IT-Karriere in der Krise: Nach welchen IT-Skills die Krise verlangt

Wer heute in der IT-Branche seinen Weg gehen will, sieht sich widersprüchlichen Signalen gegenüber. Einerseits stecken wir mitten in einer wirtschaftlichen Rezession. Viele Unternehmen verzeichnen Auftragseinbrüche und müssen entlassen. Doch in der IT-Branche sieht das glücklicherweise anders aus.

Berufliches Fortkommen trotz Corona

Von Friedrich List

IT-Unternehmen suchen nach wie vor Fachkräfte, auch wenn viele Firmen weniger neue Mitarbeiter einstellen als noch vor der Corona-Krise. Für einen Jobwechsel liegen die Hürden also höher. Dennoch lassen sich Chancen finden und nutzen, wenn man ein paar grundlegende Voraussetzungen beachtet.

Drei Bewerbertypen

Wer sich bei der Jobsuche optimal präsentieren will, sollte sich darüber klar werden, zu welcher Art Bewerber er bzw. sie zählt. Jobsuchende lassen sich grob in drei verschiedene Typen einteilen.

  1. Andere sprechen lassen: Wegen ihrer guten Kontaktpflege kommen Netzwerker recht gut an Empfehlungen durch aktuelle oder frühere Kollegen aus Arbeit, Ausbildung oder Studium. Dabei gibt es zwei Arten von Empfehlungen: Die eine sind mündliche Referenzen, bei denen Unternehmen die Möglichkeit nutzen, mit ausgewählten Kollegen in Kontakt zu treten. Die zweite sind Empfehlungsschreiben. Beides kann von Vorteil sein, denn bei potenziellen Arbeitgebern erregen Empfehlungen aus dem Kollegenkreis immer Aufmerksamkeit. Sie lassen eine gute erste Einschätzung darüber zu, ob ein Bewerber zum Unternehmen passt. Weniger gern gesehen sind dagegen Empfehlungen aus dem privaten oder gar verwandtschaftlichen Umfeld. Unter Umständen wirkt sich das eher negativ aus.
  2. Fakten sprechen lassen: Auch introvertierte Menschen können Empfehlungen oder Referenzen für sich nutzen. Wer objektive Referenzen aus früheren Arbeitsverhältnissen vorweisen kann, sticht aus der Masse der Bewerbungen sofort heraus. So wird deutlich, wo die eigenen Stärken liegen. Außerdem vermeidet man auf diese Art die verklausulierte Sprache von Arbeitszeugnissen.
  3. Selbst sprechen: Wer sich selbst empfehlen möchte, kann das auf indirektem Weg tun. Dazu eignen sich Business-Netzwerke wie Xing oder LinkedIn mit ihren themen- und berufsspezifischen Foren. Weil sich hier auch Personaler und Recruiter umschauen, bietet sich die Möglichkeit, mit guten Inhalten Interesse zu wecken. Das können Fachartikel sein, die man mit einem Kommentar im Netzwerk oder in einem der Foren teilt. Eine andere Möglichkeit sind eigene Artikel zu Themen, in denen man sich auskennt und die auch berufliche Kompetenzen herausstellen. Allerdings sollte man diese Strategie losgelöst von einer konkreten Bewerbung anwenden und bereit sein, sie über einen längeren Zeitraum zu verfolgen.

Keiner dieser Typen tritt natürlich in Reinform auf. Man fährt am besten, wenn man die für sich richtige Mischung aus allen drei Strategien findet. Die Business-Netzwerke zu nutzen, kann auch Teil einer Strategie sein, die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Das lässt sich aber auch dort tun, wo man aktuell arbeitet. Wer ein gutes Netzwerk in der Firma pflegt, hat gute Aussichten, auch weiterhin relevant zu bleiben.

ITuK1.2021.gesamt.neu.jpg

Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Neugierig bleiben

Fähigkeiten und Wissen lassen sich immer ausbauen. Gerade Zeiten wie diese lassen sich zur Weiterbildung nutzen. „Ich habe die große Chance erkannt, an mir selbst zu arbeiten und habe Nächte damit verbracht, zu recherchieren, zu experimentieren und zu lernen – wohl wissend, dass sich das wahrscheinlich nicht direkt auszahlen wird“, verriet Steve Tcherchian, CISO des US-amerikanischen IT-Sicherheitsunternehmens XYPRO, gegenüber der Computerwoche. Während der Finanzkrise 2008 hatte er sich trotz großer Arbeitsbelastung neue Kenntnisse erschlossen. Das kann einem gerade helfen, wenn man gezwungen ist, nach einem neuen Job Ausschau zu halten.

Eine andere Möglichkeit, sein Skillset zu erweitern, sind Weiterbildungen, die der Arbeitgeber anbietet. Alternativ kann man auch die Möglichkeiten nutzen, die der Markt für berufliche Fortbildungen bietet. Zudem trifft eine Rezession nicht alle Unternehmen gleichermaßen. Man sollte also nach Branchen und Firmen suchen, die weiter dynamisch aufgestellt sind oder aber gerade wegen der Krise nach IT-Experten Ausschau halten. Hier bieten sich Jobportale, Recruiting-Websites, aber auch die Fach- und Branchenpresse als Informationsquellen an. Dadurch behält man auch offene Stellen und Veränderungen im Gehaltsgefüge anderer Unternehmen im Blick. Die Chancen stehen gut, dass man auf diese Weise auf Positionen und Aufgabenprofile stößt, für die man zwar geeignet ist, die man aber bisher nicht beachtet hat.

Jetzt Gelegenheiten nutzen

Etliche Experten halten es für wahrscheinlich, dass sich durch die Corona-Krise die Arbeit vieler ITler stark verändern wird. Tatsächlich dürfte sich die Nachfrage nach Spezialisten eher verstärken. Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass viele Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken. Das wiederum wirkt als Treiber für die Digitalisierung der Wirtschaft. „Jeder Mitarbeiter, der nicht in der Produktion beschäftigt ist, wird mit Laptop, Mobiltelefon und anderen Geräten ausgestattet. Die müssen alle an die hausinterne Technik angeschlossen werden und einwandfrei funktionieren“, erklärt der IT-Recruiter Robin Zugehör gegenüber Welt Online. „Dafür werden vor allem Experten rund um den Bereich mobiles Arbeiten gebraucht.“

Direkt damit zusammen hängt die wachsende Nutzung von Cloud-Lösungen durch Unternehmen. Hier sieht Zugehör einen großen Bedarf an IT-Ingenieuren, die gleichzeitig Experten für Cloud-Technologien sind und den Transfer in die Cloud umsetzen können. Damit kommen die Cloud Architects zum Zuge, die ein derartiges Projekt stemmen und die entstandene Infrastruktur betreiben können.

Das nach wie vor steigende Risiko von Cyberattacken führt zu einer wachsenden Nachfrage nach Experten für IT-Sicherheit. Auch andere Felder wie die wachsende Bedeutung von Big Data und künstlicher Intelligenz erfordern kompetente Fachkräfte. Und natürlich sind auch Softwareentwickler weiterhin gefragt. Ein recht neues Tätigkeitsprofil ist dabei der Software Requirements Engineer, der vor der eigentlichen Programmierarbeit festlegt, was das neue Programm können muss und welche Features es dafür braucht.

Oft unterschätzt: Soft Skills in der IT

Mit der Betreuung externer Dienstleister steigt die Beschäftigung für Service-Level-Manager. Sie definieren die auszulagernden Aufgaben und überwachen dann die Arbeit der externen Unternehmen. Hierbei sind nicht nur technische Kenntnisse, sondern auch Social Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Verhandlungsgeschick und Teamfähigkeit gefragt. Dasselbe gilt für den User Support, dessen Bedeutung mit der technischen Komplexität von IT-Produkten immer weiter steigt.

Die IT-Welt zieht Menschen an, deren Denken sich an harten Fakten, klar definierten Problemstellungen und optimalen Lösungswegen orientiert. Allerdings verstärkt die Entwicklung der Branche immer mehr den direkten Kontakt mit Kunden, der Geschäftsführung oder anderen wichtigen Entscheidungsstellen im Unternehmen. Als IT-Fachkraft arbeitet man also immer seltener als reiner IT-Spezialist, sondern zunehmend auch als Berater, Analytiker und praktischer Problemlöser. Führungspositionen erfordern nicht selten betriebs- oder volkswirtschaftliche Kenntnisse. In multinationalen Teams und bei größeren Projekten sind kommunikatives Geschick, Diplomatie und Konfliktstärke gefordert.

Krise? – Nicht für mich

IT-Fachkräfte müssen mit Komplexität umgehen können und bereit sein, immer wieder neu zu lernen. Das zahlt sich auch bei der Jobsuche aus. Wer gerade in Krisenzeiten Flexibilität zeigt und sich auf neue Gegebenheiten einstellen kann, hat als IT-Experte nichts zu befürchten.

Friedrich-List-square.jpg

Friedrich List ist Journalist und Buch­autor in Hamburg. Seit Anfang des Jahr­hunderts schreibt er über Themen aus Computer­welt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raum­fahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Inter­nationalen Raum­station. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.

Nützliche Links