Provokation aus München: Warum das Erneuerbare-Energien-Gesetz Unsinn ist

Hans Werner Sinn, Präsident des Münchner ifo Instituts, kann es nicht lassen, mit provokanten Thesen heilige Kühe sowohl des linken und grün­liberalen Bundesbürgertums als auch des konser­vativen Behäbigkeitskabinetts reihenweise nieder­zumähen. Das Dumme ist nur, dass er meist auch noch recht hat. Dabei ist sein Erfolgsrezept simpel: Er schaut im Gegensatz zu seinen Kritikern auf Fakten und Zusammenhänge statt auf Wunsch­zettel, Parteiprogramme und Wahlprognosen. So wie jetzt im Fall des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

In einer heute verbreiteten Pressemeldung zieht Sinn die Bilanz eines Gesetzes, mit dem Deutschland auf Kosten seiner Bürger die ganze Welt retten will, und am Ende nichts dergleichen erreichen wird – sollte Sinn wieder einmal recht haben.

Weil das EEG in der Energiewende aus Sicht der Regierung eine tragende Rolle spielt und öffentlich kaum noch diskutiert wird, wollen wir unseren Lesern Sinns Kritik nicht vorenthalten. Hier der weitgehend auf die konkreten Argumente gekürzte Originaltext (Kürzungen sind mit […] gekennzeichnet, Einfügungen der Redaktion in eckige Klammern gestellt):

[…]

Das EEG ist wirkungslos, weil es mit dem europäischen Emissionshandel kollidiert, der 99 % des CO2-Ausstoßes bei der Stromerzeugung erfasst. Den Emissionshandel gibt es seit 2005, und er befindet sich nun schon in der zweiten Handelsperiode. Die großen Börsen sind in Amsterdam und Leipzig. Dort werden die Emissionszertifikate gehandelt, die den Kraftwerken zugeteilt wurden. Aber wo auch immer die Zertifikate eingesetzt werden – da der Cap, also die Gesamtmenge der Zertifikate, in Brüssel festgelegt wird, kann das EEG den CO2-Ausstoß nicht verringern. Der grüne Strom, den es in Deutschland hervorbringt, verdrängt zwar den in Deutschland erzeugten Strom aus fossilen Quellen, doch zugleich verdrängt er auch die Emissionszertifikate aus Deutschland und senkt deren Preis. Zu dem niedrigeren Preis finden diese Zertifikate in anderen EU-Ländern Absatz und ermöglichen dort den Ausstoß von genauso viel zusätzlichem CO2, wie in Deutschland eingespart wird. Die Kohle- und Gaskraftwerke stehen dann eben in Polen oder Italien.

Das ist kein Nachteil des Emissionshandels, sondern ein Vorteil. Da der Handel einen einheitlichen CO2-Preis erzeugt, regt er überall in Europa Einsparaktionen an und treibt sie bis zu dem Punkt, an dem die letzte eingesparte Tonne CO2 so viel Vermeidungskosten verursacht, wie ein Zertifikat kostet, und da das Zertifikat überall gleich viel kostet, sind alle Vermeidungskosten für die letzte Tonne gleich. Das aber ist die Bedingung für eine Minimierung der Vermeidungskosten über alle Kraftwerksbetreiber in Europa. Das EEG kann diese Bedingung nur stören, und insofern die Stromkosten pro Kilowattstunde in Gesamteuropa erhöhen. Da freilich nur die deutschen Stromkosten steigen, während die Stromkosten der anderen Länder wegen der fallenden Preise der Zertifikate sinken, folgt, dass der deutsche Lebensstandard durch das EEG um mehr gesenkt wird, als er im Rest Europas steigt.

Das EEG nützt noch nicht einmal den grünen Technologien selbst, denn indem es den Preis des fossilen Stroms senkt, untergräbt es die Marktchancen des grünen Stroms im Rest Europas, der nicht in den Genuss der deutschen Einspeisetarife beim EEG kommt. […].

Zugunsten des EEG wird angeführt, dass damit der deutschen Industrie zukünftige Märkte erschlossen werden, auf denen sich einmal viel Geld wird verdienen lassen. Auch das Argument ist falsch. […] das EEG [hilft] den aus China importierten Anlagen für grünen Strom genauso wie den heimischen. Wenn man gezielt die deutschen Technologien fördern will, weil man sich Spill-over-Effekte verspricht, dann sollte man das Angebot der deutschen Hersteller statt der Nachfrage der deutschen Haushalte subventionieren.

Das Problem mit dem Argument der Markterschließung ist aber insbesondere, dass der Markt für die Erneuerbaren auf absehbare Zeit von öffentlichen Subventionen lebt und nicht vom ureigenen Interesse der Nachfrager getrieben ist. Was, wenn den Staaten das Geld ausgeht oder sie weniger umweltbewusst sind als der deutsche Staat? Dann produziert man für einen Markt, den es nicht gibt.

[…]

Hans-Werner Sinn
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft Präsident des Ifo Instituts

Der komplette Text kann hier oder in der Zeitschrift WirtschaftsWoche, Ausgabe 6, ab Seite 40 nachgelesen werden. (Quelle: ifo Institut/ml)