EU-Klimaschutz: Alleingang würde EU-Wirtschaft kaum belasten

Der aktuelle Bericht des Weltklimarates geht davon aus, dass die globalen CO2-Emissionen bis 2050 um mindestens 50 bis 85 % unter das Niveau von 2000 gesenkt werden müssen, um den welt­wei­ten Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad Celsius ge­gen­über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die von Industrie- und Entwicklungsländern nach dem Klimagipfel angekündigten Klimaschutzanstrengungen kosten dabei höchstens 0,25 % der weltweiten Wirtschaftsleistung. Für die EU bedeutet das: Wenn sie im Alleingang für 2020 für sich eine Senkung der Emissionen um 30 % statt 20 % anstreben würde, würde die Wirtschaftsleistung der EU lediglich um weniger als 0,1 % sinken.

Zu diesem Ergebnis kommt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Rahmen einer Studie für das Umweltbundesamt (UBA), an der auch das Virginia Tech und das Öko-Institut Berlin mitarbeiteten. Im Rahmen des Projektes wurden die ökologischen und ökonomischen Wirkungen von Klimaschutzzielen bis zum Jahr 2020 analysiert. Ausgangspunkt der Untersuchung waren die freiwilligen Verpflichtungen, die von den Industrie- und Entwicklungsländern im Kopenhagen-Abkommen nach dem Scheitern des Klimagipfels im Dezember 2009 verkündet wurden.

Die volkswirtschaftlichen Kosten für Reduzierungsmaßnahmen in Ländern mit freiwilligen Zusagen betragen demnach – unter der Annahme, dass Emissionsrechte international gehandelt werden können – höchstens 0,25 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in 2020. Mit einem BIP-Verlust von durchschnittlich 1,4 % tragen die Entwicklungs- und Schwellenländer allerdings in diesem Fall eine relativ höhere Belastung als die Industrieländer, die im Durchschnitt nur 0,1 % des BIP einbüßen. Legt man als Kriterium für die Verteilung zukünftiger Klimaschutzziele die Veränderungen des BIP zugrunde, rechtfertigen diese Ergebnisse ambitioniertere Minderungsziele für Industrieländer ebenso wie Kompensationszahlungen an Entwicklungs- und Schwellenländer.

Die ökonomischen Wirkungen der Klimaschutzanstrengungen sind also weltweit ungleich verteilt, so die an der Studie beteiligten Wissenschaftler. Ihren Berechnungen nach werden die Exporte aus Entwicklungsländern, die vergleichsweise CO2-intensiv produzieren, verringert und dadurch die Wirtschaftsleistung der betroffenen Regionen abgeschwächt. Dagegen profitieren Regionen wie die EU oder Japan, die relativ CO2-arm produzieren aufgrund von Außenhandelsvorteilen von dieser Entwicklung. „Investitionen in klimaschonende Produktionsverfahren stärken also langfristig unsere Wettbewerbsfähigkeit in energie- und außenhandelsintensiven Branchen. Das Ziel, eine 30-prozentige Minderung von Treibhausgasemissionen in der EU zu erreichen, sollte daher weiter forciert werden“, fordert Projektleiter Prof. Dr. Joachim Schleich vom Fraunhofer ISI.

Besonders betroffen von ambitionierten Klimaschutzzielen sind Volkswirtschaften, die stark von Kohle, Erdöl oder Erdgas abhängig sind, da die Umsetzung der klimapolitischen Ziele die Nachfrage nach diesen fossilen Brennstoffen drosselt, und Weltmarktpreise weniger stark steigen. Daher verzeichnet beispielsweise Russland trotzt hoher Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsrechten deutliche BIP-Verluste.

Weiterführende Simulationsrechnungen für 2030, die eine langfristige globale CO2-Minderung von 50 % bis 2050 gegenüber dem Niveau von 1990 zugrunde legen, führen im Ergebnis zu globalen BIP Einbußen von bis zu 2,5 %. Die Wachstumsverluste entsprechen global gesehen also in etwa dem Zuwachs des BIP von einem Jahr. Wohlfahrtsgewinne, die insbesondere zukünftigen Generationen in Form geringerer Klimafolgeschäden zugutekommen, sind in diesen Zahlen noch nicht enthalten.

Die Studie Environmental and economic effects of the Copenhagen Pledges and more ambitious emission reduction targets ist in der UBA-Reihe Climate Change als Ausgabe 02/10 erschienen. Sie steht im Internet als kostenloser Download bereit, ist allerdings nur in englischer Sprache verfügbar.

(Fraunhofer ISI /ml)