Klimapolitik: Ökonomen fordern Zwei-Säulen-Strategie

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium drängt die Politik mit einer neuen Wirtschaftsstudie, in der Klimapolitik verstärkt auf Anpassungsmaßnahmen zu setzen. In seinem wissenschaftlichen Gutachten Klimapolitik zwischen Emissions­ver­mei­dung und Anpassung spricht sich der Beirat gegen nationale Alleingänge bei der Emis­sions­ver­meidung aus. Stattdessen sollte sich die deutsche Politik mehr auf Anpas­sungs­maß­nah­men konzentrieren, um die Folgen des Klimawandels abzufedern. Prof. Marcel Thum vom ifo Institut Dresden: „Anders als bei der Emissionsvermeidung profitiert bei Anpassungsmaßnahmen das Land, das sie bezahlt.“Nach den enttäuschenden Ergebnissen der Klimaverhandlungen in Kopenhagen stellt sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen in der Klimapolitik. Da die Klimaveränderungen von den globalen CO2-Emissionen abhängen, ist der Einfluss einzelner Länder sehr begrenzt. „Eine nationale Politik, die in erster Linie auf Maßnahmen und internationale Abkommen zur Emissionsminderung setzt, hat wenig Aussicht auf Erfolg“, so heißt es im Gutachten. Nur ein koordiniertes Vorgehen aller Länder könne zu einer effektiven Vermeidungspolitik führen. Und: „Nationale Vorleistungen und einseitig gewählte Emissionsminderungsziele erweisen sich als besonders teuer und wenig hilfreich. Eine rationale Klimapolitik muss stärker auf Anpassungsmaßnahmen setzen.“ Daher spricht sich der Wissenschaftliche Beirat für eine Zwei-Säulen-Strategie aus. Zum einen sollen die globalen Verhandlungen um Emissionsminderungen vorangetrieben werden – jedoch ohne einseitige Vorleistungen in Deutschland oder in Europa zu versprechen. Zum anderen soll sich Deutschland verstärkt um Anpassungsmaßnahmen kümmern, mit denen z. B. die Folgen verstärkter Extremwetterereignisse abgemildert werden können.

Die Anpassungsmaßnahmen könnten sogar die Chancen erhöhen, zu internationalen Klimavereinbarungen zu kommen. Bisher vertrauen zu viele Länder auf die einseitigen Anstrengungen insbesondere einiger europäischer Industrieländer. Wenn sich diese Länder durch Anpassungsmaßnahmen besser gegen die Klimafolgen abschirmen, erhöht sich der Druck für die übrigen Länder, bei internationalen Klimavereinbarungen ebenfalls Zugeständnisse zu machen.

Der Beirat sieht einen grundlegenden Unterschied zwischen Anpassungsmaßnahmen und Emissionsminderungen. Bei einzelstaatlichen Emissionsminderungen tragen die Bürger des Landes die Kosten. Von den geringeren Emissionen profitieren jedoch alle Länder – entweder weil sie weniger Klimafolgeschäden erleiden oder weil sie selbst weniger für die Emissionsminderung aufwenden müssen. Das macht es so schwierig, international eine effiziente Vermeidungspolitik umzusetzen. Wenn hingegen ein einzelnes Land Anpassungsmaßnahmen durchführt, trägt es die Kosten, genießt aber auch die Vorteile daraus. Die einzelstaatliche Politik ist deshalb bei der Wahl und Ausgestaltung seiner Anpassungsmaßnahmen nicht auf internationale Kooperation angewiesen.

Das Gutachten wurde am vergangenen Freitag in Berlin Staatssekretär Dr. Hans Bernhard Beus vom Bundesfinanzministerium offiziell überreicht.

(ifo/ml)