Erbrechtsänderung: Völlige Gleichstellung nichtehelicher Kinder geplant

Das Erbrecht ist für viele Familienunternehmen ein Prüfstein. Nicht wenige Familienbetriebe scheitern nach dem Tod der Firmeninhaber am Streit der Erben. Entsprechend wichtig ist es, Änderungen des Erbrechts in die Nachfolgeüberlegungen rechtzeitig einzubeziehen, so auch die aktuell geplante völlige Gleichstellung nichtehelicher Kinder. Einen entsprechenden Gesetzentwurf beschloss heute das Bundeskabinett.

Der Grundsatz, dass kein Kind schlechter stehen darf, nur weil seine Eltern unverheiratet sind, gilt noch immer nicht für einige Sonderfälle. Diese Ausnahmen auf Kosten nichtehelicher Kinder sollen jetzt beseitigt werden. Ursprünglich war im Gespräch, nichteheliche Kinder erst nach hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartnern erben zu lassen. Der heute beschlossene Regierungsentwurf verzichtet bewusst auf Einschränkungen. In Zukunft werden nach dem Willen der Bundesregierung alle nichtehelichen Kinder gesetzliche Erben ihrer Väter.

Zum Hintergrund

  1. Aktuelle Rechtslage: Im Erbrecht sind nichteheliche und eheliche Kinder grundsätzlich gleichgestellt. Nach wie vor hat jedoch eine Ausnahme Bestand, die das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 vorsah. Diese Sonderregelung führt dazu, dass vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder bis heute mit ihren Vätern als nicht verwandt gelten und daher auch kein gesetzliches Erbrecht haben.
  2. Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 28. Mai 2009 in einem Individualbeschwerdeverfahren festgestellt, dass die bisher im deutschen Erbrecht vorgesehene Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht.
  3. Geplante Regelung: Der Regierungsentwurf sieht vor, dass alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder künftig gesetzliche Erben ihrer Väter werden:
    • Für künftige Sterbefälle werden alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt. Sie beerben ihre Väter als gesetzliche Erben.
    • Der Regierungsentwurf verzichtet auf ursprünglich diskutierte Einschränkungen zugunsten von hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartnern, weil der Grundsatz der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder wichtiger ist als der Vertrauensschutz.
    • Besonderheiten gelten für Sterbefälle, die sich bereits vor der geplanten Neuregelung ereignet haben. Da das Vermögen des Verstorbenen bereits auf die nach alter Rechtslage berufenen Erben übergegangen ist, kann die Erbschaft nur in sehr engen verfassungsrechtlichen Grenzen wieder entzogen oder geschmälert werden:
      • Die Neuregelung kann auf Todesfälle erweitert werden, die sich erst nach der Entscheidung des EGMR am 28. Mai 2009 ereignet haben. Denn seit der Entscheidung können die nach altem Recht berufenen Erben nicht mehr auf ihr Erbe vertrauen.
      • Für nichteheliche Kinder, deren Väter bereits vor dem 29. Mai 2009 verstorben sind, muss es wegen des verfassungsrechtlich verankerten Rückwirkungsverbots grundsätzlich bei der früheren Rechtslage bleiben. Eine Ausnahme ist für Fälle geplant, bei denen der Staat selbst zum Erben geworden ist, zum Beispiel weil es weder Verwandte noch Ehegatten bzw. Lebenspartner gab oder weil die Erbschaft ausgeschlagen wurde. In solchen Konstellationen soll der Staat den Wert des von ihm ererbten Vermögens an die betroffenen nichtehelichen Kinder auszahlen.
(Zitat aus der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Justiz)

Die Reform liege auf der Linie der Kindschaftsrechtsreform, begründete heute Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Gesetzesinitiative. Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf wird im nächsten Schritt dem Deutschen Bundestag zur Beratung vorgelegt werden.

(BMJ / ml)