Haftung beim 3D-Druck: Wer für 3D-gedruckte Bauteile haftet

Der 3D-Druck hat längst seine Maker-Nische verlassen. Für inno­vative Unter­nehmen bietet er neue Chancen in der Fer­ti­gung, für Privat­anwender neue Mög­lich­keiten, selbst zum Her­steller zu werden. Das wirft recht­liche Fragen der Pro­dukt­haftung auf – und er­öffnet einen ganz neuen Markt für Versicherer.

Wer haftet, wenn der Drucker patzt?

Von David Schahinian

„Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem eine kritische Masse an Unternehmen auf 3D-Druck in der Fertigung setzt“, sagt Stefana Karevska von der Beratung EY. Diese prognostizierte im Herbst 2019, dass der Markt jährlich um 25 % wachsen dürfte und 2023 bereits gut 25 Milliarden Euro groß sein werde. Und nicht nur die Wirtschaft setzt auf additive Fertigungsverfahren. Mit der zunehmenden Auswahl an erschwinglichen 3D-Druckern und der flächendeckenden Verbreitung der Technologie kann nahezu jeder Hersteller werden.

Wie bei vielen anderen technischen Neuerungen auch muss die Rechtsprechung nachziehen, um Antworten auf Fragen zu geben, die bisher noch nicht relevant waren. Einige davon zählt der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in seiner Publikation „Rechtliche Aspekte der additiven Fertigungsverfahren“ auf. So sind mit diesen Verfahren beispielsweise Einzelstücke ohne technischen Mehraufwand möglich. Gängige Methoden zur Qualitätssicherung seien hier jedoch nicht anwendbar.

Aus der Fülle rechtlicher Fragen sticht die Produkthaftung besonders hervor – vor allem, weil der 3D-Druck in der Regel durch eine ausgeprägte Arbeitsteilung gekennzeichnet ist. Zu klären sei, wem das Produkt gehört, wer welche Nutzungsrechte an fremden Vorleistungen und der eigenen Arbeit hat sowie wer als Hersteller für das Produkt verantwortlich ist. „Die Situation wird zusätzlich hinsichtlich Produkthaftung und Patentrecht komplizierter, da Endverbraucher an mehreren Stellen im arbeitsteiligen Prozess involviert sein können“, heißt es beim VDI weiter.

Eine Frage der Haftung

„Der Kreis der haftenden Personen ist größer geworden“, unterstreicht Michael Bruch von der Allianz Global Corporate & Specialty und ergänzt: „Ich glaube, das wurde noch nicht hinreichend erkannt.“ Zusammen mit seinem Kollegen Jürgen Weichert hat er die sich daraus ergebenden Risiken unter die Lupe genommen. Wenn das Design beispielsweise schon als Produkt angesehen werden könne, wäre der Designer haftbar. Des Weiteren stelle sich die Frage, ob Betreiber von Internet-Plattformen, über die 3D-Modelle zum Verkauf angeboten werden, zur Warnung vor unsicheren Produkten verpflichtet sind. Außerdem könne auch die Software an sich als Produkt angesehen werden: „Softwarehersteller sollten prüfen, ob sie die entsprechende Deckung für eine Produkthaftung haben.“ Abgesehen davon unterliege der 3D-Druck, wie andere Produktionsverfahren auch, den jeweils einschlägigen Normen und Gesetzen – dementsprechend auch der je eigenen Haftung.

Es wird einerseits deutlich, dass viele virulente Rechtsfragen zum Verfahren noch nicht abschließend geklärt sind. Zum anderen, dass dem Begriff des Herstellers dabei eine zentrale Bedeutung zukommt. Das Produkthaftungsrecht in der EU geht allerdings noch von der herkömmlichen Wertschöpfungskette aus und enthalte Regelungen, die unmodifiziert den veränderten Rollen in vielen 3D-Herstellungsverfahren nicht gerecht werden, schreiben Rechtsanwalt Oliver Korte von der Kanzlei SKW Schwarz und Pajtesa Istrefi. Aus einer Analyse der Haftungsfragen leiteten sie Thesen zur Haftung ab, wenn ein im 3D-Druck hergestelltes Produkt fehlerhaft ist.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilage „IT- und Technologie­unternehmen stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Downl­oad-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Sie sehen den Ersteller einer CAD-Datei als Hersteller des später ausgedruckten Endprodukts an, da der Drucker die darin enthaltenen steuernden Befehle „sklavisch“ abarbeite. Seine Haftung beschränke sich aber auf Fehler der CAD-Datei, die später auf das Endprodukt durchschlagen. Wer das Produkt ausdruckt, werde ebenfalls zum Hersteller: „Er haftet sowohl für Fehler, die aus einer fehlerhaften CAD-Datei folgen als auch für solche, die aufgrund von Fehlern beim Ausdruckvorgang selbst auftreten.“ Wird für den Ausdruck ein externer Dienstleister eingesetzt, bleibe derjenige, der das Produkt ausdrucken will, Hersteller, sofern er dem Dienstleister die Datei liefert. Er hafte für die Fehler des Endprodukts, unabhängig davon, ob diese schon in der CAD-Datei angelegt waren oder nicht. Allerdings sei auch der den Drucker bedienende Dienstleister Hersteller: Er hafte aber nicht für Fehler der ihm vorgegebenen CAD-Datei, die auf das Endprodukt durchschlagen.

Absicherung tut not

Die Produkthaftung lässt sich gegenüber Verbrauchern nicht ausschließen, erklärt Rechtsanwalt Andreas Leupold auf industrie.de. Unternehmen, die den daraus folgenden Haftungsrisiken ausgesetzt sind, müssten sich deshalb in der Lieferkette absichern, „damit Schäden auch von dem Glied getragen werden, das sie verursacht hat“. Betriebe, die für sich selbst oder für ihre Kunden additive Fertigungsverfahren nutzen, sollten daher die Risiken und möglichen Fehlerquellen identifizieren, die zu einer Haftung im Außenverhältnis führen können, um dann geeignete technische und rechtliche Abhilfemaßnahmen umzusetzen.

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BauA-Publikationen zum Download
Produktsicherheit beim 3-D-Druck. Tipps für private Verwenderinnen und Verwender“ ist nur eine aus einer ganzen Reihe von BauA-Broschüren zum Thema 3D-Druck, Produktsicherheit und Rechtsrahmen. Weitere Papier fokussieren auf gewerbliche Anwender, den Online-Handel, die Marktüberwachung etc. (Bild: BauA)

Wo genau die Grenze zwischen privatem Anwender und Hersteller verläuft, ist ebenfalls relevant. Sie kann nämlich leicht überschritten werden, ohne dass Betroffene über das Wissen verfügen, das diese Rolle erfordert. Das berichtet die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in ihrer Publikation „Produktsicherheit beim 3D-Druck“. Werde dieser unternehmerisch oder gewerblich genutzt, gelte für die erzeugten Produkte das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Verwender, die durch ihr gewerbliches Auftreten Hersteller im Sinne dieses Gesetzes seien, haften entsprechend – etwa, wenn die hergestellten Produkte einen Schaden verursachen: „Ein Beispiel wäre ein Brand, der durch einen geschmolzenen Lampenschirm aus gedrucktem Kunststoff ausgelöst wird.“

Darüber hinaus können Verbraucher, die mit dem 3D-Drucker Produkte herstellen, unter Umständen auch zivilrechtlich im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) haften, heißt es bei der BAuA weiter. Die Haftung trete ein, wenn durch ihr unternehmerisches und geschäftsmäßiges Handeln ein fehlerhaftes Produkt zugänglich gemacht wurde, das einen Schaden verursacht hat: „Der Verwender des 3D-Druckers haftet dann wie ein Hersteller verschuldensunabhängig für das eigene Handeln.“

Neuer Markt für Versicherer

Die Rechtsfragen um additive Fertigungsverfahren verlangen mitunter komplexe Antworten, da oftmals zahlreiche verschiedene Rechtsgebiete zu beachten sind. Kein Wunder also, dass sich mittlerweile eine Vielzahl an Fachleuten auf das Gebiet spezialisiert hat. Dazu zählen zum einen Anwälte mit entsprechenden Schwerpunkten. Sie beraten u.a. zu Themen wie Lizenzverträgen für die Nutzung fremder Druckvorlagen oder dem Einklagen von Rechten bei der Verletzung von Marken.

Zum anderen haben auch Versicherungen den Markt für sich entdeckt. So hat die R+V Versicherung die Betriebs– und Produkthaftpflichtversicherung für ihre Firmenkunden an die neuen Risiken angepasst. Der 3D-Druck werfe neue Fragen zum Versicherungsschutz auf, sagt Burkhard Krüger, Abteilungsleiter Haftpflicht Firmenkunden, dazu: „Das gilt insbesondere in Bezug auf die Produkthaftung, Produktrückrufe und eventuell eintretende Eigenschäden des Herstellers, weil er seine ursprünglich genutzten Zulieferer nicht mehr in Regress nehmen kann.“ In dem neuen Baustein zur Absicherung von Ansprüchen und Schäden aus der Nutzung von additiven Fertigungsverfahren ersetzt die Versicherung beispielsweise auch Eigenschäden des Herstellers.

Die Basler und die Helvetia haben eine 3D-Drucker-Police bzw. -Versicherung in ihr Portfolio aufgenommen. Sie decken etwa beschädigte Rohmaterialien und Mehrkosten im Schadenfall ab, die aufgewendet werden müssen, um eine Betriebsunterbrechung zu vermeiden.

Die Politik ist gefordert

Additive Fertigungsverfahren sind künftig nicht mehr aus dem Produktionsalltag wegzudenken. Noch bleiben allerdings Fragen offen. „Hier ist die Politik – national und international – gefordert, damit die Rechte der Innovatoren, Produzenten und Nutzer von 3D gewahrt werden“, schreibt die Deutsche Bank in einem Marktausblick. Auch die EU hat das bereits erkannt und einen Bericht zum Thema verabschiedet. Darin heißt es, dass die Vorschriften der zivilrechtlichen Haftung bei einem defekten oder unsicheren 3D-Druckprodukt gelten, man jedoch ein spezifisches zivilrechtliches Haftungssystem in Erwägung ziehen sollte. Grund dafür ist die eventuell sehr lange und komplexe Kette der Verantwortlichkeiten. Bislang gebe es keine spezielle Rechtsprechung zu den Regeln der Haftpflicht für ein in 3D hergestelltes Produkt. Es ist davon auszugehen, dass sich das ändern wird. Nutzer von additiven Fertigungsverfahren sollten die Diskussion daher aufmerksam weiterverfolgen.

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David Schahinian arbeitet als freier Journalist für Tageszeitungen, Fachverlage, Verbände und Unternehmen. Nach Banklehre und Studium der Germanistik und Anglistik war er zunächst in der Software-Branche und der Medienanalyse tätig. Seit 2010 ist er Freiberufler und schätzt daran besonders, Themen unvoreingenommen, en détail und aus verschiedenen Blickwinkeln ergründen zu können. Schwerpunkte im IT-Bereich sind Personalthemen und Zukunftstechnologien.

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