Virtuelle Messen: Was virtuelle Messen zu bieten haben

In Zeiten der Corona-Krise sind praktisch alle Messen ab­gesagt. Aus­steller und Ver­anstalter können ihre Event-Konzepte mittler­weile aber relativ ein­fach als Online-Ver­anstaltung organisieren. Das bringt sogar ein paar genuine Vor­teile mit sich. Schwierig bleibt vor allem die Produktpräsentation.

Abschluss für Online-Aussteller

Von Dirk Zimmermann, X [iks]

Virtuelle Messen sind momentan der Trend. Das Internet bietet sich als alternativer Austragungsort an. Es kann plattformunabhängig Informationen übertragen, ist interaktiv und multimedial ausgelegt sowie zeit- und ortsunabhängig verfügbar. Wenn Online-Formate auch die persönliche Interaktion zwischen Anbietern und Interessenten, die Objektbesichtigung sowie den Konkurrenzvergleich unterstützen, erfüllen sie die Anforderungen des Marketing-Instruments Messe.

Virtuelle Messen

Bei einer Übertragung der Funktionen von realen Messen im Marketing der Messeakteure (Aussteller, Besucher und Veranstalter) und einer Analyse der derzeitigen Ausprägung virtueller Messen zeigen sich allerdings in der Praxis noch immer Defizite, die den Einsatz insbesondere virtueller Substitutionsmessen auf längere Zeit beeinträchtigen könnten. So bleiben vor allem die Objektpräsentation und das Kommunikationsangebot noch hinter den Erwartungen zurück. Virtuelle Begleitmessen dagegen haben sich bereits einen festen Platz erobert.

Virtuelle Messen lassen sich darüber hinaus von vergleichbaren Angeboten im Internet wie virtuellen Communities, Webportalen oder Shopping Malls nur unvollkommen abgrenzen. Ob sie angesichts der skizzierten technischen und funktionalen Schwierigkeiten über das Stadium eines Marketing-Modebegriffs hinauskommen, bleibt daher vorerst abzuwarten; es hängt davon ab, ob es gelingt, die Marktlücke zwischen der realen Messe einerseits und der einfachen Firmenhomepage andererseits so mit Inhalt zu füllen, daß sie von den Messeakteuren als Kunden wahrgenommen und honoriert wird.

Itelligence-Pressemitteilung-Bild-LogimMAT-virutell.jpg
Nach der LogiMAT-Absage 2020 entschloss sich das SAP-Beratungshaus itelligence, stattdessen einen virtuellen Messestand einzurichten. Auch andere Aussteller wie Torwegge haben sich einen Online-Showroom eingerichtet. (Bild: itelligence AG)

Möglichkeiten

Die virtuelle Messe ist die digitale Variante zum herkömmlichen Event und perfekt zur Neukundengewinnung und Kundenbindung geeignet. Im Online-Messeumfeld werden die Inhalte weltweit und 24/7 präsentiert, die auf einem realen Event nur zeitlich begrenzt verfügbar sind. Die Reichweite der zielgruppenoptimierten Inhalte ist somit um ein Vielfaches größer.

Die Veranstaltung setzt sich aus dem Stand eines Unternehmens oder Firmenverbundes oder einer ganzen Messe mit Partnerständen zusammen. Der Kunde findet alle Informationen an einem Ort, muß sich nicht dem anstrengenden Umfeld der Messe aussetzen und kann während des Event-Zeitraums jederzeit wiederkommen. Mehrere Interaktionsmöglichkeiten, wie Live-Chat oder Videokonferenzen verbessern die direkte Kommunikation zwischen Kunde und Unternehmen.

Die Vorteile:

  • weltweite Erreichbarkeit;
  • optimale Zielgruppenansprache;
  • enorme Kostenminimierung (Stand-, Personal-, Reisekosten);
  • Statistiken und Kennzahlen bilden Erfolg der Messe ab;
  • Steigerung des Website-Traffics;
  • Verbesserung des Suchmaschinenrankings;
  • Bildung einer hochwertigen Adressdatenbank.
Serie: Messestandorte
Teil 1 geht gleich einmal die Schwergewichte an: Berlin und Hannover, wo IFA und Hannover Messe sich um Aussteller und Besucher bewerben. Und was wird aus der Cebit? Eine Vorschau auf die erste TWENTY2X sagt, was der Nachfolger zunächst vorhatte, ein Update schildert die Neuplanung 2021. Teil 2 blickt nach Bayern, wo die Nürnberger it-sa München ein ordentliches Stück vom IT-Kuchen weggeschnappt hat. In Augsburg könnte die Experience Additive Manufacturing etwas werden, und im Herbst stehen SPS und Heim+Handwerk an. Teil 3 setzt sich ins Auto und besucht die Messezentren Frankfurt am Main und Stuttgart, speziell die TechWeek im November. Teil 4 fährt weiter zur Westfalenhalle und sortiert die Messelandschaft in NRW. Österreich wiederum hat seinen Schwerpunkt klar in Wien, aber auch Innsbruck oder Salzburg bieten interessante Fachmessen und -kongresse. Die Maker Faires wiederum haben ihren Platz im Schwerpunktbeitrag zur Maker-Szene. Als Extras gibt es noch einen Ratgeber Messeplanung für die CES in Las Vegas und eine Analyse der Möglichkeiten virtueller Messen.

Die virtuelle Messe wird als interaktive Website erstellt, die eine eigene URL bekommt oder auf der Unternehmenswebsite integriert wird. Die Teilnehmer loggen sich online ein und finden sich in einer virtuellen Messeumgebung mit Hallen und Ständen wieder, die von den Ausstellern CI-konform oder mit Standardvorlagen gestaltet werden. Unternehmen und Kunden müssen für die Verwendung keine spezielle Software installieren.

Ein traditioneller Hallenplan sorgt für die Orientierung in der virtuellen Umgebung. Die Teilnehmer finden sich somit sofort zurecht, alle Elemente sind selbsterklärend und durch einen Klick abrufbar.

Organisation

Unternehmen benötigen je nach Größe und Umfang der Veranstaltung verschiedene Tools. Für einfache Meetings oder Webinare reicht oft eine Konferenzsoftware wie zoom, Google Meet oder GoToMeeting. Diese Tools enthalten oft interaktive Funktionen wie Live-Umfragen oder Q&A. Alternativ kann man hierfür auch die jeweilige Event-App nutzen. Es gibt außerdem spezielle Anbieter für Livestreaming wie zum Beispiel Zamyo.

Wenn Unternehmen aber eine komplette virtuelle Messe oder Konferenz planen, nutzen sie besser eine spezialisierte Plattform wie EXPO-IP oder ubivent. Hier lassen sich virtuelle Messestände anlegen bzw. kann man Ausstellern ermöglichen, ihre Stände selbst zu gestalten. Auch der virtuelle Check-in der Teilnehmer wird durch den jeweiligen Anbieter abgewickelt. Mehrere Aspekte bei der Planung von virtuellen Events sind übrigens identisch mit einer traditionellen Veranstaltung, etwa die Registrierung und das Event-Marketing.

Home-Fair-live.jpg
In den Zeiten der Corona-Krise entstehen außerdem diverse Spezialangebote für die ausgefallenen Messen 2020, beispielsweise hat die Kommunikationsagentur PR!ZM zusammen mit La Concept das modulare Konzept Home Fair live entwickelt, das die Übersetzung der Messekonzeption von real in online praktisch vollständig übernimmt. (Bild: PR!ZM // weitwinkelmedia GbR)

Virtuelle Veranstaltungen funktionieren in vielerlei Hinsicht genauso wie klassische Live-Events. Zum Beispiel sollte es feste Öffnungszeiten geben, zu denen die Messestände „besetzt“ sind. Das heißt: In dieser Zeitspanne sollte immer ein Mitarbeiter des jeweiligen Ausstellers per Chat verfügbar sein. Übrigens dürfen Aussteller bei virtuellen Messen gerne kreativ werden: Auf herkömmliche Visuals wie Roll-ups sollte verzichtet werden. Stattdessen sollte aber die Verwendung von Multimedia-Content, zum Beispiel von Produktvideos oder interaktiven Demos, geregelt sein. Dazu lassen sich die Möglichkeiten von digitalen Technologien ausreizen.

Veranstalter und Aussteller können bei einem virtuellen Event einiges an Kosten sparen. Selbstverständlich sollten davon auch die Teilnehmer profitieren. Deshalb sollte der Ticketpreis möglichst niedrig sein oder der Eintritt gleich kostenlos. Gerade für wenig technikaffine Besucher baut das Hürden ab – wenn man nichts zu verlieren hat, ist man eher offen dafür, Neues auszuprobieren.

Zudem ist es auf einer Online-Plattform wesentlich leichter, das Verhalten der Teilnehmer nachzuvollziehen, als bei einer traditionellen Veranstaltung. Wichtig ist jedoch Transparenz, denn natürlich sollte nicht das Vertrauen der Besucher aufs Spiel gesetzt werden. Im virtuellen Bereich ist Datenschutz besonders wichtig, also sollten die digitalen Angebote darauf ausgerichtet werden, und es sollte auf der Registrierungsseite klar und deutlich formuliert sein, wie Teilnehmerdaten verwendet werden – was Unternehmen natürlich ohnehin bei jeder Veranstaltung tun sollten, egal, ob sie rein digital oder in der „echten Welt“ stattfindet.

Ubivent-John-Deere-Virtual-Career-Day-Mainhall.jpg
Speziell bei Karrieretagen und Jobmessen – hier bei John Deere – ist das virtuelle Format bereits gut bewährt. Die meetyoo-Lösung von ubivent war u.a. Gewinner des Innovationspreises IT und trägt das Software-Made-in-Germany-Siegel des Bundesverbands IT-Mittelstand. (Bild: ubivent GmbH)

Vorteile

Mit ihrer zeitlichen und örtlichen Unabhängigkeit bietet eine virtuelle Messe einen entscheidenden Mehrwert: Aussteller oder Veranstalter müssen das eigene Kundenpotenzial nicht lokal auf eine Region zu begrenzen, sondern können es ganzheitlich auszuschöpfen. Da sich der Aufwand auf ein Mindestmaß reduziert, wird außerdem die Hürde eines Messebesuchs für den Teilnehmer kleiner.

Dabei geht die Interaktion mit Messebesuchern und potenziellen Kunden keineswegs verloren. Ausstellerunternehmen haben in der Regel umfangreiche Möglichkeiten der Event-Visualisierung, können sich einen Messestand einrichten, ihre Konferenzsäle und den Empfang individuell gestalten. Über Webinare und Webkonferenzen treten sie mit Interessenten in Kontakt, halten Vorträge und vermitteln ihr Wissen und ihre Produkte. Der Austausch ist währenddessen, davor oder danach über (Video-)Chat möglich.

Besucher können an einer virtuellen Messe via PC, Tablett oder Smartphone teilnehmen, sich Vorträge und Videos ansehen, Whitepapers und bereitgestelltes Infomaterial herunterladen und vieles mehr. Über integrierte Pop-up-Fenster haben sie zudem die Möglichkeit, mit Ausstellern direkt in Kontakt zu treten und Fragen zu stellen.

Vorteile auf Unter­nehmens­seite Vorteile auf Teil­nehmer­seite
Vergleichsweise kosten­günstig Kennenlernen von Anbietern und Lösungen
Keine Reisezeiten und -kosten Persönliche Konferenz­agenda
Direkter Kontakt mit dem Ziel­publikum Whitepaper und Case Studies
Flexible Laufzeit Live-Chat-Beratung
Beliebig viele Themen adressier­bar Call Back
Live-Beratung und -Termin­vereinbarungen Workshops
Schneller Ersatz bei Ausfall von Speakern Live-Demos

Eine virtuelle Messe ähnelt einem konventionellen Messeauftritt und bietet gleichzeitig eine wertvolle und moderne Alternative zum klassischen Messebesuch. Letztendlich müssen Unternehmen selbst entscheiden, welches Modell am ehesten zu ihrer Marketing-Strategie paßt.

Dirk-Zimmermann.jpg

Dirk Zimmermann ist Direktor des X [iks] Institut für Kommunikation und ServiceDesign beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung von zukunftsfähigem Service und der Gestaltung kundengerechter Kommunikation. Seine Spezialgebiete sind die Entwicklung nachhaltiger Servicestrategien, die Gestaltung innovativer Serviceprodukte, der Aufbau eines erfolgreichen Servicemarketings sowie die Sicherung einer exzellenten Serviceperformance.

Er hat zahlreiche Studien, Umfragen, Fachbeiträge und andere Publikationen veröffentlicht und ist zudem Autor der Bücher „Faktor Service – Was Kunden wirklich brauchen“, „Service erfolgreich machen“, „Service besser kommunizieren“ sowie Co-Autor des Praxis-Lexikons eBusiness.


X [iks] Institut für Kommunikation und ServiceDesign, Wilhelm-Kuhr-Straße 87b, 13187 Berlin, Tel.: 030-41719296, office@dieserviceforscher.de, www.dieserviceforscher.de

Nützliche Quellen und Links