Die Smart Factories, die als Industrie-4.0-Modellfabriken neu auf der grünen Wiese entstehen, tun sich relativ leicht. In der Wirklichkeit der Produktion geht es aber meist um Bestandsanlagen aus der Zeit vor dem Internet der Dinge. Ihnen muss man smarte Intelligenz und IoT-Connectivity erst beibringen. Mit einem energieautarken Nachrüstsatz will die endiio GmbH den Markt aufrollen.
Die Retrofit Box von endiio unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von anderen IoT-Nachrüstlösungen. Auch sie versieht die Maschine mit Sensorik plus Kommunikationseinheit, die dann über ein IoT-Gateway die Maschinendaten auf eine Cloud-Plattform transportiert. Was bei endiio aber komplett entfällt, ist die Stromversorgung. Das Start-up kommt nämlich aus dem Micro Energy Harvesting an der Universität Freiburg, wo Gründer Dr. Tolgay Ungan an energieautarken Funksystemen arbeitete. Daraus entstand zusammen mit dem Österreicher Patrick Steindl zuerst SmartExergy (zur Überwachung von PV-Modulen), dann endiio, das nun direkt in Wien ansässig ist, den zweiten Standort in Freiburg aber beibehalten hat. So kommt es, dass sich die Retrofit Box mit selbst gewonnener Energie (Energy Harvesting) aus Licht und Umgebungstemperatur (ab 2 °C Differenz) sozusagen selbst betreibt.
Neben dieser Autarkie verspricht endiio außerdem komplette Wartungsfreiheit und führt als Pluspunkte ferner Echtzeitfähigkeit (Latenzen unter 5 ms), Hochverfügbarkeit und eine AES128-Verschlüsselung ins Feld. Mit den Boxen lassen sich Multi-Hop-Mesh-Netzwerke (ähnlich wie bei WLAN) aus bis zu 65.000 Datenendpunkten aufbauen. Nicht zuletzt funktioniert das Ganze „selbst bei Umgebungstemperaturen von 150 °C“, wie Dr. Ungan betont. Gegenüber anderen IoT-Netzen (LoRaWAN, Sigfox, NarrowBand IoT etc.) ist endiio damit vor allem in puncto Robustheit und Energie im Vorteil. Allerdings ist die firmeneigene Funktechnologie Ultra Low Power eben eine proprietäre Lösung, auch wenn die Anzahl an unterstützten Schnittstellen mehr als respektabel ist.
Den typischen Anwendungsfall von Monitoring (Zustandsüberwachung) bzw. Predictive Maintenance (vorauschauender Wartung) hat Dr. Ungan in seiner Präsentation der IoT-Sensorplattform zum VDMA-Start-up-Award 2018 so auf den Punkt gebracht: „60 Mio. Maschinen in Fabriken. 90 % sind nicht smart oder vernetzt. 70 % mehr als 15 Jahre alt, aber noch fit!“ Die Zahlen haben sich seitdem kaum geändert, die Logik dahinter bleibt unverändert: Warum vor lauter Digitalisierung teure Maschinen und Anlagen ausmustern, die noch tadellos funktionieren?