Drohende Zahlungsunfähigkeit: Wann eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt

Verantwortliche, die bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, machen sich strafbar. Schwierig wird es aber bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. Der BGH bezieht hier nämlich auch Forderungen mit ein, die „überwiegend wahrscheinlich“ sind.

Die letzte Chance gilt nicht mehr

Von Sabine Wagner

Die Frage, ob ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss, ist für jeden Geschäftsführer ein heikles Thema. Ein solcher Schritt entscheidet nicht nur über die Zukunft des Unternehmens, sondern birgt auch beträchtliche Risiken für den Geschäftsführer: Nicht zu früh und nicht zu spät gilt es, den Antrag zu stellen. Doch was bedeutet das konkret?

Ein Leitsatzurteil des Bundesgerichtshofs hat festgestellt, dass Zahlungsunfähigkeit bereits dann droht, wenn ihr Eintritt wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung. Das ist bei der Prognose also zu berücksichtigen.

Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzverschleppung

Die Zahlungsunfähigkeit im Insolvenzrecht richtet sich in allen Fällen nach § 17 Insolvenzordnung (InsO). Gemäß § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, „wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.“ § 18 Abs. 2 InsO definiert die drohende Zahlungsunfähigkeit. Sie liegt vor, wenn der Schuldner „voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.“

Die Zahlungsunfähigkeit ist nach § 16 InsO ein allgemeiner Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Geschäftsführer und Vorstände, die bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, machen sich gemäß § 15a Abs. 4 InsO strafbar. Das Strafmaß beträgt bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Thema: Insolvenz
Ein juristischer Dreiteiler erläutert alles, was Unternehmer über das Insolvenzverfahren wissen müssen: Teil 1 erklärt die Prinzipien und listet die Antragsberechtigten nach Gesellschaftsform. Teil 2 geht die Abläufe im Einzelnen durch und bespricht die wichtigsten Stationen bis zum Schlusstermin. Teil 3 hat kompakt praktische Tipps für Insolvenzschuldner und -gläubiger parat. Daneben geben Schwerpunktbeiträge Auskunft darüber, was im Angesicht drohender Insolvenz zu tun ist, wie der Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit gefasst ist, was Überschuldung heißt und welche Alternativen im Fall von Insolvenz durch Überschuldung noch offen stehen, was mit Lizenzen in der Insolvenz geschieht, welchen rechtlichen Status Gesellschafter im Insolvenzverfahren haben, wie das Verhalten in der Insolvenz die Abläufe beeinflusst und wie die Planinsolvenz in Eigenverwaltung (im Schutzschirmverfahren) funktioniert.

Prognose mit Wahrscheinlichkeitsrechnung

Bei der Prognose, die für die Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit aufzustellen ist, können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Dezember 2013, Az. IX ZR 93/11) auch Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, deren Fälligkeit im Prognosezeitraum zwar nicht sicher, aber überwiegend wahrscheinlich eintreten.

Im konkreten Fall hatte die finanzierende Bank des Unternehmens wegen eines erhöhten Kreditrisikos bereits mehrmals die Absicherung der gewährten Kredite gefordert und andernfalls die Kündigung der Kredite angedroht. Die Kündigung der Bank erfolgte mehrere Monate später.

Bei der Prognose müsse die vollständige Finanzlage des Unternehmens berücksichtigt werden, einschließlich der Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten. Hierbei reicht es aus, wenn aufgrund vorliegender Umstände überwiegend wahrscheinlich sei, dass eine Fälligstellung der Verbindlichkeiten im Prognosezeitraum erfolge.

Diese überwiegende Wahrscheinlichkeit bejahte der BGH im vorliegenden Fall aufgrund der Forderung der Bank nach Besicherung der Kredite und der Androhung der Kündigung der Kreditverträge, falls eine Absicherung nicht erfolge.

Strategien zur Insolvenz
Im aktuellen Ratgeber sagt Axel Oppermann, wie sich Geschäftsführer am besten auf eine Insolvenz gefasst machen und dabei die Firma, ihre Assets und sich selbst schützen. Er skizziert außerdem, welche Maßnahmen es gibt, um unter Umständen die Insolvenz noch einmal abzuwenden. Woher dieses Wissen kommt, erzählt er offen im Interview: aus eigener Erfahrung.

Fazit: Vorhersage mit Haftungsrisiko

Auch mögliche Forderungen, deren Fälligkeit das Unternehmen nicht steuern kann, sind also in die Prognose miteinzubeziehen, um festzustellen, ob eine drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Gegebenenfalls ist dann bereits auf dieser Grundlage ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.

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