Smart Grids: Wie Sonne, Wind und Wasser in die Strom­netze kommen

Bislang standen erneuerbare Energien im Zentrum der Bemühungen um eine echte Energie­wende hin zu einem öko­logischeren Versorgungs­system. Nur steht Sonnen- und Wind­energie leider nicht gleich­mäßig zur Verfügung. Smart Grids, also intelligente Versorgungs­netze, sollen sich um den Aus­gleich kümmern.

Selbstregelnde Energienetze

Von Friedrich List

Mittlerweile wird Strom zunehmend dezentral erzeugt. Es gibt nicht nur große, leistungsstarke Kraftwerke, sondern auch viele kleine und kleinste Erzeuger, Industriebetriebe und sogar Privathaushalte. Es wird weiterhin konventionelle Großkraftwerke geben, aber auch Windfarmen, Fotovoltaik und Wasserkraft. Wichtig werden also der Energiemix und das intelligente Management der Lasten im Netz. Ebenso braucht man Speicherkapazitäten, damit überschüssige Sonnen- oder Windenergie nicht wie heute einfach abgeregelt werden muss.

Die Antwort auf diese Problematik sind die sogenannten Smart Grids. Sie bestehen aus intelligenten Stromnetzen und Stromspeichern sowie Technologien zum Lastmanagement. Ein Smart Grid sorgt im Idealfall selbstregelnd dafür, dass zwischen den verschiedenen Erzeugern keine Konflikte entstehen und dass das Zusammenwirken von Erzeugung, Netzmanagement, Speicherung und Verbrauch reibungslos läuft. Das herkömmliche Stromnetz braucht dazu allerdings eine gewisse „Intelligenz“, mit anderen Worten: neue Mess-, Steuer- und Regelungstechnologien.

Umwandlung und Sektorenkopplung

Beim Konzept von Smart Grids spielt die Sektorenkopplung eine wesentliche Rolle. Gemeint ist damit die ganzheitliche Betrachtung aller energieerzeugenden und verbrauchenden Systeme. Unter dem Aspekt der Sektorenkopplung werden Strom, Fernwärme, Wasser- und Abwasserinfrastrukturen, aber auch Verkehrssysteme wie Straßenbeleuchtung und Ampeln zum Teil des Energiesystems der Zukunft. Abnehmer wie Lieferanten von Energie werden nicht isoliert betrachten, sondern als Teil des Systems.

Das könnte etwa so funktionieren: Strom entsteht nicht nur in Kraftwerken, sondern auch in dezentralen Windkraft-, Biogas- oder Fotovoltaikanlagen. Überschüssige Energie wird in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert, um bei Bedarf über eine Brennstoffzelle wieder in Strom und in Wärme verwandelt zu werden. Gleichermaßen könnten Talsperren oder Druckluftspeicher als Energiereservoirs genutzt werden. Auch wenn das E-Auto nicht nur Verbraucher ist, sondern nachts als Pufferspeicher dient, ist das ein plakatives Beispiel von Sektorenkopplung. Ebenso sind sämtliche Szenarien, die unter dem Label „Power to X“ laufen, praktizierte Sektorenkopplung.

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Beim Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. begreift man die Sektorenkopplung über die Strom-, Wärme- und Gasnetze hinweg, inklusive Verkehr, als Schlüssel zu einer erfolgreichen Energiewende. (Bild: DVGW)

Speicherbänke und Smart Meter

Ein wichtiges Element von Smart Grids sind intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter. Diese Idee ist an sich nicht neu. Bereits seit den 1990er Jahren nutzen sie viele Großanwender. Im Prinzip handelt es sich dabei um einen Zähler, der Teil eines Kommunikationsnetzes ist und digitale Daten sendet und empfängt. Der intelligente Stromzähler übermittelt Daten zum Stromverbrauch und empfängt beispielsweise Tarifänderungen.

Unternehmen wie EMH metering in Gallin zeigen, welche Möglichkeiten die intelligenten Stromzähler heute bieten. EMH beliefert den Markt für Haushaltszähler und Kommunikationstechnik, hinzu kommen Stromversorger, aber auch Gewerbe- und Industriebetriebe – die brauchen den Überblick über den Stromverbrauch ihrer Maschinen, ebenso wie Flughäfen oder Industrieparks, die ihre Verbraucher im Rahmen intern (Submetering) abrechnen müssen.

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Im Portfolio von EMH metering ist der eBZD in der Generation G der FNN-Basiszähler (Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE), ein intelligentes Messsystem gemäß Messstellenbetriebsgesetz. (Bild: EMH metering)

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Das dazu passende Smart Meter Gateway CASA ist die Kommunikationseinheit. Es ist interoperabel ausgelegt und lässt sich auch mit Zählern und Schaltgeräten anderer Hersteller verbinden. (Bild: EMH metering)

Innovative Energie- und Speicherlösungen produziert beispielsweise SENEC in Leipzig, seit 2018 unter dem Dach der EnBW. Wer seinen Strom selbst erzeugt, kann sich einen Batteriespeicher in die Garage oder in den Keller stellen. Eine andere Möglichkeit, die das Unternehmen bietet, ist der Cloud-Speicher: Wer mehr Strom produziert, als er verbraucht, kann den Überschuss in die Cloud des Unternehmens weiterleiten. Dort wird er einem virtuellen Stromkonto gutgeschrieben. Von dort kann der Kunde ihn dann je nach Bedarf abrufen, etwa an Schlechtwettertagen oder im Winter.

Serie: Smart Grids

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Teil 1 fängt dort an, wo derzeit der Schuh drückt: Der Umstieg auf erneuerbare Energien macht bei vielen dezentralen Erzeugern die Netzstabilität zu einem schwierigen Balanceakt. Die erste Aufmerksamkeit gilt darum (Puffer-)Speichern, Smart Metern – und eben flexiblen Netzen. Das Schüsselstichwort hierzu lautet „Sektorenkopplung“. Teil 2 berichtet aus Nordrhein-Westfalen, welche konkreten Lösungen für Smart Grids dort bereits im Einsatz sind. Teil 3 geht in den Süden und berichtet, wie Bayern bis 2050 seine Energie CO₂-neutral erzeugen will. Ein Extrabeitrag berichtet vom Neubau des 50Hertz-Rechenzentrums, außerdem gibt es einen Smart-Grid-Report aus Österreich. Weitere Regionalreports sind in Vorbereitung. (Bild: EMH metering)

Initiativen von Bund und Ländern

Die Bundesregierung fördert seit 2016 SINTEG, das „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“. Der Bund stellt hier 500 Millionen Euro bereit. In fünf Modellregionen entstehen nun Projektlösungen für eine sichere Energieversorgung mit einem hohen Anteil fluktuierender Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie. Drei dieser „Schaufenster liegen im Norden und Nordosten der Republik: „Enera“ ist im Nordwesten Niedersachsens angesiedelt, auf der ostfriesischen Halbinsel. „NEW 4.0“ umfasst die Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein. Und zu „WindNODE“ gehören die fünf ostdeutschen Bundesländer sowie das Land Berlin.

  • Enera“ soll durch technisches Nachrüsten von Verbrauchern, Erzeugern und Speichern sowie durch die Modernisierung des Netzes selbst die Versorgung flexibler machen. Jüngst schlossen die Verantwortlichen eine Vereinbarung mit der großen Strombörse Epex Spot, um mit deren Hilfe eine kleinere, regionale Strombörse aufzubauen. Die durchgreifende Ausstattung mit digitaler Sensor- und Regeltechnik soll zudem eine gute Datenbasis für zukünftiges Netzmanagement erbringen. Dezentrale Anlagen sollen regional durch Einspeisungen dafür sorgen, dass das Netz stabil bleibt.
  • NEW 4.0“ hat ein ehrgeiziges Ziel: Das Vorhaben soll beweisen, dass sich die Gesamtregion Hamburg und Schleswig-Holstein schon 2025 zu 70 % aus erneuerbarer Energie versorgen kann. Besonders wichtig ist daher das Sammeln von Erfahrungen beim Umgang mit lokalen Stromüberschüssen. Das Abschalten von Windenergieanlagen bei örtlicher Überlast soll durch Stromexporte vermieden werden. Außerdem soll der Verbrauch durch Sektorenkopplung, intelligentes Lastmanagement und Speicher flexibler bedient werden.
  • WindNODE“ wiederum untersucht das Zusammenwirken großer Mengen erneuerbarer Energien in einem flexiblen System aus Strom, Wärme und Mobilität. Produkte und Dienstleistungen, die das traditionelle Geschäft des mengengestützten Energieabsatzes ergänzen, sollen entstehen. Außerdem wollen die Verantwortlichen verbindliche Standards für Verbraucherschutz und Datensicherheit erarbeiten, um alle Akteure in einem zukünftigen „Internet der Energie“ vor Missbrauch zu schützen.
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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen bereits verfügbaren Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Stadtwerke in der Energiewende

Ob Metropolen wie Leipzig, Berlin und Hamburg oder aber kleinere und mittelgroße Kommunen – die weitaus meisten Städte sind dabei, intelligente Strom- und Versorgungsnetze aufzubauen. Nur so, sind die Verantwortlichen überzeugt, lassen sich Klimaschutz und steigender Energiebedarf miteinander vereinbaren. So bieten die Stadtwerke in Leipzig eine Kombination von kundeneigener Fotovoltaikanlage und Batteriespeicher an, die mit dem Gesamtnetz verbunden wird. Überproduktion wird ins Netz eingespeist und vergütet; wenn der eigene Strom des Kunden nicht reicht, zapft er im Gegenzug das Netz an. Überwacht wird das alles durch vernetzte Smart Meter. Der Energieversorger Stromnetz Hamburg hat bereits über 3100 Erzeugungsanlagen unterschiedlicher Kategorien an sein Netz angeschlossen. Mehr und mehr kleinere und dezentrale Anlagen kommen dazu, die ihre Energie aus Wind, Sonne oder Biomasse beziehen.

Stromnetz Berlin, das die Energieinfrastruktur der Bundeshauptstadt betreibt, hat sich ebenfalls auf den Weg gemacht, aus seinem Netz ein intelligentes Strom- und Versorgungsnetz zu machen. In Berlin stehen auch im Rahmen von WindNODE geförderte Projekte. Ende November 2018 begann die Flexibilitätsplattform ihren Probebetrieb. Von diesem digitalen Stromhandelsplatz sollen alle gleichermaßen profitieren: Anbieter sollen eine Vergütung für bisher nicht genutzte Flexibilität in Sachen Stromerzeugung oder -verbrauch bekommen; davon würde dann auch der Stromkunde profitieren, weil diese Vergütung wohl die Verbraucherpreise dämpfen würde.

Serie: Smart City

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Teil 1 gibt eine erste Einführung und stellt als Beispiele die Konzepte in Hamburg, Berlin und Göttingen vor. Teil 2 geht nach Bayern und berichtet, was sich in den Münchner Modellvierteln tut. Teil 3 wechselt über die Grenze nach Österreich – dort hat man nämlich bereits eine nationale Smart-City-Strategie und ist führend im Passivhausbau. Teil 4 stürzt sich dann mitten in die Metropolregion Ruhrgebiet und berichtet unter anderem von der digitalsten Stadt Deutschlands. Den deutschen Südwesten nimmt sich zuletzt Teil 5 dieser Serie vor. Ein Extrabeitrag hat außerdem Beispiele dafür zusammengetragen, was Green IT zur Smart City beitragen kann. (Bild: zapp2photo – Fotolia)

Ein anderes WindNODE-Projekt ist die Power-to-Heat/Power-to-Cold-Anlage der Firma GASAG Solution Plus am Gasometer in Berlin-Schönefeld. Sie verwandelt den Stromüberschuss in Wärme und Kälte. Mit ihr werden die Gebäude auf dem umliegenden EUREF-Campus (Europäisches Energieforum) nicht nur mit Wärme und Kühlung für die Büros, sondern auch mit Kälte für Computer- und Serverräume versorgt.

Windkraft zu Wassserstoff

Dem Problem überschüssiger Energie aus Windkraft, die unnütz verfällt, widmet sich auch die Firma Wind to Gas Energy im Gewerbepark Brunsbüttel. Das Unternehmen hat dort eine Anlage errichtet, in der sie aus dem Strom eines nahegelegenen Windkraftwerks Wasserstoff erzeugt. Der Strom wird genutzt, um durch Elektrolyse in Tanks Wasser in seine beiden Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Die beiden Tanks erzeugen zurzeit 40 kg Wasserstoff in der Stunde.

Den Wasserstoff nutzt Wind to Gas Energy dann auf zwei Wegen: einmal als Treibstoff für Wasserstoffautos und zum Zweiten als Erdgas. Für die Autos steht extra eine Tankstelle auf dem Firmengelände. „Wir sind dabei, Wasserstoff-Pkw hier in der Umgebung zu vermitteln, haben eine Partnerschaft mit einem Autohersteller“, sagte Tim Brandt, einer der beiden Firmengründer, gegenüber dem Deutschlandfunk. Er erwartet, 2019 mit dem direkten Betanken von Wasserstoffautos beginnen zu können. Mit der Anlage ließe sich der Bedarf von 1700 dieser Fahrzeuge decken, so Brandt weiter. Allerdings gibt es in der Region um Brunsbüttel noch nicht so viele Wasserstofffahrzeuge – also speist Brandts Firma den größten Teil des Wasserstoffs derzeit ins Erdgasnetz ein.

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