Weltmeere: Industrieabgase lassen Meere anschwellen

Seit Beginn der Industrialisierung steigt der Meeresspiegel so schnell an, wie nie zuvor in den letzten zweitausend Jahren, warnt ein internationales Forscherteam. Nach vielen Jahrhunderten mit stabilen oder nur langsam steigenden Werten gehe die Kurve seit Ende des 19. Jahrhunderts steil nach oben. Der Beweis dafür seien Ablagerungen an der US-Atlantikküste, behaupten die Wissenschaftler.

Eine Auswertung dieser Ablagerungen erlaubt erstmals, die Schwankungen des Meeresspiegels über einen derart langen Zeitraum zu rekonstruieren. Das Forscherteam veröffentlichte seine Arbeit in der US-Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Ihre Daten erhärten die Annahme, dass der Meeresspiegel umso rascher steigt, je wärmer das globale Klima wird. „Die neue Untersuchung bestätigt unser Modell des Meeresspiegelanstiegs – die Daten der Vergangenheit schärfen damit unseren Blick in die Zukunft“, erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der Autoren.

Bislang war ein direkter Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und Meeresspiegelanstieg nur für die vergangenen 130 Jahre einigermaßen belegt worden. Das zeitliche Zusammentreffen der Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs mit dem Beginn der Industrialisierung ist für Rahmstorf allerdings ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Ursache für den rascheren Anstieg tatsächlich die von Menschen verursachten Treibhausgase sind. Benjamin Horton von der University of Pennsylvania – ein weiterer Autor der Studie – nennt den Anstieg des Meeresspiegels eine „desaströse Folge des Klimawandels“.

Ein solcher Zusammenhang war bisher allerdings eher schwach belegt. Die Ablagerungen an der US-Atlantikküste erhärten nun die These. Die Forscher haben in Bohrkernen aus Salzwiesen an der nordamerikanischen Küste fossile Kalkschalen von Einzellern untersucht. Menge und Art dieser Kalkschalen zeigen den Wasserstand vergangener Jahrhunderte an. Die in North Carolina gewonnenen Daten decken sich mit Hafenpegeldaten, soweit diese zurückreichen, und sie wurden außerdem durch eine unabhängige Rekonstruktion aus Massachusetts bestätigt.

Die Daten lassen vier Phasen unterschiedlicher Schmelzverläufe erkennen: Von 200 vor Christus bis 1000 nach Christus war der Meeresspiegel stabil. Ab dem 11. Jahrhundert stieg er 400 Jahre lang um etwa fünf Zentimeter pro Jahrhundert an. Diesen Anstieg konnten die Forscher in Modellrechnungen mit der mittelalterlichen Warmperiode erklären.

Danach folgte wieder eine stabile Periode mit kühlerem Klima, die bis ins späte 19. Jahrhundert reicht. Danach ist der Meeresspiegel im Zuge der globalen Erwärmung bis heute um rund 20 Zentimeter angestiegen – eine rasante Entwicklung, wie sie in den letzten 2000 Jahren kein zweites Mal beobachtet wurde.

(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung / ml)