Biomasse kontra Nahrungsmittel: Nachwachsende Energie und satte Bäuche – das geht!

Im Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung rund neun Milliarden Menschen umfassen – zwei Milliarden mehr als heute. Für die landwirtschaftliche Erzeugung von Nahrungsmitteln wird jedoch deutlich weniger Platz zur Verfügung stehen als derzeit, da gleichzeitig der Bedarf an Energiepflanzen für nachhaltige Energie und an Futtermitteln steigen wird. Steht uns und unseren Kindern also ein Zeitalter des Hungers bevor? Nicht unbedingt, meint ein internationales Wissenschaftsteam, dem auch Wissenschaftler der Universität Bonn angehören.

Die Forscher beschreiben in einem Aufsatz im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature einen Ausweg aus dem Dilemma. „Erstmals konnten wir zeigen, dass beides möglich ist: Den Hunger der wachsenden Weltbevölkerung zu stillen und gleichzeitig den bedrohten Planeten zu schützen“, freut sich Erstautor Jonathan Foley, Leiter des Umweltinstituts der University of Minnesota (USA). „Es sind aber große Anstrengungen erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen.“ Mehr als zwei Jahre arbeiteten die Wissenschaftler an ihrem Lösungskonzept. Die Forscher kombinierten Geodaten mit globalen Computermodellen, um sowohl die landwirtschaftliche Produktion als auch ihre Umweltauswirkungen zu simulieren.

Das Team entwickelte ein Konzept, wie sich die weltweite Nahrungsmittelproduktion steigern und gleichzeitig die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft verringern lassen. Es gibt aber laut Autoren große Herausforderungen, die auf dem Weg zu dieser Vision gemeistert werden müssen. Bereits heute hungere rund eine Milliarde Menschen, geben sie zu bedenken und warnen, das Problem werde sich ohne Gegenstrategien durch das Bevölkerungswachstum noch verschärfen. Die Landwirtschaft sorge zwar für die Ernährung der Menschen, habe aber nicht nur positive Wirkungen. So gehe durch falsche oder zu intensive Ressourcennutzung zum Beispiel die Bodenfruchtbarkeit und vor allem in den Tropen wertvolle natürliche Ökosysteme verloren.

„Die heutige Landwirtschaft ist in vielen Bereichen nicht nachhaltig“, warnt Dr. Stefan Siebert, Mitautor und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur Pflanzenbau am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Universität Bonn. „Wenn wir das nicht ändern, werden die Umweltauswirkungen und damit auch die Hungernden weiter zunehmen.“ Seinen Beobachtungen nach werden in weiten Teilen der Erde Dünger, Pflanzenschutzmittel und Bewässerungswasser noch immer nicht optimal eingesetzt.

Siebert weiter: „Weltweit steigt zudem der Energie- und Fleischbedarf“. Das habe drastische Folgen für die Welternährung. Energiepflanzen – etwa für die Produktion von Biokraftstoffen – und Futterpflanzen für die Fleischproduktion konkurrieren mit dem Anbau von traditionellen Grundnahrungsmitteln.

Das Wissenschaftlerteam glaubt jedoch, dass sich der steigende Nahrungsmittelbedarf der wachsenden Weltbevölkerung ohne zusätzliche Umweltauswirkungen befriedigen lässt, wenn fünf Maßnahmen umgesetzt werden.

  1. Die Ausbreitung landwirtschaftlicher Flächen muss – besonders in den Tropen – gestoppt werden.
  2. Vor allem in Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Osteuropas muss durch den Einsatz angepassterer Sorten und besserer Anbaumethoden die Nahrungsmittelproduktion gesteigert werden. Das Team hält eine Steigerung um knapp 60 % für machbar.
  3. Dort, wo es sich wirklich lohnt, müssen Bewässerungswasser und Düngemittel strategisch eingesetzt werden.
  4. Die besten Ackerböden sollen der Produktion von Grundnahrungsmitteln vorbehalten sein. Energiepflanzen und Futtermittel dürfen nur auf schlechteren Standorten angebaut werden.
  5. Durch einen effizienteren Umgang mit Lebensmitteln ließen sich die verfügbaren Kalorien pro Person um fast 50 % steigern, denn derzeit wird mehr als ein Drittel der Lebensmittel von Schädlingen gefressen, auf den Müll gekippt oder dem Verderb überlassen.

Die Bonner Universität trug zur Studie eine Expertise über Feldfruchterträge und zur Ressourcennutzung bei. Die Bonner Forscher errechneten Erträge und Wassernutzung landwirtschaftlicher Kulturen in hoher räumlicher Auflösung. Laut Mitautor Siebert gab es auf diesem Gebiet bislang lediglich Fallstudien zu speziellen Regionen oder globale Studien zu Teilaspekten. Siebert: „Das Neue an der Studie ist, dass wir erstmals die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, Umwelt und wachsender Bevölkerung global betrachtet und mit Daten hinterlegt haben.“

Der englischsprachige Aufsatz Solutions for a cultivated planet mit den Studienergebnissen kann gegen Bezahlung von 32 US-Dollar hier vom Online-Portal des Wissenschaftsmagazins Nature heruntergeladen werden. Nähere (englischsprachige) Informationen zum wissenschaftlichen Aufsatz und zur Studie stehen per Download kostenfrei zur Verfügung. (Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn/ml)