Arbeitswelt 4.0: Was die Digitali­sierung von uns fordert

Wenn es um digitale Trans­formation geht, stehen meist Techno­logien, Pro­zesse und Geschäfts­modelle im Vorder­grund. Dass faktisch der Mensch der Motor des gesell­schaft­lichen Wandels ist und jedes Indi­viduum selbst von der Digi­tali­sierung be­troffen, gerät oft aus dem Blick­feld. Ein Plädoyer fürs Um­denken - vom Chef bis zum Angestellten.

Der digitale Wandel braucht starke Mitarbeiter

Von Markus Dohm, Academy & Life Care bei TÜV Rheinland

Alle sprechen von digitaler Transformation. Digitalisierung betrifft jedes Unternehmen und jede Branche. Sie verändert alle Geschäftsmodelle – manche langsamer, manche schneller –, und das bisweilen sogar radikal. Dabei gibt es auch hierzulande sehr viele gute Beispiele dafür, dass Unternehmen in der Digitalisierung eine Chance gesehen haben und bereits sehr erfolgreich unterwegs sind – und neue Arbeitsplätze schaffen.

Trotzdem dominiert in Deutschland flächendeckend noch eher Zurückhaltung. Das spiegelt sich zum Beispiel in der eher schleppenden Arbeitsplatzmodernisierung wider. Aber auch in der Tatsache, dass zahlreiche Berufsbilder darauf warten, endlich vom 50er-Jahre-Muff befreit und der digitalen Realität angepasst zu werden. Auch unser Bildungswesen hat noch deutlichen Nachholbedarf in puncto digitaler Weiterentwicklung. Wir müssen uns klarmachen, dass die digitale Transformation zahlreiche traditionelle Arbeitsplätze bedroht und wir heute Strategien für ein erfolgreiches Morgen brauchen. Das ZEW in Mannheim hat ermittelt, dass die Automatisierung Deutschland allein in der Produktion 5 Millionen Jobs kosten könnte. Experten schätzen, dass auch 50 % aller Verwaltungstätigkeiten vom Buchhalter bis hin zum Sachbearbeiter ersetzt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Menschen in der Lage sind, mit der Entwicklung Schritt zu halten, statt von ihr überrollt werden.

Entwicklung durch Digital Leadership

In Deutschlands Unternehmen ist Digital Leadership gefragt: die Kompetenz, Unternehmen in jeder Phase der digitalen Transformation richtig und erfolgreich zu führen, und zwar so, dass Weiterentwicklung möglich ist. Diese Weiterentwicklung umfasst nicht nur Zahlen und Produkte, sondern vor allem Befähigung, Motivation und Kompetenzaufbau bei den Menschen, die die Wertschöpfung im Rahmen eines disruptiven Wandels erbringen.

Denn der technische Fortschritt beschleunigt sich. Und für Unternehmen, die den Anschluss an ihre Märkte nicht verlieren wollen, ist es kritisch, wenn sich einmal angeeignetes Wissen, das in Schulen, Hochschulen oder der dualen Ausbildung vermittelt wird, immer schneller entwertet. Das gilt allerdings nicht nur für Organisationen, sondern auch für das Individuum. Die Fähigkeit, sich schnell in neue Aufgabengebiete einzuarbeiten und sich ständig weiterzubilden, gewinnt immer mehr an Bedeutung, und zwar um den eigenen Arbeitsplatz nicht zu verlieren oder neue Tätigkeiten überhaupt übernehmen zu können.

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Markus Dohm ist Leiter von Academy & Life Care bei TÜV Rheinland. Dieser Geschäftsbereich bündelt die Kompetenzen rund um den Menschen an seinem Arbeitsplatz und in seinem beruflichen Umfeld. Unter dem Motto „gesund, motiviert und qualifiziert“ ist TÜV Rheinland mit über 70 Standorten die erste Adresse für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Darüber hinaus ist er der führende, technisch orientierte Lerndienstleister im deutschen Markt, der analoge und digitale Lernlösungen (unter anderem E-Learnings & Gamification) mit maßgeschneiderten Plattformangeboten für das systematische betriebliche Weiterbildungsmanagement verknüpft.


TÜV Rheinland, Am Grauen Stein, 51105 Köln, Tel.: 0221-806-9000, www.tuv.com

Was in der Diskussion über Chancen und Risiken der digitalen Transformation viel stärker in den Vordergrund rücken muss, ist das, was wir bei TÜV Rheinland den Erhalt bzw. den Aufbau von Employability nennen. Und daran haben Unternehmen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels – ein vitales Interesse. Aber Employability, also „Beschäftigungsfähigkeit“, ist mehr als reine Arbeitskraft: Es geht um die Fähigkeit, mit dem beständigen Wandel so umzugehen, dass Individuum und Unternehmen davon profitieren. Mitarbeiter müssen nicht nur qualifiziert sein, sondern auch motiviert und gesund. Hier sind Unternehmen in puncto betrieblichen Gesundheitsmanagements im Kontext des digitalen Wandels viel stärker in der Pflicht als früher.

Betriebliche Gesundheitsförderung

Welche Auswirkungen hat die digitale Transformation auf die Gesundheit? Den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens miteinander in Einklang zu bringen, ist eine Herausforderung. In einer Studie der Barmer-Krankenkasse sehen Arbeitspsychologen und Arbeitsmediziner von TÜV Rheinland das noch einmal bestätigt: Erwerbstätige spüren den Veränderungs- und den technologischen Anpassungsdruck, sie klagen über Information Overload. Ständige Erreichbarkeit auf mehreren Kanälen – das kann zu Belastung führen. 23 % der Befragten fühlen sich durch ihre Arbeit emotional erschöpft. Es gibt dabei signifikante Zusammenhänge zwischen Digitalisierung, emotionaler Erschöpfung (Burn-out) und Konflikten zwischen Arbeit und Familie. Jeder Vierte gibt an, dass die heutigen Arbeitsanforderungen sein Privat- und Familienleben beeinträchtigten. Das ist eine Entwicklung, die niemand will.

Unternehmen, die ein betriebliches Gesundheitsmanagement etablieren bzw. es weiter professionalisieren, haben nachweislich geringere Krankenstände, auch die Personalfluktuation ist niedrig, und es wandern weniger Talente ab. Organisationen müssen lernen, Veränderung nicht nur akzeptieren, sondern den Wandel aktiv zu gestalten. Es gilt, Mitarbeitende für Chancen und Gefahren der Digitalisierung sensibilisieren und deren Selbstmanagement-Fähigkeiten zu schulen. Das kann zum Beispiel der Lernprozess sein, in freien Zeiten digitale Abstinenz von der Arbeit zu üben. Für manch einen Chef kann das schon ein großes Zugeständnis gegenüber dem Mitarbeiter sein.

Aber auch Führungskräfte benötigen Unterstützung in Bezug auf Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung. Sie müssen lernen, Arbeitszeitflexibilität zu schaffen und Home-Office-Möglichkeiten anzubieten und auch auf die Entfernung virtuelle Teams zu führen. Nur flexible Unternehmen können Arbeitsplätze schaffen und besetzen, die durch die Digitalisierung neu entstehen. Unerlässlich sind auch eine Evolution in den Köpfen und eine Fehlerkultur, die Scheitern und Fehler auf dem Weg zum Erfolg einkalkuliert und verzeiht.

Fähigkeiten entwickeln und weiterbilden

In einem Zeitalter, in dem unternehmerische Innovationen und wirtschaftliches Wachstum primär auf Wissen, Kreativität sowie Kommunikations- und sozialen Fähigkeiten basieren, ist Innovationsbereitschaft und -fähigkeit gefragt, aber auch verstärkte Eigenverantwortung und die Offenheit für lebenslanges Lernen. Dies sind die Kerntugenden des digitalen Zeitalters. Ein Weg dorthin können arbeitsintegrierte Lernszenarien anhand motivierender Formate sein. Diese können im besten Fall auch psychologisch entlastend wirken. Das bedeutet, dass Mitarbeiter genau das Wissen und die Kompetenzen zu exakt dem Zeitpunkt erhalten, an dem sie es benötigen, um neue Aufgaben zu bewältigen.

Lernangebote sollten modularer und fester Bestandteil der Arbeitsprozesse werden. Sie müssen maßgeschneidert sein und sich den Bedürfnissen von Unternehmen und Mitarbeitern anpassen. Das geeignete Mittel dafür ist eine innovative Lernarchitektur, die die Anforderungen des Lernens 4.0 berücksichtigt: Der Wissensstand der Teilnehmer entscheidet dann, was sie lernen, und sie selbst entscheiden, wann, wie lange und wo sie lernen. Die Inhalte werden in verschiedenen Medienformaten vermittelt, vom E-Learning über Podcast bis hin zu Gamification sowie Präsenztrainings. Das Weiterbildungsmanagement in Unternehmen erfolgt zentral und plattformbasiert, systematisch, zielgerichtet und lückenlos dokumentiert. Und im besten Fall wird das Wissen und Können von unabhängiger Seite zertifiziert. Das ist gut für den Mitarbeiter, aber auch gut fürs Unternehmen – und im Rahmen der digitalen Transformation für beide Seiten auf jeden Fall ein Wettbewerbsvorteil.

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