Vertriebsperformance: Was schuld an den sinkenden Umsatzzahlen ist

Der Vertrieb ist schuld – wer sonst!? Das ist meistens die einhellige Meinung, wenn das EBITDA kleiner wird. Aber liegt es tatsächlich immer am Vertrieb, wenn der Vertrieb schwächelt? Dass die Gründe hierfür meist ganz woanders zu suchen sind, verrät dieser Schwerpunktbeitrag von Andreas Franken.

Deshalb schwächelt Ihr Vertrieb

Von Andreas Franken, Franken-Consulting

Dass Menschen auch bei komplizierten Fragen nach simplen Erklärungen suchen, ist ebenso wenig neu wie die Tatsache, dass Schuld für das Nichteintreten gewünschter Ereignisse gerne mal projiziert wird. Hiermit leben Vertriebsorganisationen in allen Branchen seit ewigen Zeiten, denn „schließlich ist es die Aufgabe des Vertriebs, das Unternehmen zu ernähren“. Aber ist denn der Vertrieb automatisch der Sündenbock, wenn die Vertriebsperformance schlecht ist?

Die aktuelle Studie „Bought not sold: Marketing and selling to digitally empowered business customers“ der Unternehmensberatung Bain offenbart, dass rund 70 % der Kaufentscheidungen im B2B-Vertrieb bereits vor dem Erstkontakt mit dem Verkäufer fallen. Diese Erkenntnis macht ein Überdenken der üblichen Schuldzuweisungen an den Vertrieb ebenso erforderlich wie das Nachdenken über die eigenen digitalen Fähigkeiten als Unternehmen. Schließlich kann ein Vertriebsmitarbeiter keinen Kunden beeinflussen, bevor er zu diesem überhaupt einen Kontakt hat!

Top-Performer sind dennoch erfolgreich

Dennoch kann ein Verkäufer in der Ausübung seines Berufs mangelhaft sein, wenn es um die Themen Wissen, Können und Fleiß geht. Aber es gibt auch viele Rahmenbedingungen, für die der Verkäufer selbst nichts kann: Vermarktungsprozesse, Organisation und Angebotsportfolio etc. Ja, es gibt Top-Performer, die trotz suboptimaler Rahmenbedingungen in der Lage sind, ihre Arbeitgeber mit guten bis sehr guten Ergebnissen zu versorgen. Aber nicht jeder ist ein Top-Performer. Das mittlere Drittel der Vertriebsmitarbeiter und auch die Nachrücker benötigen heutzutage mehr als je zuvor Rahmenbedingungen und Geschäftsprozesse, die es auch durchschnittlich begabten Menschen ermöglichen, gute bis sehr gute Vertriebsleistungen abzuliefern.

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Andreas Franken ist als Unternehmensberater spezialisiert auf die Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Seine Berufserfahrung erstreckt sich über mehr als 30 Jahre, und er veröffentlicht regelmäßig Fachartikel zu Managementthemen. Zur eigenständigen Optimierung von Unternehmen bietet er seinen Neun-Punkte-Plan zum kostenlosen Download.


Andreas Franken, Franken-Consulting, Ortbeckstraße 5, 45894 Gelsenkirchen; Telefon 0209-3187586, Telefax 0209-3187581, af@franken-consulting.org, www.franken-consulting.org

Wenn Unternehmen erfolgreich werden oder bleiben möchten, dann muss dem Management klar sein, dass das eigene Geschäftsmodell immer wieder aufs Neue an sich permanent verändernde Rahmenbedingungen anzupassen ist. Dies fängt bei den (realistischen) Zielen an und setzt sich über Strategie und Taktik bis hin zur Operational Excellence fort. Vor allen anderen müssen B2B-Unternehmen ihre Vermarktungskonzepte neu denken, was die enge Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Marketing unverzichtbar macht. Denn bedenken Sie bitte das zuvor Gesagte: Es fallen 70 % der Kaufentscheidungen vor dem Erstkontakt mit dem Verkäufer.

Die Digitalisierung stellt neue Marktregeln auf

Nur wer als Geschäftsführer die Customer Journey seiner Zielgruppen kennt, kann auch erahnen, wo und wie das Unternehmen einen potenziellen Kunden für das eigene Thema gewinnen und auf eigene Angebote aufmerksam machen kann. Kunden bilden sich ihre Meinungen sowieso – auch dann, wenn ein Unternehmen nichts macht. Wie uns der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick bereits lehrte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das heißt: Auch wenn ein Unternehmen nicht digital positioniert ist, lesen die Entscheider in B2B-Unternehmen trotzdem Produktbewertungen, Testberichte und Beiträge im Social Web.

Man bedenke, dass der durchschnittliche Smartphone-Nutzer pro Woche 1500 Mal zu seinem Gerät greift, das heißt 214 Mal pro Tag (Tecmark-Studie 2014). Direkt nach dem Aufstehen und kurz vor dem Schlafengehen – ständig wird auf das Smartphone geschaut. Und den Unterschied zwischen online und offline gibt es auch schon lange nicht mehr. Die Menschen sind „always on“ und somit hybrid, was ihr Kaufverhalten angeht. Online informiert und offline gekauft ist ebenso üblich wie umgekehrt. Informationen beschafft man sich bei Google und vertraut auf die Empfehlungen (virtueller) Freunde. Und dieser Trend nimmt ständig zu.

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Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung zum Thema Vertrieb für den Mittelstand gibt Dr. Jürgen Kaack im Ratgeber „Der optimale Vertrieb – Erfolgsfaktor im Wettbewerb“, den Sie online kostenfrei im Pressezentrum des MittelstandsWiki bekommen.

Fazit: Wer profitieren will, muss mitmischen

Da ist der Gedanke, möglichst frühzeitig und vor allem auch zielgerichtet auf die Meinungsbildung potenzieller Kunden einzuwirken, doch naheliegend, oder? Aber dies ist und bleibt eine Aufgabe der Unternehmensleitung. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Unternehmensberater habe ich regelmäßig mit Unternehmenslenkern zu tun, die sich bei dieser Betrachtungsweise überrascht zeigen, denn eigentlich glaubten sie zuvor, dass sie selbst eine eher passive Rolle einnehmen. Letztendlich ist das auch nicht völlig falsch, wenn man konstatiert, dass die operativen Tätigkeiten tatsächlich den Vertrieblern obliegen, aber die Geschäftsführer müssen das eigene Strategiegerüst so definieren, dass es im Markt auch bestehen kann. Hier wird vor allen anderen die Frage beantwortet, mit welchen Leistungen, Produkt- und Lösungsangeboten und welcher Form der jeweiligen Marktbearbeitung zukünftig in welchen Marktsegmenten welche Erfolge mit welcher Rentabilität erzielt werden.

Dies geht einher mit dem Sammeln und Analysieren relevanter Daten (Big Data), einem strategisch angelegten Content Marketing und dynamischen Verkaufsprozessen, in denen gut ausgebildete und motivierte Verkäufer unverändert eine unverzichtbare Rolle spielen – aber eben nur eine Rolle als integrierter Bestandteil einer konzertierten Unternehmensleistung. Umsetzen muss es demnach der Vertriebler, aber zu kreieren ist es vom Top-Management!

CEOs von Unternehmen, die im vorstehenden Sinne bereits gut oder besser aufgestellt sind, dürfen sich bei mangelhafter Performance Schuldzuweisungen an ihren Vertrieb erlauben – alle anderen sollten sich zunächst an die eigene Nase fassen.

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