Nachhaltige Agrarwirtschaft: Düngerengpass betroht Weltnahrungsmittelproduktion

Die globale Produktion von Phosphordünger könnte in diesem Jahr­hundert ihr Maximum erreichen und dann absinken. Das würde die Weltnahrungsmittelproduktion gefährden und zu Engpässen und Preissteigerungen führen. Davor warnen fünf bedeutende wissen­schaft­liche Gesellschaften im Bericht Chemie für eine nachhaltige globale Gesellschaft. Die Krise werde dann eintreten, wenn die Welt­bevölkerung auf über neun Milliarden Menschen ansteigt, so die Autoren des Berichts. Reis, Mais, Weizen und andere wichtige Nahrungspflanzen benötigen Phosphor. Er ist neben Stickstoff und Kalium einer der drei Hauptbestandteile der Düngemittel, welche die Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln sicherstellen.

Der Bericht Chemie für eine nachhaltige globale Gesellschaft warnt nicht nur vor dem „globalen Phosphorfördermaximum“ – analog zu den bekannteren Warnungen vor dem „globalen Ölfördermaximum“ –, sondern weist auch auf die Lage bei anderen natürlichen Ressourcen hin. Bei ihnen könnten Monopole oder politische Instabilität zu Lieferunterbrechungen oder Preissteigerungen führen. Zu diesen Ressourcen gehören Seltene Erden und wertvolle Metalle wie Lithium, Platin und Palladium, die erforderlich sind zur Herstellung von Computern, Mobiltelefonen, wiederaufladbaren Akkus, Solarzellen, Brennstoffzellen, Medikamenten, Katalysatoren für Autos und anderen wichtigen Erzeugnissen.

Nach Angaben des Berichts berührt es die nationale Sicherheit vieler Länder, wenn eine kleine Gruppe von Ländern die Restbestände zahlreicher wertvoller, lebenswichtiger Ressourcen kontrolliert. Politisch motivierte nationale Strategien der Exportbeschränkung für bestimmte Mineralien, so die Autoren des Reports weiter, werden bereits in die Praxis umgesetzt. Die begrenzte Verfügbarkeit und die hohen Preise knapper Bodenschätze dürften demnach bald Industriezweige quer durch viele verschiedene Sektoren beeinträchtigen.

Die Voraussetzung für die Verknappung, ein Anstieg der Weltbevölkerung auf neun Milliarden, dürfte bereits Mitte dieses Jahrhunderts stattfinden. Vorhersagen der Vereinten Nationen zufolge wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 8,9 Milliarden Menschen umfassen.

Der Bericht präsentiert die Ergebnisse eines viertägigen Treffens der Chinese Chemical Society, der Gesellschaft Deutscher Chemiker, der Chemical Society of Japan, der Royal Society of Chemistry und der American Chemical Society im September 2010 in London. Das Treffen ist Teil einer Serie von Chemical Sciences and Society Symposien (CS3), auf denen internationale Experten für Materialwissenschaften nach Lösungen für einige der bedrohlichsten Weltprobleme suchen.

Phosphormangel im Boden ist besonders in Australien, dem siebtgrößten Weizenproduzenten der Erde, akut. Der Mangel betrifft aber auch Afrika südlich der Sahara, wo der Phosphorgehalt das Nutzpflanzenwachstum begrenzt und bereits Millionen Menschen durch Unterernährung und regelmäßige Hungersnöte bedroht sind.

Die Lagerstätten phosphathaltigen Gesteins, das zur Düngemittelproduktion abgebaut wird, werden wahrscheinlich innerhalb der nächsten 30 bis 100 Jahre erschöpft sein. Gegenwärtig gibt es keinen Ersatz für diese natürliche Quelle von Phosphordünger. Zwei Drittel der Weltphosphorressourcen befinden sich in China, Marokko und der Westsahara. Die Nachfrage nach Phosphor steigt bereits rapide, und der Preis von Ammoniumphosphatdünger, der zusätzlich Stickstoff enthält, hat sich in den letzten Jahren verdoppelt.

Die CS3-Teilnehmer hoffen, dass es der Chemie gelingt, neue Materialien zu entwickeln, mit denen die Menschheit umfangreiche neue Phosphorquellen in Flüssen, Ozeanen und im Boden nutzbar machen kann. Dazu gehören auch Techniken zur Extraktion von Phosphor aus Wasser.

Der Bericht unterstreicht, dass auch Engpässe bei anderen für die moderne Technik, vom Computer bis zum Hybridauto, unerlässlichen Elementen eintreten werden, wenn nicht ähnliche Anstrengungen unternommen werden, um Alternativen zu finden oder die Effizienz in der Gewinnung und beim Einsatz vorhandener Werkstoffe zu verbessern. Zu diesen Elementen gehören Lithium, ein Bestandteil von Batterien und einigen Medikamenten, sowie Platin, das in Brennstoffzellen benötigt und in Katalysatoren gebraucht wird, um die Effizienz großtechnischer chemischer Produktionsprozesse zu verbessern.

Weitere knappe Elemente sind die Seltenen Erden (Kurzvorstellung) – eine Reihe von Elementen, die zur Herstellung von Computern, Autos mit Hybridantrieb, militärischen Waffen und anderen High-Tech-Produkten benötigt werden.

Im Gegensatz zum Club of Rome analysiert der CS3-Bericht nicht nur die kritische Situation. Er bietet auch konstruktive Vorschläge, wie die vorhandene oder in naher Zukunft vorhandene Wissenschaft und Technik die Lage verbessern kann.

Eine Vollversion des Berichts Chemie für eine nachhaltige globale Gesellschaft steht als kostenloser Download online zur Verfügung.

(Gesellschaft Deutscher Chemiker / ml)