Wolfgang Jung: Wer Kreditanfragen aus dem Mittelstand bearbeitet

Die Politik zerbricht sich den Kopf, wie sie billiges Geld als Kredite an die Wirtschaft bringen könnte. Zugleich gibt es zunehmend strengere Kontrollmechanismen bei der Kreditvergabe. Südwestbank-Vorstand Wolfgang Jung erklärt im MittelstandsWiki-Interview, wie Kunde und Bank am besten zusammenarbeiten.

Der größte Fehler ist unzureichende Kommunikation

Wolfgang Jung ist Vorstandsmitglied der Südwestbank und u.a. zuständig für die Bereiche Unternehmenskunden, Landwirtschafts- und Agrargewerbe, Compliance, Personal und Recht. Der Betriebswirt ist seit 2009 bei der unabhängigen Privatbank und wurde gerade vom Aufsichtsrat für weitere drei Jahre bestätigt. Für ihn ist eine frühzeitige und umfassende Kommunikation das Wichtigste bei der Kreditvergabe. „Uns wird öfters gesagt, dass wir zu neugierig seien“, sagt er. „Aber das müssen wir sein, wenn wir den Kunden verstehen wollen.“

MittelstandsWiki: Sie arbeiten seit über 30 Jahren im Firmenkundengeschäft. Worauf achten Sie bei der Kreditvergabe?

Wolfgang Jung: Eine Bank sollte möglichst genau wissen, was ihre Kunden bewegt. Im konkreten Fall müssen wir überzeugt sein von dem Unternehmen, seinen Produkten und seiner Geschäftsidee und natürlich von dem spezifischen Projekt, für das das Kapital gebraucht wird. Außerdem benötigen wir für die Kreditvergabe einen aktuellen Jahresabschluss, also entweder eine Bilanz oder eine Einnahmenüberschussrechnung, und eine betriebswirtschaftliche Auswertung, die unterjährig zeigt, wie der Betrieb aktuell dasteht. Bei größeren Kreditlinien schauen wir uns außerdem das Geschäftsmodell und das Wettbewerbsumfeld genauer an. Damit wir den Kunden verstehen können, ist es wichtig, Einblick in die Planungen für das nächste Jahr zu haben. Ich sage immer: „Nehmen Sie uns als Partner mit auf Ihre Reise!“. Der größte Fehler, den ein Unternehmer machen kann, ist zu späte oder unzureichende Kommunikation. Es kommt immer wieder vor, dass ein Kunde eine Maschine bereits gekauft hat und dann kurzfristig Geld braucht. Damit setzt er sich und die Bank unnötig unter Druck.

MittelstandsWiki: Und was machen Sie dann?

Wolfgang Jung: Wir versuchen, gemeinsam mit dem Kunden die Herausforderung zu meistern. In einer langfristig gewachsenen Hausbankbeziehung findet man bei einem großen Prozentsatz eine Lösung. Mit Hauruck-Aktionen schaden sich die Unternehmen. Allein schon deshalb, weil unsere Kundenbetreuer kurzfristig keine öffentlichen Förderkredite in den Finanzierungsmix einbeziehen können. Die müssen nämlich vorher beantragt werden.

MittelstandsWiki: Man hört aber doch immer wieder, dass Banken KfW-Kredite nur ungern vermitteln, weil sie damit zu wenig verdienen. Was sagen Sie dazu?

Wolfgang Jung: Dass kann ich nicht bestätigen. Seit die öffentlichen Förderbanken die Einheitsmargen abgeschafft und ein risikobasiertes Zinssystem eingeführt haben, verdient auch die Bank in einem angemessenen Rahmen. In Kreditgesprächen mit Kunden ist es bei uns üblich, zu allererst auf Fördermittel zu prüfen.

MittelstandsWiki: Aber die Zinsen liegen unter den Marktsätzen. Und wenn Ihre Mitarbeiter die Kunden kompetent beraten sollen, brauchen sie regelmäßige Schulungen. Das kostet auch noch mal extra. Das Geld werden Sie sich doch irgendwo wieder hereinholen.

Wolfgang Jung: Der Wettbewerb ist hart. Zudem haben die meisten Kunden einen recht guten Marktüberblick. Wir könnten es uns gar nicht leisten, irgendwo durch das Hintertürchen höhere Zinsen oder Sondergebühren zu berechnen. Dann blieben uns nur Kunden mit schlechter Bonität. Nein. Wir sehen den langfristigen Kredit als einen Anker in der Geschäftsbeziehung. Daneben haben die Kunden ja auch noch andere Anliegen wie den Zahlungsverkehr oder eine Import- oder Exportfinanzierung.

MittelstandsWiki: Zurück zum Thema Reporting. Eine regelmäßige Kommunikation ist für Sie das A und O. Aber was sagen Sie einem selbstständigen Handwerker, der bis spät nachts arbeitet und einfach nicht den Kopf frei hat, um Ihnen regelmäßig Rede und Antwort zu stehen.

Wolfgang Jung: Dass er sich Strukturen schaffen muss, die ihm helfen, den Überblick zu behalten. Nicht nur im Reporting – auch in seinem Betrieb. Wenn unsere Kundenbetreuer sehen, dass der Unternehmer von morgens 7 Uhr bis abends 21 Uhr arbeitet und alles an ihm klebt, dann muss man ihm sagen „Denk an dich! Denk an deine Verantwortung für deine Mitarbeiter. Schaffe eine Struktur, die dir Zeit verschafft. Es bringt dir nichts, wenn du Aufträge reinholst, aber zu spät deine Rechnungen stellst.“ Kommunikation heißt nicht nur, dass mir der Unternehmer seine Unterlagen gibt. Wir schauen uns die Unterlagen an und zeigen ihm auf, wo wir Risiken sehen und was er tun kann, um diese Risiken zu umgehen oder abzusichern. Wir sehen uns als Partner auf Augenhöhe, der auch mal kritische Fragen stellen darf.

MittelstandsWiki: Und Ihre Kunden lassen sich das gefallen?

Wolfgang Jung: Sie akzeptieren es in der Regel. Sonst muss man die Geschäftsbeziehung überdenken. Wir wollen ihnen ja nichts Böses. Uns wird öfters gesagt, dass wir zu neugierig seien. Aber das müssen wir sein, wenn wir den Kunden verstehen wollen.

MittelstandsWiki: Was können Sie zum Schluss Unternehmen raten, die ein passendes Geldinstitut suchen?

Wolfgang Jung: Dieser Frage möchte ich mich anhand von sieben Fragen nähern.

  • Frage 1: Wie hat sich die Bank in der Vergangenheit verhalten? Also: Wie sahen die bankpolitischen Entscheidungen aus? Gibt es die Bank schon länger und war der Mittelstand schon immer ein Zielsektor?
  • Frage 2: Wie ist die öffentliche Wahrnehmung der Bank? Ist sie als ein berechenbares Institut bekannt. Und wie verhält sie sich in Krisensituationen? Eine Bank muss immer klar kommunizieren, auf welcher Basis sie ihre Entscheidungen trifft.
  • Frage 3: Wie ist die Nähe zu den Entscheidern? Kann ich im Umkreis von wenigen Kilometern mit einem Kundenbetreuer sprechen, der auch über einen höheren Kredit entscheiden kann?
  • Frage 4: Wie sind die Entscheidungswege? Bekomme ich auf meine Kreditanfragen eine schnelle Antwort oder geht sie erst von Tuttlingen nach München und von München nach Italien und wieder zurück?
  • Frage 5: Kann ich mit meinem Berater direkt kommunizieren oder nur über ein Callcenter? Gibt es einen Ansprechpartner, der für mich zuständig ist.
  • Frage 6: Wie ist das Leistungsspektrum? Deckt sie die Leistungen ab, die ich benötige? Wenn sie sich gut im Asiengeschäft auskennt, ist das zwar schön, aber ich brauche in erster Linie eine Bank, die mir vor Ort hilft.
  • Frage 7: Wie stabil ist die Bank? Kann sie mit mir wachsen und mir, wenn nötig, auch größere Kreditlinien zur Verfügung zu stellen?

Wenn ein Unternehmer diese Fragen abklopft, dürfte er eine Bank finden, die zu ihm passt.

Das Interview führte Sabine Philipp.