Kommentar zum Gutachten: Idee vom Gesellschaftsvertrag trifft den Kern der Sache

Als vorletzte Woche der Wissenschaftliche Beirat Globale Umwelt­veränderungen (WBGU) seinem Auftraggeber, der Bundesregierung, das Hauptgutachten mit dem vielsagenden Titel Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation überreichte, dachten viele: nicht schon wieder. In Zeiten wie diesen haben Gut­achter aller Art und Profession nämlich eine fatale Hochkonjunktur. Nichts, was nicht ausführlich bekaspert, aber am Ende der Debatte umso seltener erledigt wird. Im Falle des genannten Gutachtens ist die Skepsis jedoch unangebracht. Es nennt die Dinge beim Namen und scheut sich nicht, von den Bürgern und gesellschaftlichen Kräften Deutschlands Anstrengungen einzufordern.

Im Gutachten spricht sich das Beratergremium der Bundesregierung für den Übergang zur Klimaverträglichkeit in drei wichtigen Handlungsfeldern aus: dem Energiesektor, der Landnutzung und der Gestaltung der Urbanisierung. Tatsächlich könnten alle drei Felder im Laufe der Veränderungen sehr schnell zu Schlachtfeldern der Lobbyisten und Parteien werden. Zu Recht weist der WBGU deshalb der Forschung eine zentrale Rolle zu. Denn sollten Lobby-Interessen statt Sachverstand den Kurs diktieren, ist großer Schaden für die Bürger, aber auch die Wirtschaft und die Finanzen dieses Landes absehbar – ja, unvermeidlich.

Hintergrundwissen: Wissenschaftlicher Beirat

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) wurde 1992 im Vorfeld der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (Erdgipfel von Rio) von der Bundesregierung als unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium eingerichtet. Der WBGU wird gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) betreut und finanziert.

Ein ebenso wichtiger Aspekt des Gutachtens ist die Forderung einer übernationalen, globalen UN-Umweltorganisation, denn im Gegensatz zu vielen grünen Aktionistenverbänden in Deutschland sieht der Beirat die Notwendigkeit einer globalen Strategie für eine wirksame Klimawende. Wer auf eine solche globale Strategie verzichtet und glaubt, ein einzelnes Land könne die Welt retten, verbrennt lediglich Geld zur Unzeit.

Lobenswert und fundamental im positiven Sinn ist die Forderung eines Gesellschaftsvertrags über eine „Große Transformation“. So pathetisch die Begriff „Gesellschaftsvertrag“ und „Große Transformation“ auch klingen mögen: Sie beschreiben treffend den Kern einer erfolgreichen Strategie: Denn erst, wenn wirklich alle Kräfte dieses Landes eine gemeinsame Vorstellung von den Erfordernissen, den Zielen und dem Weg zu diesen Zielen haben – und wenn ein gemeinsamer Vertrag mit einklagbaren Leistungen der einzelnen gesellschaftlichen Kräfte vorliegt, wird der Wandel effizient und relativ schmerzfrei vonstattengehen können.

Allerdings gehört zu einem guten Vertrag, dass alle beteiligten Vertragspartner am Ende von ihm profitieren. Bisher waren es aber häufig die Bürger, die am Ende die Zeche zu bezahlen hatten, ohne einen Vorteil für sich erkennen zu können. Das motiviert nicht gerade, einen solchen Vertrag zu unterschreiben und bei den Kosten auch noch in Vorleistung zu gehen.

Allen interessierten Bürgern steht derzeit eine Zusammenfassung des WBGU-Gutachtens Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation als kostenloser Download online zur Verfügung. Eine Vollversion soll demnächst folgen.

(ml)