Best-Practice-Breitband Geilenkirchen

Im Wettlauf mit den Fördervorschriften

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Die Möglichkeit der Nutzung moderner Informations- und Kommunikations­technologien ist ein zunehmend wichtiger Standortfaktor auch für ländliche Regionen als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume. DSL- und Breitbandanschlüsse sind heute so wichtig wie ein gut ausgebautes Straßennetz bzw. der Anschluss an ein öffentliches Ver- und Entsorgungsnetz.

Gebiete ohne Breitbandzugang oder mit einem zu schwachen Anschluss werden im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte zunehmend das Nachsehen haben. Durch den Einsatz breitbandiger Internet-Kommunikation können gerade mittelständische Unternehmen die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten erheblich verbessern. Kommunikation und Datenaustausch etwa im Rahmen der Auftragsbestellung und -Abwicklung bis hin zum Vertrieb werden über Breitband weitaus effektiver abgewickelt. Eine entsprechende Anbindung ermöglicht vielen Unternehmen zugleich eine deutliche Kosteneinsparung.

Umgekehrt werden Unternehmen, die im Datenaustausch nicht mehr auf DSL und Breitband verzichten können, kurz- bis mittelfristig eine Umsiedlung in Erwägung ziehen – und auch realisieren. Der damit verbundene Wegfall von Arbeitsplätzen führt zu einer Schwächung der betroffenen Regionen. Im Zuge einer Veränderung der Arbeitswelt werden bei vielen Unternehmen außerdem Heimarbeitsplätze bei den Mitarbeitern gefordert, die ohne Breitbandanbindung mit IT-Lösungen im Unternehmen nur bedingt kommunizieren können.

Die Verfügbarkeit von schnellen Datenverbindungen hat nicht nur eine hohe Bedeutung für den jeweiligen Wirtschaftsstandort, sondern auch für den Wohnstandort und die Lebensqualität der Menschen. Die meisten Familien entscheiden sich bei der Wohnortwahl oder dem Kauf eines Wohnbaugrundstücks auch aufgrund der örtlichen DSL- und Breitbandverfügbarkeit. Dabei ist ferner die zunehmende Bedeutung von neuen Anwendungen im Bereich der Bildung, bei neuen Dienstleistungen in der Telemedizin und in der häuslichen Pflege zu berücksichtigen, die eine leistungsfähige Telekommunikationsinfrastruktur voraussetzen.

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Mit 50 MBit/s können alle derzeit gängigen Massenanwendungen genutzt werden. (Bild: STZ-Consulting)

Mit neuen Anwendungen und einer intensivierten Nutzung steigt das Datenvolumen um derzeit ca. 18 % im Jahr. Somit wird die Situation schlecht versorgter Gebiete ohne Maßnahmen zur Verbesserung der Breitbandversorgung im Vergleich zu den Ballungsgebieten im Laufe der Zeit immer schlechter. Aus heute „grauen“ Flecken mit mäßiger Versorgung werden dann „weiße“ Flecken. Auch vergrößert sich die Kluft zwischen gut und schlecht versorgten Gebieten innerhalb einer Kommune unaufhaltsam.

Breitbandprojekt für 12 Stadtteile

Die Stadt Geilenkirchen gehört zum nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg und hat 28.255 Einwohner (Stand: 31. Dezember 2009) verteilt auf 13 Stadtbezirke. Geilenkirchen hat eine durchaus bevorzugte Lage: zwar im ländlichen Raum, aber doch nahe an der Großstadt Aachen und in der Nähe des Dreiländerecks Belgien, Holland und Deutschland. Die Reichweite von zwei Autobahnen und eine durch das Stadtgebiet verlaufende Eisenbahntrasse sorgen für eine gute Verkehrsanbindung. Im Stadtgebiet befinden sich ein Luftstützpunkt der NATO und Militäreinrichtungen der Bundeswehr. Freizeit und Tourismus nehmen eine zunehmend wichtige Rolle für die Stadt ein. Die gelungene Synthese aus Lebensqualität und Wirtschaftskraft eröffnet eine Vielfalt von Chancen und Möglichkeiten, die diese Gemeinde Unternehmern und Arbeitnehmern bietet.

Auf diesem Niveau nicht mithalten kann bislang die Breitbandversorgung. Zwar ist die Kernstadt mit 16 MBit/s gut versorgt, in den umliegenden Stadtteilen sind jedoch große Teile mit weniger als 2 MBit/s unterversorgt; es finden sich auch Ortsteile mit deutlich weniger als 1 MBit/s, in denen eine sinnvolle Internet-Nutzung kaum möglich ist (von semiprofessionellen Anwendungen und Heimarbeitsplätzen ganz zu schweigen). In dieser Hinsicht ist Geilenkirchen allerdings durchaus typisch für viele Mittelstädte im ländlichen Raum. Der Druck vonseiten der Bürger und Unternehmen auf die Stadtverwaltung und die Politik in Geilenkirchen nimmt weiter zu.

Thema: Breitbandausbau

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Dr. Jürgen Kaack hat eine Reihe von Projekten als Berater begleitet. Einige aus der Region Nordrhein-Westfalen stellt er ausführlicher als Best-Practice-Beispiele vor: Arnsberg, Ennepetal, Erftstadt, Erkelenz und Wegberg sowie die Lage im gesamten Kreis Heinsberg, ferner Geilenkirchen, Haltern am See, Kaarst, Nettetal und Rheurdt. Außerdem berichtet er von der T-City Friedrichshafen, erläutert die möglichen Geschäftsmodelle im kommunalen Breitbandausbau sowie die Optionen der NGA-Rahmenregelung und setzt auseinander, wo Vectoring seine Haken hat. Nicht zuletzt skizziert er die Prinzipien einer Breitbandstrategie NRW und macht handfeste Vorschläge für eine umfassende Breitbandstrategie.
Seine gesammelten Erfahrungen sind 2016 in der Reihe MittelstandsWiki bei Books on Demand erschienen: „Schnelles Internet in Deutschland“ (Paperback, 220 Seiten, ISBN 978-3-946487-00-5, 9,99 Euro).

Die Stadt wollte diese Entwicklung nicht länger hinnehmen und insbesondere die Situation in den bislang unterversorgten Ortsteilen verbessern. Deren Größe reicht von 91 bis über 1300 Einwohner. In der Summe sind über 6500 Bürger der Stadt von der schlechten Breitbandversorgung betroffen.

Stadtteil Einwohner Haushalte Unterversorgungsgrad
Müllendorf 136 57 100 %
Apweiler 124 52 100 %
Kraudorf 114 48 67 %
Hoven 38 16 50 %
Beeck 518 216 74 %
Lindern 1303 543 75 %
Immendorf 1181 492 57 %
Kogenbroich 91 38 63 %
Prummern 643 268 74 %
Tripsrath 690 288 43 %
Hatterath 436 182 59 %
Würm 509 212 52 %
Waurichen 766 319 65 %
Summe 6549 2729  

Befragung zeigt den Bedarf

Entsprechend der schwachen Versorgung ist in den vergangenen Jahren der Druck aus der Bevölkerung und aus den Betrieben Geilenkirchens auf die Stadtverwaltung und die Kommunalpolitik stetig gestiegen. Erste Gespräche mit Netzbetreibern ließen nicht auf schnelle Besserung hoffen – vor allem nicht ohne Zuwendungen aus dem Haushalt. So hat sich die Verwaltung mit den Möglichkeiten der Kofinanzierung aus den Förderprogrammen beschäftigt.

Eine wesentliche Voraussetzung zur Stellung eines Förderantrags ist die Durchführung einer breiten Befragung bei Haushalten und Betrieben zum Nachweis der unzureichenden Versorgung. Aus der Befragung soll sich aber auch das Kundenpotenzial für den Abschluss von Verträgen mit höheren Bandbreiten ergeben. Aus der in Geilenkirchen von der Verwaltung im Januar und Februar 2010 mit einem Fragebogen durchgeführten Befragung ergibt sich konkret ein Kundenpotenzial von 450 Haushalten und 45 Unternehmen.

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Im Durchschnitt beantworteten 19 % aller Haushalte (insgesamt 532) den Fragebogen von Anfang 2010. (Bild: STZ-Consulting)

Der Rücklauf übertraf mit insgesamt über 1000 ausgefüllten Fragebögen die Erwartungen deutlich und entspricht über alle Stadtteile gerechnet 9,1 % aller Haushalte, bezogen auf die unterversorgten Ortsteile liegt der Rücklauf bei 19,1 %; er reflektiert deutlich das stärkere Bedürfnis nach einer Verbesserung der Breitbandversorgung (aus den mit mehrheitlich mehr als 2 MBit/s versorgten Stadtteilen schickten nur 6,0 % der Haushalte den Fragebogen zurück). Durch statistische Betrachtungen ergibt sich mit der in Deutschland durchschnittlichen Breitbanddurchdringung von 50 % und rechnerisch ermittelten 1768 unterversorgten Haushalten sogar ein Potenzial von fast 900 Haushalten. Die Abweichung der beiden Werte ist zum Teil mit den teilweise niedrigen Fallzahlen aus den kleineren Ortschaften zu erklären.

Die Auswertung der Fragebögen bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse der statistischen Analysen. Da in den unterversorgten Regionen für den Breitbandzugang derzeit nur die Deutsche Telekom und teilweise Mobilfunk- und Satellitenanbieter tätig sind, ist in den Haushalten und Unternehmen DSL die dominierende Zugangstechnologie.

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Die Mehrheit der Internet-Nutzer hat einen Zugang mit weniger als 2 MBit/s Brandbreite. (Bild: STZ-Consulting)

Vergleicht man die Ergebnisse der versorgten mit denjenigen der unterversorgten Ortsteile, so wird der höhere Bedarf an schnelleren Anschlüssen und der Grad der Unzufriedenheit an den Unterschieden in den Rücklaufquoten deutlich. Aber auch in den versorgten Ortsteilen gibt es einen nicht unerheblichen Teil unversorgter Haushalte!

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Vergleich der versorgten und der unter­versorgten Orts­teile von Geilen­kirchen (Bild: STZ-Consulting)

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1768 Haushalte sind aufgrund der Ant­worten rechnerisch unter­versorgt, 450 mel­deten einen höheren Band­breiten­bedarf. (Bild: STZ-Consulting)

Bei der Befragung im Januar und Februar 2010 wurden auch die Unternehmen einbezogen. Da hier die Grundgesamtheit nicht einfach zu ermitteln ist und erst ein Aufbruch nach Branchen und Größenklassen Relevanz hat, wurde bei den Ergebnissen auf eine statistische Hochrechnung verzichtet. Es ist aber mit Sicherheit zu unterstellen, dass das Breitbandpotenzial bei den Unternehmen höher ist, als die Rückläufer erkennen lassen.

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36 Unternehmen sind auf­grund der Ant­worten unter­versorgt, 41 mel­deten einen höheren Band­breiten­bedarf. (Bild: STZ-Consulting)

Da alle Ortsteile von Geilenkirchen in die Befragung einbezogen waren, lässt sich zwischen den versorgten und den unterversorgten Ortsteilen ein direkter Vergleich des Bedarfs an höheren Bandbreiten ziehen. Es ist nicht erstaunlich, dass auch in den Stadtteilen mit mehr als 2 MBit/s ein Bedarf an höheren Bandbreiten besteht. Zum einen ist auch in diesen Ortsteilen die durchschnittliche Bandbreite mit 2–3 MBit/s noch nicht so hoch, dass die Nutzer rundum zufrieden wären, zum anderen gibt es auch dort teilweise zweistellige Prozentsätze mit Anschlüssen, die unter 2 MBit/s liegen. Da hier die Einwohnerzahlen höher sind, ergeben sich aus den Rückmeldungen in Summe über 1100 unterversorgte Haushalte sowie bei 300 Haushalten und 35 Unternehmen ein Bedarf an höherer Bandbreite. (Der Ausbau dieser Ortsteile ist allerdings nicht Inhalt des aktuellen Vorhabens.)

6 MBit/s sind o.k., 16 MBit/s sind besser
Erst mit 6 MBit/s ist bei einer typischen Internet-Nutzung heute mit einer grund­sätzlichen Zufrieden­heit zu rechnen, da diese Band­breite als Minimum für eine sinn­volle Nutzung vieler Internet-Anwen­dungen anzu­sehen ist. In Ballungs­gebieten stel­len 16 MBit/s heute bereits den üblichen Stan­dard dar. Da die Band­breiten in den letzten Jahren welt­weit stark ge­stiegen sind, ist dies als ein Über­gangs­wert zu betrachten.

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Aufgrund der höheren Haus­halts­zahlen in den ver­sorgten Stadt­teilen be­steht auch hier ein Be­darf an höherer Band­breite. (Bild: STZ-Consulting)

Zu viel für vorhandene Leerrohre

Die Stadt Geilenkirchen betreibt im Eigenbetrieb keine operativen Aktivitäten im Bereich der Telekommunikation und verfügt derzeit nur in wenigen Ortslagen über Leerrohre, die für eine Verlegung von Glasfaserkabeln geeignet wären. Die Analyse zur Verfügbarkeit von Leerrohren oder Glasfaserkabeln anderer Infrastrukturbetreiber im Stadtgebiet zeigten eine Reihe von Leerrohrtrassen auf, die vom Strom- bzw. dem Wasserversorger verlegt wurden und teilweise von diesen selbst genutzt werden. Kapazitäten für das Einziehen weiterer Glasfaserleitungen wären aber durchaus gegeben. Auch entlang der Gleisanlage der Deutschen Bahn sind Glasfaserkapazitäten anderer Versorgungsträger verfügbar.

Somit ergibt sich im Stadtgebiet eine zunächst deutlich bessere Voraussetzung als in vielen anderen Kommunen. Die Leerrohre liegen durchaus auch in Regionen, die für den Gastbeitrag:Breitbandausbau relevant sind. Die Grundlage für die Nutzung ist der Abschluss eines Vertrags zwischen den Netzbetreibern und den Inhabern der Leerrohre, der die Rechte und die Konditionen einer Nutzung regelt. Vorgespräche ergaben, dass es bei den beteiligten Parteien eine grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation gibt. Die Verhandlungen selbst zogen sich jedoch hin und scheiterten letztlich an den Preisvorstellungen der Infrastruktureigentümer.

Die Konditionen der Nutzung von vorhandenen Infrastrukturen werden zwar bilateral zwischen den Beteiligten ausgehandelt, ohne dass die Stadtverwaltung unmittelbar betroffen wäre. Aber für die Netzbetreiber gehen die Mietkosten in die Wirtschaftlichkeitsrechnung ein und letztlich muss die Kommune für die Deckungslücke des Betreibers aufkommen, ist also mittelbar betroffen. In Workshops mit den Betreibern wurde daher am Ende aus Gründen der Wirtschaftlichkeit auf die Nutzung der vorhandenen Leerrohrinfrastrukturen verzichtet.

Anfrage zeigt unterschiedliche Ansätze

Der nächste Schritt auf dem Weg zu einem mit Fördermitteln unterstützten Breitbandausbau ist die Durchführung eines nichtförmlichen Interessenbekundungsverfahrens. Es soll klären, ob es nicht doch einen Netzbetreiber gibt, der in den nächsten drei Jahren einen Ausbau mit einer Mindestbandbreite von 2 MBit/s im Download ohne öffentliche Zuwendungen plant. Damit die Betreiber Kenntnis von dieser Anfrage erhalten, wird sie nicht nur auf dem Stadtportal veröffentlicht, sondern auch auf dem Landesportal ikt.nrw.de.

Als Reaktion erhielt die Verwaltung eine Reihe sehr unterschiedlicher Konzepte. Das Spektrum reicht von Satelliten-DSL-Diensten über ein lizenzfreies WLAN-Funknetz und den Aufbau eines leitungsgebundenen Netzes mit Schaltverteiler bis zu einem „klassischen“ Fiber-to-the-Curb-Ausbau, bei dem die Mehrzahl der Kabelverzweiger in den einzelnen Ortsteilen mit Glasfaser an den Hauptverteiler angebunden und mit aktiver Übertragungstechnik zum Outdoor-DSLAM ausgebaut werden. Unter den Unternehmen, die Konzepte einreichten, finden sich Kleinunternehmen, mittelständische Anbieter und Konzerne. Die Spanne der unverbindlich genannten Wirtschaftlichkeitslücken ist den unterschiedlichen Technologien entsprechend recht groß.

Ausschreibung mit Bewertungskriterien

Für die Bewertung der unterschiedlichen Konzepte und die Gestaltung des weiteren Vorgehens zog die Verwaltung mit der STZ-Consulting Group einen Experten auf dem Gebiet der Telekommunikation als Berater hinzu. Der STZ-Projektleiter nahm zunächst eine vertiefende Analyse der vorgelegten Konzepte vor und machte einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen. Mit ausgewählten Betreibern wurden vertiefende Workshops durchgeführt, offene Fragen diskutiert und alternative Möglichkeiten erörtert. Ein wichtiger Punkt unter mehreren war dabei die Frage, ob und inwieweit vorhandene Infrastrukturen genutzt werden können, um die Kosten zu reduzieren. (Dieser Punkt betrifft natürlich nur solche Anbieter, die leitungsgebundene Konzepte verfolgen.)

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Die STZ-Consulting Group ist eine Unternehmens­beratung, die Unternehmen und Kommunen bei der Bewältigung von Veränderungs­prozessen unterstützt, von der Entwicklung trag­fähiger Konzepte bis zur Um­setzung. Die Partner der STZ-Consulting Group haben lang­jährige Erfah­rungen aus eigener operativer Führungs­tätigkeit in Unter­nehmen, aus der Gründung und dem Aufbau von Unter­nehmen sowie in der Beratung. Ein Branchen­schwerpunkt liegt in der Tele­kommunikation.


Dr. Jürgen Kaack – STZ-Consulting Group, Kolibristr. 37, 50374 Erftstadt, Tel. 02235-988776, info@stz-consulting.de, www.stz-consulting.de.

Nach diesen Vertiefungen wurden die Konzepte weiterentwickelt und überarbeitet, bis abzusehen war, dass im Rahmen einer Ausschreibung Angebote vorgelegt würden, die zu den konzeptionellen Vorstellungen der Stadt passen und unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen umsetzbar wären. Auf dieser Grundlage wurden mehrere Ausschreibungen vorbereitet, da sich bereits abzeichnete, dass die reservierten Mittel aus dem Konjunkturpaket II (Zukunftsinvestitionsgesetz) nicht ausreichen würden und auch mit nur einer Fördermaßnahme nach dem GAK-Programm (200.000 Euro) keine ausreichende Finanzierung möglich sein würde.

Neben den Ausschreibungstexten, die jeweils wieder auf dem Stadtportal und der Landesseite ikt.nrw.de veröffentlicht wurden, konnten sich die Betreiber in einer Leistungsbeschreibung über das Ausbaugebiet und die Ergebnisse der Befragung informieren. Zusätzlich wurden neben den qualitativen Kriterien auch quantitative Bewertungskriterien aufgestellt, um die Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen zu erleichtern. Dazu gehört neben der Deckungslücke und prozentualen Korrekturfaktoren insbesondere die zusätzliche Kaufkraftabschöpfung durch unterschiedlich hohe Kundenkonditionen. Die Bewertungskriterien standen den interessierten Bietern natürlich auch während der Ausschreibungsfrist auf Anfrage zur Verfügung. Die Laufzeit der Ausschreibungen betrug jeweils zwei Monate, damit die interessierten Bieter sich bei der Deutschen Telekom über die vorhandene Infrastruktur informieren konnten.

Analyse und Förderanträge

Insgesamt wurden es drei Ausschreibungen für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Die Ergebnisse erstaunten teilweise, da ein vorher sehr interessierter Netzbetreiber, mit dem man im Vorfeld viele Gespräche geführt hatte und der ein überzeugendes Konzept vorlegen konnte, überhaupt kein Angebot abgab. Die eingegangenen Angebote wurden durch den Berater analysiert und als Gutachten mit einer Vergabeempfehlung an die Verwaltung gereicht. Auf Basis der Bewertung fand der interne Meinungsbildungsprozess statt.

Schließlich wurde im ersten Schritt eine Vergabe für den Ausbau in Lindern, Müllendorf und Würm mit den aus dem Konjunkturpaket II reservierten Mitteln entschieden. Der Kooperationsvertrag mit dem ausgewählten Netzbetreiber (Deutsche Telekom) wurde rechtzeitig vor Ende 2010 unterschrieben, um die Fristen einzuhalten.

Für die anderen ausgeschriebenen Ortschaften wurden zwei Förderanträge nach dem GAK-Programm erstellt und an die zuständige Bezirksregierung in Köln zur Prüfung übergeben. Bei Bewilligung der Förderanträge können dann von den 13 unterversorgten Stadtteilen immerhin zwölf in den nächsten zwölf Monaten ausgebaut werden.

Der Ausbau in den Stadtteilen Lindern, Müllendorf und Würm wurde planmäßig bereits Ende 2011 abgeschlossen. Nur für den Stadtteil Beeck bleibt die Lösung noch offen, da für den Ausbau kein qualifiziertes Angebot vorgelegen hatte und die Mittel aus den drei Maßnahmen nicht ausreichten.

Richtfunk als Brückenlösung

Bei den Überlegungen und Ansätzen zur Breitbandversorgung der Orte zeigte sich schnell, dass die Verlegung von Leerrohren aufgrund der benötigten Streckenlängen unverhältnismäßig teuer werden würde. Selbst unter Berücksichtigung von Eigenleistungen durch städtische Mitarbeiter und den Bauhof konnte keine signifikante Kostenreduktion ausgemacht werden. Nur mit einer Verlegung im Beilauf zu anderen Tiefbaumaßnahmen wäre eine Leerrohrverlegung zu moderaten Kosten möglich gewesen. Solche Maßnahmen sind allerdings zeitnah nicht geplant.

Um die Anbindung der Orte trotzdem zu ermöglichen, wurde alternativ die Nutzung von Richtfunk geprüft. Mit Richtfunk fallen in der Regel niedrigere Investitionskosten an – zumindest dann, wenn kein hoher Mast errichtet werden muss oder die Geländetopografie keine Relais-Sender erforderlich macht. Für die drei notwendigen Strecken nach Lindern, Immendorf und Waurichen sind die Bedingungen optimal; es kann zumindest auf der einen Seite der Strecke auf bestehende Masten zurückgegriffen werden und es sind keine Relais-Sender erforderlich. Nur in den Stadtteilen selbst mussten geeignete Plätze für den Sendemast gesucht werden, die erstens auf kommunalem Grund liegen, die zweitens den Masten nicht zum Störfaktor der Wohnbebauung machen und die drittens trotzdem eine gute Anbindung an die zu errichtenden Outdoor-DSLAMs ermöglichen. Stadtverwaltung und Telekom konnten diese Fragestellung zur Zufriedenheit lösen, sodass die Alternative einer Richtfunkanbindung näher analysiert werden konnte.

Mit den Investitions- und Betriebskosten für die Richtfunkstrecken ließen sich erhebliche Kosten gegenüber einer Leerrohrverlegung einsparen, sodass die Finanzierung des Eigenanteils die Möglichkeiten der Kommune nicht überstrapaziert.

Funklösungen
Richtfunk ist eine seit vielen Jahren bewährte Funktechnologie, die aufgrund der hohen Strahlbündelung die Überbrückung auch längerer Strecken ermöglicht. Diese hohe Strahlbündelung erfordert zwar eine sehr präzise Ausrichtung der Antennen (und bei nicht verwindungssteifen hohen Masten kann es bei starkem Wind zu Verbindungsabbrüchen kommen), doch auf der anderen Seite ist der außerhalb des Strahls generierte „Elektrosmog“ wesentlich geringer als bei anderen Funklösungen. Moderne Richtfunktechnologien erreichen Übertragungsbandbreiten bis zu 2 GBit/s.

Für die in Geilenkirchen angebundenen Stadtteile gibt die damit mögliche Bandbreite ausreichend Zukunftssicherheit. Zudem können Tiefbaumaßnahmen in den nächsten Jahren entlang der Ausbaustrecken genutzt werden, um bei niedrigen Kosten Leerrohre mitzuverlegen. Danach kann man die Versorgung jederzeit von Richtfunk auf Glasfaser umstellen. Längerfristig spart das auch die bei Richtfunk anfallenden laufenden Betriebskosten in Höhe von üblichen 5000 Euro pro Strecke und Jahr.

Zwölf von 13 im Großprojekt

Das Breitbandvorhaben in Geilenkirchen ist unter verschiedenen Gesichtspunkten bemerkenswert. Im Gesamtergebnis können nach Abschluss der Projektarbeiten und bei Bewilligung der gestellten Förderanträge zwölf von 13 unterversorgten Stadtteilen ausgebaut werden. Danach ist in den dann versorgten Ortsteilen überwiegend eine Bandbreite von 16 MBit/s verfügbar – ganz beachtlich, wenn man bedenkt, dass der Zugang derzeit in vielen Teilen unter 1 MBit/s liegt! Der verbleibende unterversorgte Stadtteil Beeck kann im Zuge eines neuen Breitbandprojektes auch noch bearbeitet werden.

Mit dem vorgeschlagenen Ausbau wird die Bandbreite vom Netzknoten überwiegend per Glasfaser in die einzelnen Stadtteile verteilt. Dafür müssen insgesamt über 8000 m Leerrohre im Tiefbau verlegt werden. Aus Kostengründen werden drei Stadtteile via Richtfunk versorgt und es müssen 16 Outdoor-DSLAMs errichtet und in Betrieb genommen werden. Für eine Kommune von der Größe Geilenkirchens ist das eine schon bemerkenswerte Größenordnung.

Um dieses Großprojekt zu stemmen, greift die Stadt auf zwei Förderinstrumente zurück: das Konjunkturpaket II und das GAK-Programm. Die Maßnahme unter Nutzung des Konjunkturpakets für die Stadtteile Lindern, Müllendorf und Würm wurden Ende 2011 abgeschlossen. Die Förderung für die verbleibenden Ortsteile wurde auf zwei Maßnahmen aufgeteilt, da das GAK-Programm in NRW Fördermittel nur bis zu einem Volumen von maximal 200.000 Euro gewährt (darüber hinausgehende Beträge gehen zulasten des kommunalen Haushalts). Wenn die beiden GAK-Anträge genehmigt werden, erhält die Stadt Geilenkirchen insgesamt (unter Einrechnung der Mittel aus dem Konjunkturpaket II) Zuschüsse in Höhe von 470.000 Euro. So kann trotz angespannter Haushaltslage ein nachhaltiger Breitbandausbau ermöglicht werden, der den Bürgern und Betrieben im Stadtgebiet zugutekommt und die Attraktivität des Standortes auch langfristig absichert.

Allerdings ist die Geschichte damit noch nicht zu Ende.

Bürokratie bis zum Verfallsdatum

Wie gesagt konnte der Breitbandausbau mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II in Lindern, Müllendorf und Würm bereits bis Ende 2011 erfolgreich umgesetzt werden. Für eine Förderbewilligung nach dem GAK-Programm reicht es allerdings nicht, die Projektinhalte entsprechend des Förderleitfadens zu erarbeiten: Die inhaltlich und formal erforderlichen Informationen konnten vollständig bereitgestellt werden, allerdings genügt es für eine Bewilligung nicht, dass die erforderlichen städtischen Eigenanteile im Haushalt bereitgestellt werden. Es muss ein beschlossener Haushalt vorliegen (und eine Bestätigung der Kommunalaufsicht).

In Geilenkirchen erfolgte dies erst so spät, dass in der Zwischenzeit die Bindefrist des ausgewählten Anbieters abgelaufen war und im Jahr 2011 keine Förderbewilligung mehr erfolgen konnte. Im Jahr 2012 wurden dann Nachverhandlungen mit dem Netzbetreiber aufgenommen. Die Ergebnisse führten zu einer deutlichen Steigerung der Deckungslücken für die verbleibenden Losgebiete. Schon aus vergaberechtlichen Gründen konnte somit keine Vergabe ohne erneutes Auswahlverfahren erfolgen.

Gravierender war allerdings, dass die Eigenanteile für den Ausbau eine zu hohe Belastung für den städtischen Haushalt bedeutet hätten. An dieser Stelle endete zunächst das Ausbauvorhaben – ohne absehbare Lösung für die betroffenen Bürger und Betriebe.

Fazit: Glasfaser-Überraschung mit letzten Lücken

Im Zuge ihrer Ausbauaktivität mit Glasfasernetzen im Kreis Heinsberg suchte die Deutsche Glasfaser im Herbst 2012 zunächst die fünf Ortsteile Beeck, Immendorf, Prummern, Süggerath und Waurichen aus und begann mit Information, Vorplanung und der Akquisition von Vorverträgen. Die geforderte Quote von mindestens 40 % wurde im Frühjahr 2013 in allen fünf Gebieten überschritten, Prummern erreichte sogar einen Wert von 64 %.

Die Bauarbeiten werden nun bis Ende 2013 abgeschlossen sein. Dann steht statt eines VDSL-Ausbaus mit maximal 50 MBit/s (und einer entfernungsabhängigen Dämpfung) eine symmetrische Versorgung mit 100 MBit/s im Up- und Downstream zur Verfügung, was bei Bedarf in Zukunft weiter gesteigert werden kann.

Auf diesem Wege wird ein zukunftssicherer und nachhaltiger Infrastrukturausbau ermöglicht, der die Stadt nichts kostet. Für die fünf jetzt privatwirtschaftlich ausgebauten Gebiete wäre vermutlich eine Deckungslücke von über 500.000 Euro zusammengekommen. Trotz der privatwirtschaftlichen Lösung ohne Zuwendungen liegen die Kundenkonditionen im üblichen Rahmen, wenn auch nicht bei dem von einzelnen Discountanbietern angebotenen 19,90 Euro (die allerdings für eine deutlich schwächere Leistung verlangt waren).

Allerdings sind mit dem Ausbau durch Mittel aus dem Konjunkturpaket und der privatwirtschaftlichen Lösung immer noch nicht alle unterversorgten Gebiete in Geilenkirchen versorgt. Insbesondere für Tripsrath und Hatterath muss noch eine Lösung gefunden werden. Vielleicht ergibt sich in den nächsten Ausbauphasen der Deutschen Glasfaser für 2014 eine privatwirtschaftliche Lösung, damit nicht einzelne Stadtteile doch noch abgehängt bleiben.

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