Strommix-Studie: Dezentrale Energieversorgung vor Wachstumsschub

Nach der neuen Strommix-Studie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wird sich der Anteil der dezentralen Motorenanlagen an der Stromerzeugung in der EU von 5,7 % in 2007 auf 6,7 % in 2020 und auf 9,3 % in 2030 erhöhen. Die bis zum Jahr 2030 neu zugebaute Kapazität beläuft sich nach Angaben Thorsten Herdans, des Geschäftsführers VDMA Power Systems, auf rund 78 Gigawatt.

Das entspricht einer Investitionssumme von annähernd 60 Milliarden Euro bzw. einer jährlichen Investition von rund drei Milliarden Euro im Bereich der EU 27. „Die Haupttreiber dieser Entwicklung sind der deutlich wachsende Bereich der Biogasanlagen und der sich fast verdoppelnde Erdgasmarkt“, so Herdan. Eine große Rolle spielten dabei auch der Ersatz und die Modernisierung der Anlagen. Nicht zuletzt die deutlichen Effizienzsteigerungen der Anlagentechnik in den letzten Jahren trügen zu einem beschleunigten Ersatz der Anlagen bei.

Obwohl im Energiekonzept der Bundesregierung klare Aussagen zur dezentralen Energieversorgung fehlen, sind sich die Experten laut VDMA einig, dass die Zukunft der Energieversorgung dezentraler sein wird. Der Einsatz von erneuerbaren und fossilen Energieträgern vorrangig in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) bildet dabei die wesentliche Säule einer solchen dezentralen Versorgung.

Im Gegensatz zum heute noch auf Prognosen beruhenden Betrieb von großen Kraftwerken können dezentrale Anlagen sehr flexibel auf die Abweichungen von Stromnachfrage und Stromangebot reagieren. Auch der wachsende Trend, bei dem sich die heutigen Stromverbraucher zu produzierenden Verbrauchern wandeln, verstärkt die Nachfrage nach dezentraler Energieversorgung. Moderne kleine KWK-Anlagen auf Basis von Verbrennungsmotoren, immer öfter auch auf Basis von Brennstoffzellen, bieten hierfür die erforderlichen, ausgereiften Technologien.

„Wenn die Voraussetzungen für die informationstechnische Verknüpfung von Anlagen in den Stromverteilnetzen, sogenannte Smart Grids geschaffen sind, dürfte das Wachstum der dezentralen Energieversorgung sich noch beschleunigen“, so Herdan. Eine im Juli 2010 vorgelegte Studie der internationalen Managementberatung Boston Consulting Group sagt einen Anstieg des Anteils der dezentralen Energieversorgung an der installierten Kraftwerkskapazität in der EU im Jahr 2020 auf 40 % voraus.

Aussichten

  • Mit 60 GW installierter Leistung in 2030 sind ca. 6 % der in Europa installierten Kapazitäten dezentrale Motorenanlagen. Sie produzieren 9,3 % des europäischen Strombedarfes.
  • Bis 2030 werden rund 78 GW Motorenkapazität in Europa neu installiert, mit 45 GW stellen Ersatzkapazitäten dabei mehr als die Hälfte dar.
  • Diese 78 GW entsprechen einem Investitionsvolumen von fast 60 Milliarden Euro.
  • Pro Jahr werden damit bis 2030 durchschnittlich fast 3 Milliarden Euro in dezentrale Motorenanlagen investiert. Hinzu kommen noch Investitionen in Wärmenetze sowie die Biogaserzeugung und -verteilung.

Ein weiterer Vorteil dezentraler Lösungen ist, dass bereits beim Bau die detaillierten Kenntnisse des örtlichen Bedarfs an Strom und Wärme bei der Auslegung einbezogen werden können. Hierdurch verändert sich das Kräfteverhältnis im Energiemarkt grundlegend. Kommunale Energieversorger, d. h. Stadtwerke, aber auch private Anbieter dezentraler Konzepte haben den Schlüssel in ihren Händen, nämlich den direkten Kontakt zum Verbraucher sowie die Ortskenntnis. Der Investitionsbedarf von dezentralen Anlagen ist darüber hinaus angesichts von Investitionen im einstelligen Millionenbereich auch noch in Eigenregie realisierbar.

Woran es derzeit aber oft noch mangelt, ist das Verständnis der Akteure untereinander sowie das Wissen über den Stand der technischen Entwicklung. Die Land- und Forstwirtschaft – wenn sie sich zunehmend auch als Energiewirt versteht – muss ein grundlegendes Verständnis dafür haben, wie sich die Energiemärkte in Zukunft entwickeln. Auch die Energiewirtschaft muss Verständnis für die Marktnuancen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft entwickeln, wenn es gelingen soll, gemeinsam umsetzbare Projekte zu realisieren. Letztlich stehen beide in ihren jeweiligen Märkten in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Wenn es gelingt, die Veränderungen als Chance zu nutzen, können beide von den unvermeidlichen Veränderungen profitieren. „Um diesen Prozess zu unterstützen, haben die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und der VDMA ihre Zusammenarbeit mit dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) deutlich verstärkt“, so Herdan abschließend.

(VDMA / ml)