Haftpflicht-Studie: Ein GAU bei Kernkraftwerken ist nicht versicherbar

Eine Untersuchung der Versicherungsforen Leipzig GmbH, die für über hundert Firmen der Versicherungsbranche Studien ausarbeitet, zeigt, dass ein GAU (größter anzunehmender Unfall) eines Atom­kraftwerks derart hohe Schäden verursachen kann, dass das Risiko nicht mehr versicherbar ist. Die im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) entstandene Studie des Leipziger Dienstleisters bestätigt damit ein altes Argument der Atomkraft­gegner. Die Versicherungsmathematiker kommen bei Berücksich­tigung aller Schäden und Folge­schäden auf eine Gesamtsumme von astronomischen 6 Billionen Euro.

Zum Vergleich: Die Staatsverschuldung Deutschlands beläuft sich derzeit auf rund 1,7 Billionen Euro, die gesamte Wirtschaftsleistung wird 2011 voraussichtlich bei etwas über 2,5 Billionen Euro liegen.

Angesichts dieser Dimensionen sind die drei Milliarden Euro Rückstellung für Kernkraftunfälle der Kraftwerksbetreiber ein Witz. Wollte man die mögliche Schadenssumme durch einen auf 50 Jahre verteilten Aufschlag auf den Strompreis umlegen, müsste der Preis pro Kilowattstunde um rund 50 Cent angehoben werden.

Die Studie Berechnung einer risikoadäquaten Versicherungsprämie zur Deckung der Haftpflichtrisiken, die aus dem Betrieb von Kernkraftwerken resultieren, steht per Download kostenfrei im Internet zur Verfügung.

(ml)

Contra

Bei der Lektüre der Studie ist zu berücksichtigen,

  • dass sie nicht im Auftrag der Versicherungen erarbeitet wurde, sondern für den Bundesverband Erneuerbare Energie, dessen Interessen eindeutig einer Seite zuzuordnen sind.
  • dass die Verteilung der Risikoabdeckung auf 50 Jahre zwar angesichts der Ereignisse von Tschernobyl und Fukushima schlüssig erscheint, aber unberücksichtigt lässt, dass beide GAUs nicht in Deutschland passiert sind. Da diese Häufung nur bei weltweiter Betrachtung zutrifft, müsste auch der Risikoaufschlag auf den Strompreis zumindest auf den gesamten Stromverbrauch jener Länder umgelegt werden, die Atomstrom produzieren.
  • dass die Schadenssumme von 6 Billionen Euro bei dieser Berechnung mit der zu leistenden Entschädigungssumme gleichgestellt wird. Das aber ist bei hohen Schadensrisiken versicherungsmathematisch nicht üblich, da solche Großrisiken immer nur gedeckelt versichert werden.

Dennoch sind die Ergebnisse der Studie überzeugend, denn ob versicherbar oder nicht, ob 6 Billionen Schaden oder auch nur gedeckelte drei Billionen – am Ende haben die Bürger den vollen Schaden auf die eine oder andere Weise zu tragen. Wenn die Summen der Studie dann aber auch nur annähernd zutreffen, sind sie inakzeptabel hoch.

(ml)