CMIS: Welche Standards für Fach­verfahren funktionieren

Beschäftigt man sich im kom­munalen Um­feld mit E-Govern­ment-Stra­te­gien, kommt man am Thema ECM-Ein­führung nicht vorbei. Ein Enter­prise Content Manage­ment führt haus­weit ein­heit­lich Infor­ma­tio­nen und Daten zu­sammen. Dazu ist je­doch eine prak­ti­kable An­bin­dung der be­stehen­den Fach­verfahren unerlässlich.

ECM bei weniger Aufwand besser implementiert

Von Robert Wander, Optimal Systems, und Philipp Perplies, codia Software

In den Kommunen sind, je nach Größe, bis zu 100 Fachverfahren im Einsatz. In der Praxis wirft das regelmäßig Schnittstellenprobleme auf, denn die Anbindung eines Fachverfahrens bedarf derzeit bilateraler Abstimmungen zwischen dem jeweiligen Hersteller und dem jeweiligen ECM-Anbieter (Enterprise Content Management). In Anbetracht eines sehr heterogenen kommunalen Softwaremarkts führt dies zu einer immensen Anzahl an Schnittstellen.

Wir haben einmal versucht, die Summe der Fachverfahrenshersteller sowie der Summe der am Markt aktiven ECM-Anbieter zu erheben. Mangels Marktübersicht wurde auf jene Hersteller zurückgegriffen, die entweder auf der CeBIT 2017 ausstellen, auf der KOMMUNALE 2015 ausgestellt haben oder im DATABUND (Bundesverband der mittelständischen IT- Dienstleister und Softwarehersteller für den öffentlichen Sektor e.V.) organisiert sind. Der Befund: Aus 101 Fachverfahren und 10 ECM-Anbietern ergibt sich eine Anzahl von 1010 potenziellen Schnittstellen.

Synergien der Schnittstellenentwicklung

Schnittstellen sind zunächst wichtig und notwendig; sie sind, mit den Worten der Umsetzungsberatung Winfried Berner, „der unvermeidliche Preis der Arbeitsteilung“. Neben den jeweils notwendigen Abstimmungen und Entwicklungsarbeiten für die Ersterstellung sind sie jeweils auch mit Wartungsaufwänden verbunden. Die überwiegende Mehrheit der Schnittstellen ist dabei funktional sogar ähnlich bis deckungsgleich. Die Unterschiedlichkeit beruht auf ihrem Projektcharakter: Eine Schnittstelle wird meist dann entwickelt, wenn sie in einem Projekt das erste Mal benötigt wird. Niemand kann und will es sich leisten, Schnittstellen auf Vorrat zu produzieren. Doch genau dies ist der Ansatz, dem der DATABUND nun folgt und der eine ganze Reihe Vorteile bietet.

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Robert Wander, E-Government-Mentor Optimal Systems Vertriebgesellschaft mbH, ist Arbeitsgruppenleiter Technische Zusammenarbeit DMS beim DATABUND. Philipp Perplies, Produktmanager codia Software GmbH, ist stv. Arbeitsgruppenleiter Technische Zusammenarbeit DMS Beim DATABUND.


DATABUND – Verband der mittelständischen IT- Dienstleister und Softwarehersteller für den öffentlichen Sektor e.V., Europaplatz 2, 10557 Berlin, Tel.: 030-220 661 600, info@databund.de, www.databund.de

Es geht dabei um nichts weniger als um die Schaffung einer einheitlichen Standardschnittstelle zur Kombination der kommunalen Fachverfahren mit den ECM-Systemen. Es ist zwar klar, dass die Komplexität und Vollintegration von Fachverfahren damit nicht zu erreichen ist, doch bietet dieser Ansatz eine Lösung für jene Menge an Schnittstellen, die deckungsgleiche Funktionalitäten fordern. Dazu zählen im ersten Schritt sicherlich die CRUD-Funktionen (Create, Read, Update and Delete), also das Erstellen, Lesen, Aktualisieren und Löschen von Dokumenten.

Vorteil gemeinsamer Standard

Viele der am kommunalen Markt befindlichen Fachverfahren stammen von kleinen und mittleren Unternehmen, die den Aufwand einer lösungsspezifischen Schnittstellenerstellung aufgrund der Preisstrukturen nicht auf den Kunden umlegen können (das ist zugleich einer der Gründe, der gegen die Bevorratung von Schnittstellen spricht). Daraus ergibt sich dann eine Negativspirale: Die Hersteller der Fachverfahren entwickeln keine Schnittstellen, da diese nicht ausreichend nachgefragt werden, der Kunde fragt sie aber auch nicht nach, da eine Projektlösung oft zu teuer ist. Haben die Fachverfahren jedoch eine Schnittstelle, die bereits über die CRUD-Funktionalitäten verfügt, so kann im Rahmen eines Projekts eine Erweiterung der Funktionalitäten angegangen werden, was in Summe die Qualität der verfügbaren Anbindungen steigern wird.

Für die ECM-Anbieter ergeben sich ebenfalls Vorteile. Dazu gehört, dass die ECM-Systeme sich deutlich einfacher und einheitlicher in die bestehende Fachverfahrenslandschaft integrieren lassen und so im Endeffekt die angestrebten E-Government-Vorgaben realistischer einzuhalten sind. Denn Schnittstellen, die nicht funktionieren oder erst noch zu entwickeln sind, erweisen sich oft als Projektbremsen. Die Wirtschaftlichkeit wird so auf beiden Seiten optimiert, und ECM-Anbieter erzielen bei Ihren Kunden einen deutlich höheren Einführungsgrad.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Bei­trag erschien zuerst in unserer Reihe „Kommunale ITK“ zur CeBIT 2017. Einen Über­blick mit freien Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Die Erfahrung zeigt, dass die Herausforderungen technischer Art in Digitalisierungsprojekten nur 20 % ausmachen. 80 % der Aufgaben sind organisatorischer Natur. Von daher ist es auch im Sinne des Kunden, wenn dieser sicher sein kann, dass in den rein funktionalen 20 % eines Einführungsprojekts nicht noch unerwartete Aufwände lauern. Darüber hinaus ergeben sich durch die Fokussierung der zur Verfügung stehenden Mittel bei den Softwareherstellern für die Verwaltungen bessere Schnittstellen. Langfristig betrachtet werden die ECM-Projekte damit sowohl erfolgreicher als auch im Idealfall preisgünstiger werden, wenn Schnittstellen, die auf Standards basieren, nicht mehrfach erworben werden müssen.

CMIS mit Funktionskatalog

Im Rahmen seiner Arbeitsgruppe für technische Zusammenarbeit im Bereich ECM hat der DATABUND den Markt der vorhandenen Standards sondiert und nach reiflicher Überlegung die Anwendung eines Industriestandards für den öffentlichen Sektor beschlossen. Mit CMIS (Content Management Interoperability Services) wurde bereits ab 2010 von IT-Giganten wie Microsoft, IBM und Oracle ein Standard vorangetrieben, um den Zugriff auf ECM-Systeme zu vereinheitlichen. Im Wesentlichen kann man mit dieser Lösung, die unter dem Dach des Standardisierungsgremiums OASIS entwickelt wird, auf ein beliebiges ECM-Verfahren zugreifen, ohne dass man dessen jeweilige Besonderheiten kennen müsste. Dies wird ermöglicht, indem das ECM eine zusätzliche Logikschicht zur Verfügung stellt, die nach fest definierten Regeln Funktionalitäten anbietet.

Der CMIS-Standard findet seit seiner Entwicklung zunehmend Verbreitung im nicht öffentlichen Umfeld. Hauptkritikpunkt ist die Menge an optionalen Kriterien und Funktionen. Diesen Mangel ist der DATABUND bestrebt auszugleichen, in dem er im Rahmen seiner Arbeit in jährlichen Zyklen die Summe der verpflichtenden Funktionen für den öffentlichen Bereich anhebt, bis ein von allen beteiligten Unternehmen zu bestimmendes Signifikanzniveau erreicht ist. Der DATABUND-CMIS-Standard wird allen Seiten Vorteile bringen. Der Erfolg liegt hier in der Zusammenarbeit zwischen den ECM-Anbietern und den Fachverfahrensherstellern.

Der erste Entwurf wurde in der DATABUND-Gruppe bereits abgestimmt und verabschiedet. Im nächsten Schritt arbeiten die technischen Spezialisten der Hersteller zusammen und entwickeln erste Prototypen.
Bereits 2017 sollen die ersten Prototypen auf den einschlägigen Messen präsentiert werden, unter anderem auf der KOMMUNALE 2017 (18.–19. Oktober) in Halle 9 am DATABUND-Stand 9-310.

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