Big Data: Social Media kündigen Kriege an

Mit computerbasierten Textanalysen versuchen Wissenschaftler derzeit, Kriege und andere politische Konflikte vorherzusagen. Dazu werten sie massenhaft Archive und Online-Daten aus.

Dr. Karsten Donnay von der ETH Zürich wertet mit einer computerbasierten Textanalyse Medienberichte und Social-Media-Beiträge aus und versucht, anhand des Tonfalls, der Häufung von bestimmten Begriffen und über Veränderungen in den Berichten die Stimmungen in der Bevölkerung zu bestimmen.

Ähnlich arbeitet Thomas Chadefaux am Trinity College in Dublin. Er durchsucht mit einem Big-Data-Tool die Beiträge aus dem Archiv von Google News sowie soziale Netzwerke nach Begriffen, die auf Spannungen hindeuten („Konflikt“, „Krise“, „Auseinandersetzung“, „Unruhen“, „Streit“, „Zwietracht“ etc.) Wenn sich das Vorkommen dieser Wörter innerhalb einer Woche häuft, leitet die Software daraus eine erhöhte Spannung ab; bei ungewöhnlich großen Abweichungen steigt die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Konflikts. Laut Chadefaux konnte er auf diese Weise durch die Analyse von 60 Mio. Zeitungsseiten den Ausbruch von 200 Konflikten zwischen dem Jahr 1900 und heute mit einer Genauigkeit von bis zu 85 % vorhersagen.

Dr. Kalev Leetaru von der Georgetown University in Washington hingegen sucht in der Berichterstattung von Print-, Radio- und Online-Medien nach Ereignissen wie etwa einer Häufung von Versammlungen oder vermehrten Anmeldungen bei Facebook und Twitter. Seine Software generiert Stimmungsbarometer und konnte bei der Analyse der Arabischen Revolution 2011 tatsächlich ab Mitte Januar einen heftigen Stimmungseinbruch feststellen. Am 25. Januar begann dann der Aufstand in Ägypten.

Die Konfliktforschung mittels Big-Data-Analysen steckt derzeit aber noch in den Kinderschuhen. Momentan arbeiten die Wissenschaftler an den Indikatoren, die in der Vergangenheit auf Konflikte hindeuteten. Eine Vorhersage, die sich tatsächlich erfüllte, gelang bisher noch nicht. Kritiker haben auch Zweifel, ob die Auswertung der Medienberichterstattung und der sozialen Netzwerke tatsächlich Erfolg versprechend ist, da es in vielen Ländern keine freie Presse gibt und Tweets und Facebook-Beiträge immer erst nach einem Ereignis entstehen. Die Forscher sind jedoch zuversichtlich, da sie über ihre Arbeit die Mechanismen, wie Konflikte entstehen, immer besser verstehen. Zusammen mit den Hinweisen aus der Datenanalyse könnten eines Tages tatsächlich einigermaßen genaue Prognosen zu politischen Entwicklungen möglich sein. (Quelle: Technology Review/rf)