Chancen und Herausforderungen der vierten industriellen Revolution: Der Mittelstand kommt bei Industrie 4.0 nicht vor

Ein großer Teil des Mittelstands kann mit dem Begriff „Industrie 4.0“ noch gar nichts anfangen – das haben jüngere techconsult-Untersuchungen wiederholt gezeigt. Wo man die Zeichen der Zeit aber erkannt hat, nimmt die digitale Vernetzung der Fertigung offenbar Fahrt auf: Eine gemeinsame Themenstudie von PwC und Strategy& hat für Deutschland bis 2020 jährliche Investitionen in Industrie-4.0-Anwendungen von rund 40 Mrd. Euro errechnet – aber nicht im Mittelstand.

Die in der Studie „Industrie 4.0 – Chancen und Herausforderungen der vierten industriellen Revolution“ im dritten Quartal 2014 befragten 235 Industrieunternehmen aus Automobilzulieferung, Elektro- und Elektronikindustrie, Informations- und Kommunikationsindustrie, Maschinen- und Anlagenbau sowie aus der Prozessindustrie (Chemie, Petrochemie, Pharmazie, Lebensmittel, Zucker, Zellstoff, Papier, Glas, Stahl, Zement) werden in den nächsten fünf Jahren durchschnittlich 3,3 % ihres Jahresumsatzes in Industrie-4.0-Lösungen investieren. Bezogen auf die gesamte deutsche Industrie ergäbe das die erwähnte jährliche Investitionssumme von über 40 Mrd. Euro. Auch sonst gelangen die Autoren zu beeindruckenden Zahlen: So sollen 2020 bereits über 80 % der Unternehmen ihre Wertschöpfungskette digitalisiert haben und dabei 18 % Effizienzsteigerung erreichen, wobei digitalisierte Produkte und Services pro Jahr zusätzlich 30 Mrd. Euro für die deutsche Industrie erwirtschaften sollen.

Selbst wenn man die Hochrechnungen in aller Vorsicht als Trendanzeiger liest, ergibt sich daraus ein eher beunruhigender Aspekt: Denn obwohl den Autoren zufolge „in einem ausgewogenen Mischungsverhältnis sowohl große Konzerne mit einem Umsatz von mehreren Milliarden Euro als auch kleine und mittelständische Unternehmen“ befragt wurden, zeigt ein Blick auf die Größenverteilung (S. 48), dass 71 % davon bei einem Jahresumsatz von über 100 Mio. Euro liegen. Mittelständische Unternehmen, deren Jahresumsatz der Definition des IfM Bonn zufolge bei maximal 50 Mio. Euro liegt, verstecken sich mit ungewissem Anteil irgendwo in den restlichen 29 %.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) denkt sich diese Studie – sie „erfolgte mit der freundlichen Unterstützung von Siemens, dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sowie der Fachzeitung „Produktion“ – offenbar in der Peripherie. Wenn die Großen der Prozessindustrie etc. auf Industrie 4.0 umstellen, wird der beteiligte Mittelstand passiv mitziehen müssen, weil das Konzept digitaler Vernetzung sich über die gesamte Wertschöpfungskette erstreckt.

Dabei besteht momentan für kleine und mittlere Unternehmen noch die Chance, als Erste die Abläufe ihres eigenen Kerngeschäfts auf Industrie-4.0-Beine zu stellen – eben weil es vergleichsweise überschaubar ist. Solange die Standards (für den Datenaustausch etc.) noch nicht fix sind und Forschungskooperationen weiter Teilnehmer suchen, ist der Wettbewerb noch offen. Dass er bereits in vollem Gange ist, beweisen die diversen Initiativengründungen auf Länderebene (Baden-Württemberg z.B. bereitet für das Frühjahr 2015 eine Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg). Verlässlich ist also in jedem Fall die Kernaussage der PwC-/Strategy&-Studie: „Industrie 4.0 transformiert das gesamte Unternehmen und gehört auf die CEO-Agenda.“ Wie realistisch die großen Zahlen im Einzelnen sind, dürfte sich dann bereits in den kommenden Monaten erweisen.

Die Studie Studie „Industrie 4.0 – Chancen und Herausforderungen der vierten industriellen Revolution“ gibt es bei Strategy& kostenfrei als PDF zum Herunterladen. (Quelle: Strategy&/red)