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Onlinehilfe für Börsendschungel geplant

Viel Kritik gibt es seit Beginn der Finanzmarktkrise an den sogenannten „Strukturierten Wertpapieren“. Viele dieser Finanzprodukte machten Schlagzeilen als „toxische Papiere“, weil sie wesentlich zum Crash beigetragen hatten. Das für Anleger gefährliche an derartigen Papieren ist der komplexe Mix von Bedingungen, unter denen sie Gewinn abwerfen oder Anlegergeld vernichten. Durch die Mischung ganz unterschiedlicher Risiken in einem einzigen Produkt ist für Laien das Risiko-Gewinn-Verhältnis kaum abschätzbar. Nun wollen Forscher der Uni Kiel den Anlegern zu einem besseren Durchblick verhelfen.Knapp 80 Milliarden Euro haben die Deutschen aktuell in Zertifikaten angelegt. Rund zwei Drittel dieser Zertifikate haben nach Angaben der Wissenschaftler im Krisenjahr 2008 eine höhere Rendite erwirtschaftet als die Aktien, auf die sie sich beziehen. „Zertifikate bieten Möglichkeiten, die klassische Anlageformen nicht bieten können“, behauptet Marc Hansen (siehe Bild), Doktorand am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft der Uni Kiel.

Er gibt allerdings zu, diese Produkte seien oft komplex und für private Anleger schwer nachvollziehbar. In einem von der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein finanzierten Projekt wollen die Kieler Forscher deshalb gemeinsam mit dem Börsenportal Ariva.de mehr Transparenz in den Zertifikatemarkt bringen. Das Ziel lautet, privat Interessierten eine bankenunabhängige Hilfestellung für die Beurteilung dieser Wertpapiere zu geben.Um solche Strukturen anbieten zu können, kombinieren die Finanzhäuser die originäre Anlage in der Regel mit Termingeschäften, sogenannten Optionen. Spätestens an diesem Punkt endet die Transparenz: „Der Anleger erfährt aus dem Prospekt, mit welchen Zahlungen er unter welchen Voraussetzungen rechnen kann“, sagt Hansen. „Er hat aber keine Möglichkeiten, nachzuvollziehen, ob der Preis, zu dem das Zertifikat verkauft wird, marktgerecht ist.“

Helfen soll ein interaktives Bewertungswerkzeug für Zertifikate, das Hansen gemeinsam mit Ariva.de entwickelt. Das Kieler Unternehmen betreibt eines der größten bankenunabhängigen Börsenportale im Internet mit einer umfangreichen Datenbank für Zertifikate. Ziel ist, dem Nutzer ein Preis-Fairness-Gefühl zu vermitteln.

Um die Zertifikate zu bewerten, greift der Wissenschaftler mit seinem Team auf simulationsbasierte Optionsmodelle aus der Finanztheorie zurück. Zahlreiche Parameter wie die erwarteten Kursschwankungen beim Basiswert oder die Schätzung möglicher Dividenden spielten dabei eine Rolle, in der Praxis kämen für die Banken weitere Faktoren wie die Handelbarkeit des Basiswertes hinzu.

Rund 370.000 Zertifikate werden aktuell in Deutschland gehandelt. Dass das Kapital bei dieser Anlageform nicht geschützt ist, sollte die Bank als Rückzahler ausfallen, dürfe bei der Auswahl von Produkt und Anbieter nicht vergessen werden, meint Hansen. Die Pleite der US-Bank Lehman Brothers habe die Anlageklasse Zertifikate pauschal in Verruf gebracht.

Dennoch hätten 2008 rund zwei Drittel der Zertifikatstypen eine höhere Rendite erwirtschaftet als ihr Basiswert. „Wer die Zeichen der Märkte richtig gedeutet hat, konnte mit Hilfe der strukturierten Produkte sogar beeindruckende Gewinne erzielen.“ Mit einem solchen Bewertungsinstrument, wie dem in Kiel geplanten, könnten Anleger dieses Gewinnpotenzial wieder öfter nutzen und dennoch nachts ruhig schlafen.

(idw/ml)