Smart-City-Beispiele im deutschen Südwesten: Wie digital die Kom­mu­nen im Süd­westen sind

In Hessen, Baden-Würt­tem­berg und im Saar­land sind zahl­reiche Me­tro­pol­regionen auf dem digi­ta­len Vor­marsch – Darm­stadt wurde gar Bit­kom-Preis­träger. Klas­si­sche In­du­strie­stand­orte an Rhein, Main und Neckar ent­wickeln sich zu Smart Cities, aber auch regio­nale und kom­mu­nale Ini­tia­ti­ven werden gefördert.

Das digitale Klima am Oberrhein

Von Friedrich List

Im Südwesten der Republik arbeiten drei Bundesländer– Hessen, Baden-Württemberg und das Saarland – an Digitalisierungsstrategien, in denen u. a. Smart-City-Lösungen eine wichtige Rolle spielen. Daher findet sich dort auch ein breites Spektrum an Projekten und Initiativen für die Stadt der Zukunft. Hinzu kommen Ansätze zur Digitalisierung ländlicher und kleinstädtisch geprägter Regionen. In Hessen liegt aber auch Frankfurt, die Stadt mit der leistungsfähigsten digitalen Infrastruktur der Republik, die zudem ein wichtiger Knotenpunkt im globalen Kommunikationsnetz ist. Und das nahe gelegene Darmstadt wurde für seine Smart-City-Initiativen sogar ausgezeichnet. Doch auch digital weniger profilierte Städte wie Mannheim verfolgen eigene Strategien, die durchaus erste Erfolge vorweisen können.

Flächendeckend smart

Denn Hessens Nachbarland Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das sich selbst eine ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie verordnet hat. Im Musterländle ist die Digitalisierung Chefsache. Es gibt einen Kabinettsausschuss zum Thema, wobei die Federführung beim Innenministerium liegt. Dort ist auch das Büro des Chief Information/Chief Digital Officers (CIO/CDO) angesiedelt.

Das Land wendet fast eine Milliarde Euro auf, um sich auf die digitale Zukunft vorzubereiten. Etwa die Hälfte davon gibt Baden-Württemberg für den Ausbau seiner digitalen Infrastruktur aus. 300 Millionen Euro fließen als Fördergelder an über 70 Projekte in Bereichen wie Gesundheit, Wirtschaft 4.0, intelligente Mobilität oder digitale Verwaltung. Unter den geförderten Projekten finden sich Chatbots für die Bürgerkommunikation mit dem Rathaus, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Serviceroboter im Bürgerbüro. Viele klassische Industriestädte in Baden-Württemberg haben mittlerweile Smart-City-Initiativen auf den Weg gebracht.

Serie: Smart City

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Teil 1 gibt eine erste Einführung und stellt als Beispiele die Konzepte in Hamburg, Berlin und Göttingen vor. Teil 2 geht nach Bayern und berichtet, was sich in den Münchner Modellvierteln tut. Teil 3 wechselt über die Grenze nach Österreich – dort hat man nämlich bereits eine nationale Smart-City-Strategie und ist führend im Passivhausbau. Teil 4 stürzt sich dann mitten in die Metropolregion Ruhrgebiet und berichtet unter anderem von der digitalsten Stadt Deutschlands. Den deutschen Südwesten nimmt sich zuletzt Teil 5 dieser Serie vor. Ein Extrabeitrag hat außerdem Beispiele dafür zusammengetragen, was Green IT zur Smart City beitragen kann. (Bild: zapp2photo – Fotolia)

Außerdem unterstützt das Land auch den Aufbau digitaler Infrastrukturen in der Fläche. Ländliche Gemeinden werden dann bald ebenso gut vernetzt wie die smarten Metropolen. So war unter den Gewinnern des Wettbewerbs Digitale Zukunftskommune@bw auch ein Verbund um die Landkreise Biberach, Böblingen, Karlsruhe, Tuttlingen und Konstanz.

Doch auch das kleinste deutsche Flächenland, das Saarland, hat jüngst mit DigitalStarter Saarland ein Förderprogramm für kleine und mittlere Unternehmen aufgelegt, das den heimischen Firmen dabei helfen soll, ihre Informations- und Kommunikationstechnik zu modernisieren. Die Hauptstadt Saarbrücken geht mit gutem Beispiel voran. Sie hat sich mit einem Konzept der Stadtwerke auf den Weg zur Smart City gemacht. Teil des Konzepts sind smarte Stromzähler, Sensoren zur Verfolgung von Verkehrsströmen und zur Überwachung von Parkflächen oder eine Straßenbeleuchtung mit intelligenter Steuerung.

Masterplan für Frankfurt

Recht weit fortgeschritten sind große urbane Zentren, so etwa die Ballungsräume im Rhein-Main-Gebiet mit den Kernstädten Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und Darmstadt. Frankfurt am Main ist nicht nur Deutschlands wichtigstes Finanzzentrum. Die Mainmetropole ist auch so etwas wie die deutsche Digitalhauptstadt, denn hier finden sich die wichtigsten nationalen und internationalen Schnittstellen für das Internet und die Telekommunikation. Über den zentralen Knoten De-CIX laufen mehr als 80 % des deutschen Internet-Verkehrs. Und obwohl die Stadt bei Themen wie dem Breitbandausbau immer noch schwächelt, ist die Netzdichte eine der höchsten in der Republik. WLAN-Hotspots sind allgegenwärtig; zudem verfügen mehr als 60 % der Einwohner über einen Internet-Anschluss.

Die Stadt hat zahlreiche Initiativen für ein zeitgemäßes E-Government aufgelegt, mit dem Ziel, dass Bürger viele ihrer Anliegen schneller vorantreiben können und speziell Gewerbeansiedlungen erleichtert werden. Ein wichtiger Baustein dieses E-Government-Programms ist das Projekt Geodateninfrastruktur Frankfurt am Main (GDI-FFM), mit dem den Bürgern städtische Raumdaten online zur Verfügung stehen. So soll eine schnelle Orientierung über öffentliche Angebote wie Kitas oder Schulen, den Nahverkehr, aber auch über einen möglichen Gewerbestandort ermöglicht werden.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Auch in der Standortpolitik trägt Frankfurt der Digitalisierung Rechnung. Der 2015 formulierte Masterplan Industrie sieht einen Planungsprozess zur flächendeckenden Versorgung mit digitaler Infrastruktur vor. So soll es ein digitales Gewerbegebiet geben, in dem den Nutzern Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 1 GBit/s zur Verfügung stehen. Die Energieversorgung soll digitalisiert, also smart werden, um Ressourcen effektiver zu nutzen und gleichzeitig den Gesamtverbrauch zu senken. Speziell der Schutz der Umwelt ist Thema des Masterplans 100 % Klimaschutz. Er will sicherstellen, dass bis 2050 der Energieverbrauch in Frankfurt um 50 % sinkt und gleichzeitig vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt wird.

Maschinennetz am Main

Zudem gehört Frankfurt zu den Städten, in denen der Kommunikationskonzern Vodafone sein sogenanntes Maschinennetz installiert hat. Seit September deckt dieses Netz etwa 99 % des Stadtgebiets ab. Es nutzt Niedrigfrequenzmobilfunk (Narrowband IoT), was auch die Vernetzung von Geräten erlaubt, die in Kellerräumen oder hinter Betonwänden stehen. „Wir legen ein neues Netz über Deutschland und bauen die Infrastruktur für das Internet der Dinge. Ab sofort funkt unser hochsicheres und effizientes Maschinennetz auch in Frankfurt. Das nutzt den lokalen Unternehmen und macht die Innenstädte smart“, so Dr. Eric Kuisch, Geschäftsführer Technik bei Vodafone Deutschland.

Über das Maschinennetz können Strom- und Wasserzähler ihre Daten kontinuierlich übermitteln und so die Besuche von Ablesern überflüssig machen. Vernetzte Mülleimer können ihren Füllstand melden und damit die Routenplanung für die Müllabfuhr erleichtern. Sensoren in Lagerhallen oder auf dem Bahnhof können Frachtgut überwachen und beispielsweise Alarm geben, wenn Unbefugte versuchen, auf das Grundstück zu gelangen. Das Maschinennetz erlaubt Anwendungen wie etwa digitale Stromzähler, intelligente Straßenbeleuchtung, bessere Routenplanungen für Logistikdienste oder eine optimierte Parkraumbewirtschaftung: Sensoren überwachen öffentliche Parkflächen und melden, wo freie Parkplätze zur Verfügung stehen. Über mobile Endgeräte können sich dann Verkehrsteilnehmer über die Parkplatzsituation an ihrem Zielort informieren.

Allerdings gibt es auch Kritik. So bemängelt etwa der Verein Digital Hub FrankfurtRheinMain e.V. in einer Studie vom Herbst 2017, dass die Region längst nicht so weit ist, wie sie sein könnte. Zwar wird die digitale Infrastruktur als vorbildlich und leistungsfähig beschrieben, aber sie werde eben primär von den verschiedenen Betreibern getragen. Sorgen bereite auch der Ausbau einer leistungsfähigen Gigabit-Infrastruktur für die Zukunft. Zudem leide die Qualität der Stromversorgung unter dem bundesweiten Netzumbau.

Darmstadt wird Modellstadt

Dagegen bietet das benachbarte Darmstadt ein anderes Bild. Die Stadt gewann 2017 den vom Digitalverband Bitkom ausgelobten Wettbewerb Digitale Stadt. Dadurch bekam Darmstadt Zugang zu umfangreichen Investitionsmitteln vom Land Hessen und aus der Wirtschaft. Hessen sicherte zehn Millionen Euro zu, außerdem stellten Bitkom-Unternehmen einen zweistelligen Millionenbetrag für Beratungen und Sachleistungen in Aussicht. Nun wird Darmstadt zur Smart City und gleichzeitig zur digitalen Modellstadt umgebaut.

Das Projektmanagement nahm Mitte 2018 seine Arbeit auf. Als Nächstes werden nun Bereiche wie die Telekommunikation, die Energieversorgung, der Verkehr, Schulen und das Gesundheitswesen auf die neuesten digitalen Technologien umgestellt. Die öffentliche Verwaltung soll in naher Zukunft moderne E-Government-Lösungen anbieten können.

„Die Bewerbung von Darmstadt hat die Jury vor allem aufgrund ihrer ausgewogenen Einbeziehung der verschiedenen Themenbereiche und Facetten einer digitalen Stadt überzeugt. Die bereichsübergreifende Vernetzung aller Sektoren mit dem Fokus auf hochprofessionelle Cybersicherheit ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Digitale Stadt Darmstadt“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder anlässlich der Preisverleihung. Als erste Lösungen sind autonom fahrende Kleinbusse, eine App für die Verkehrsführung sowie Mülltonnen, die ihren Füllstand melden, geplant. Die Verantwortlichen hoffen, dass die hohen Investitionen weitere Interessenten anziehen und die Stadt für Unternehmen attraktiver machen.

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Das Smart Grid Mannheim nutzt das Stromnetz auch als Powerline-Datennetz. Die Smart Meter Gateways stammen von PPC (Power Plus Communications), einer Ausgründung der MVV Energie AG. (Bild: Power Plus Communications)

Smart Grid für Mannheim

Ebenfalls Modellstadt ist Mannheim. Hier geht es vor allem um sogenannte Smart Grids, die intelligenten Stromnetze der Zukunft. Realisiert wird das Projekt unter dem Dach des E-Energy-Förderprogrammes der Bundesregierung. Die Projektpartner, darunter IBM, PPC und die MVV Energie AG, wollen die konventionellen Netze in intelligente Netze verwandeln. Das gesamte Stromnetz umfasst rund 125.000 Haushalte, von denen rund 3000 mit Anwendungen zur intelligenten Bedienung von Haushaltsgeräten ausgerüstet und an das eigentliche Smart Grid angeschlossen werden. Die Daten werden dann verschlüsselt an den Energieversorger MVV Energie übertragen.

Serie: Smart Grids

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Teil 1 fängt dort an, wo derzeit der Schuh drückt: Der Umstieg auf erneuerbare Energien macht bei vielen dezentralen Erzeugern die Netzstabilität zu einem schwierigen Balanceakt. Die erste Aufmerksamkeit gilt darum (Puffer-)Speichern, Smart Metern – und eben flexiblen Netzen. Das Schüsselstichwort hierzu lautet „Sektorenkopplung“. Teil 2 berichtet aus Nordrhein-Westfalen, welche konkreten Lösungen für Smart Grids dort bereits im Einsatz sind. Teil 3 geht in den Süden und berichtet, wie Bayern bis 2050 seine Energie CO₂-neutral erzeugen will. Ein Extrabeitrag berichtet vom Neubau des 50Hertz-Rechenzentrums, außerdem gibt es einen Smart-Grid-Report aus Österreich. Weitere Regionalreports sind in Vorbereitung. (Bild: EMH metering)

Gleichzeitig soll das Mannheimer Strom- auch zum Kommunikationsnetz werden, über das Haushalte, Messgeräte und die verschiedenen Energieversorger miteinander kommunizieren können. Auf diese Weise wissen die Versorgungsunternehmen jederzeit, wie viel Strom eingespeist wird. Außerdem soll die Verbrauchssteuerung dafür sorgen, dass das Netz immer im Gleichgewicht bleibt – eine Anwendung, die in keiner Smart-City-Werkzeugkiste fehlen darf.

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Friedrich List ist Journalist und Buch­autor in Hamburg. Seit Anfang des Jahr­hunderts schreibt er über Themen aus Computer­welt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raum­fahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Inter­nationalen Raum­station. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.

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