Industrie 4.0, digitale Transformation und ein wachsender Druck, sich in technologischen Dingeals Erster den Vorteil zu verschaffen – die Herausforderungen für Unternehmen sind heute groß. Braucht es für ihre Bewältigung einen eigenen Vorstandsposten, einen „Chief Digital Officer“? In der Praxis hat er sich bisher kaum durchsetzen können.
Es sind die Unternehmensberater von Gartner, die den Stein ins Rollen gebracht haben. 2012 prognostizierten sie, dass innerhalb von drei Jahren rund 25 % der Betriebe einen CDO in ihren Reihen hätten. Die Realität hielt sich nicht daran: Im 2015 CIO Agenda Report kommt Gartner zu dem Ergebnis, dass die Quote rund 9 % beträgt – und seit geraumer Zeit auf diesem Niveau verharrt. In fast 40 % der Unternehmen haben die CIOs die Aufgaben mit übernommen, sodass Gartner mittlerweile wieder zurückrudert: „Does it matter?“
Was macht ein CDO – und warum?
Bisher hat sich noch kein allgemeingültiges Berufsbild für den CDO durchgesetzt. Grundsätzlich besteht aber Konsens, dass er verantwortlich für die digitale Transformation des Unternehmens ist. Dazu zählen sowohl Strategien für den internen Wandel als auch die Identifizierung neuer Geschäftsfelder. Er (oder sie) setzt den Rahmen für die Zukunftsfähigkeit des Betriebs und muss mit der wachsenden Komplexität und Schnelligkeit in der Arbeitswelt souverän umzugehen wissen.
Auf den ersten Blick erscheint die Schaffung einer CDO-Stelle also sinnvoll. Ohne Digitalkompetenz geht es nicht mehr, und nicht in jedem Unternehmen ist das nötige Know-how in der Führungsebene bereits vorhanden. Der Chief Digital Officer wäre in der Lage, das große Ganze im Blick zu haben, ohne sich zu sehr um das – ebenfalls nötige – Alltagsgeschäft kümmern zu müssen. Er nimmt also eine Querschnittsfunktion ein, die die Geschäftsbereiche zur Kooperation anhält. Die digitale Transformation ohne CDO, „on top“ oder nebenher voranzutreiben, wird der Größe der Aufgabe kaum gerecht.
Die Aufgaben sind da, aber die Position bleibt offen
Einerseits. Andererseits mehren sich kritische Stimmen, die in einer weiteren Position mit „Chief“ im Namen keinen Sinn sehen. Berater Jan Peterskovsky von DMK Innovation hält ein Digital Advisory Board für eine gute Alternative. Unter anderem sei es insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen schwierig, geeignete Bewerber für die Position des CDO zu finden. Ein digitaler Beirat, der Vorstand und Geschäftsführung mit Sachkenntnis unterstützt, habe den Vorteil, dass eine ganze Reihe namhafter Experten zur Konsultation zur Verfügung stünde. „Die außenstehende Position und der unverbindliche Charakter“ eines solchen Boards seien weitere Business-relevante Pluspunkte.
Die Einstellung eines CDO kann zudem in traditionell aufgestellten Firmen befremdlich wirken. Er hat zumindest am Anfang kaum Rückhalt in der Belegschaft, braucht diesen aber, um die nötigen Veränderungen angehen zu können. Zumindest einer Befürchtung widerspricht Forrester Research: dass der CDO von anderen Vorstandsmitgliedern als interne Konkurrenz gesehen wird. In der Praxis sei eine „exzellente Kollaboration“ zwischen CDO und CIO zu erkennen.
Wichtig ist, die Chancen zu erkennen
Namen sind Schall und Rauch, sagt ein deutsches Sprichwort. Während ein CDO für manche Unternehmen die richtige Lösung sein kann, scheidet sie für andere von vornherein aus – allein schon aus dem Grund, dass CDOs nicht wie Sand am Meer gibt. Die Titel sind zweitrangig, meint denn auch Analyst Nigel Fenwick: Worauf es ankommt, ist die Fähigkeit zu verstehen, wie digitale Technologie die Geschäftswelt künftig verändern wird – und was das für das eigene Unternehmen und seine Kunden bedeutet. (ds)