abhängig Beschäftigten bezogen wurden. Das Arbeitnehmerentgelt stieg im gleichen Zeitraum nur um knapp 36%, so dass die auch in Tarifverhandlungen oft benutzte Lohnquote (Arbeitnehmerentgelt in Relation zum Volkseinkommen) von 71% (1991) auf knapp 66% (2006) zurückging.

Die Nettolöhne und –gehälter stellen das Geld dar, das letztlich bei den Arbeitnehmern nach Abzug der Sozialbeiträge und der Lohnsteuer ankommt. In Deutschland nahmen die Nettolöhne und –gehälter von 1991 bis 2006 um rund 26% zu, je Arbeitnehmer bedeutete das einen Anstieg um knapp 28% auf monatlich 1.458 Euro im Jahr 2006.

Im EU-Vergleich liegt die Arbeitsproduktivität in Deutschland mit 102 Punkten (EU25=100) bei einer Betrachtung in Purchasing Power Standards (PPS) knapp über dem Schnitt von 25 EU-Länder. Purchasing Power Standards bedeuten dabei, dass statt der Angaben in Euro bzw. der Verwendung „normaler“ Wechselkurse die jeweilige Kaufkraft in den 25 EU-Staaten mit berücksichtigt wurde.

Die Entwicklung der Lohnstückkosten im europäischen Vergleich zeigt, dass der Rückgang der letzten drei Jahre Deutschlands Wettbewerbssituation verbessert haben dürfte. Während in Deutschland die Lohnstückkosten in den Jahren 2004, 2005 und 2006 jeweils leicht zurückgingen, stiegen die Lohnstückkosten im Durchschnitt der EU-Mitgliedsstaaten in allen drei Jahren zwischen 1% und 2% an. (Stefan Hauf, Statistisches Bundesamt/ml)