Maker-Szene: Wo Hightech im Eigenbau funktioniert

Bastler und Tüftler gab es immer schon. Neu an der Maker-Szene ist nicht nur, dass sie mit 3D-Druckern und Open-Source-Mikro­computern arbeitet. Was Maker vom klassischen Keller­genie unter­scheidet, ist auch das Aus­maß der Ver­netzung und Kommuni­kation. Wirt­schaft und Politik wissen das für sich zu nutzen.

Technik zum Anfassen

Von Roland Freist

Die Maker-Szene ist eine der erfolgreichsten Bewegungen der letzten beiden Jahrzehnte. Ihre Mitglieder kommen aus dem Umfeld der Open-Source– und der freien Programmiererszene, sie sind moderne Vertreter der ehemaligen Heimwerker- und Do-it-yourself-Bewegung. Doch statt im Baumarkt findet man sie eher im Elektronikfachgeschäft und auf den Websites spezialisierter Versender von Zubehör für Mikrocomputer oder 3D-Drucker. Es sind Bastler, die sich für moderne Technik begeistern, diese aber nicht nur konsumieren, sondern auch selbst kreativ für eigene Projekte nutzen wollen.

Thema: Maker-Szene
Die Einführung gibt einen ersten Überblick über Ziele, Organisationsformen und die wichtigsten Treffs und Termine in Deutschland. Ein erster Schwerpunktbeitrag geht dann genauer auf die Makerspaces an Rhein und Ruhr ein. Weitere Regionalreports sind in Vorbereitung.

Die Anfänge der Bewegung reichen in den USA bis in die 1990er Jahre zurück. Richtig in Schwung kam die Entwicklung jedoch erst in den letzten zehn Jahren, als mit Arduino und Raspberry Pi (von den Besitzern häufig liebevoll „Raspi“ genannt) preiswerte und programmierbare Mikro- und Einplatinencomputer im Scheckkartenformat zur Verfügung standen und die bereits länger existierenden 3D-Drucker im Preis endlich so weit gefallen waren, dass sie auch für private Anwender erschwinglich wurden. In den letzten Jahren fielen zudem die Preise für Werkzeuge wie etwa Lasercutter oder CNC-Fräsen, die sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass sie sich digital steuern lassen, also beispielsweise über Code, der auf dem Raspberry Pi läuft.

Förderlich für das Entstehen einer Maker-Szene war zudem eine Entwicklung bei der Software: Open-Source-Programme waren kostenlos verfügbar, ihre Macher erlauben über die Lizenzbestimmungen in vielen Fällen sogar Anpassungen fremder Programmierer. Bedingung ist in der Regel lediglich, dass die Änderungen dokumentiert und die neuen Versionen wieder der Community zur Verfügung gestellt werden. Sehr schnell erschienen angepasste Versionen des Open-Source-Betriebssystems Linux für die Einplatinencomputer, und für die Entwicklung eigener Skripte stand bereits die freie und verhältnismäßig einfach zu erlernende Programmiersprache Python bereit.

Werkstätten zum Ausprobieren neuer Technik

Genauso wichtig wie die Entwicklung geeigneter Technik waren und sind für die Maker-Szene die Makerspaces bzw. FabLabs (Fabrication Laboratories) oder Hackerspaces. Dabei handelt es sich um Werkstätten, in denen die Besucher unter Anleitung erfahrener Anwender erste Versuche etwa mit einem 3D-Drucker unternehmen und sich mit der Technik vertraut machen können. Die Website maker-faire.de zählt aktuell 278 Makerspaces in Deutschland. Teilweise handelt es sich um kommunale Initiativen oder offene Werkstätten an Schulen und Universitäten. Bei der Mehrzahl kümmern sich jedoch eingetragene Vereine um die Organisation und die Anschaffung der benötigten Werkzeuge und Geräte. Oft bieten sie auch Kurse zur Programmierung mit Python und anderen Sprachen oder auch zur Handhabung von Lötkolben an – alles Fähigkeiten, die für die Einbindung von Arduino und Raspi als Steuerungseinheiten in selbst entwickelte Projekte benötigt werden.

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Eine Karte auf maker-faire.de/makerspaces/ zeigt die Standorte der Makerspace-Werkstätten im deutschsprachigen Raum an. (Bild: Maker Faire)

Die Makerspaces haben jedoch eine weit umfassendere Funktion als die Bereitstellung von Know-how und Werkzeugen. Sie dienen der Szene als soziale Räume, in denen sich die Mitglieder austauschen und gemeinsame Projekte entwickeln. Neben den Foren, die einige Betreiber im Internet aufgebaut haben, sind die Werkstätten oft der beste Weg, um mit gleichgesinnten Bastlern in Kontakt zu kommen, Hilfe bei Problemen zu erbitten und andererseits das eigene Know-how weiterzugeben. Die Makerspaces sind essenziell für die Bildung von regionalen Communities, die dann alsbald weitere Interessierte anziehen.

Faire Sache – Messen für Maker

Die Maker-Szene knüpft aber auch internationale Netzwerke. Dazu dienen in erster Linie die Maker Faires, auf denen die Aussteller Werkzeuge und Zubehör für die Konstruktionen der Maker präsentieren und die Maker selbst ihre neuesten Entwicklungen vorstellen. Das Rahmenprogramm umfasst Workshops und Seminare, die Anleitungen zu häufig benötigten Arbeitstechniken geben, die Funktionen der neuesten Werkzeuge und Bauteile vorstellen oder beispielsweise zeigen, wie man sich per Crowdfunding Kapital für sein Projekt besorgen kann. Auf vielen Messen wird auch ein CoderDojo angeboten, ein Workshop für Jugendliche zwischen sieben und 17 Jahren, die dort eine erste Einführung in die Programmierung bekommen.

Die größten deutschen Veranstaltungen dieser Art sind die Maker-Treffen in Berlin, Hannover und München. Die Maker Faire Berlin findet 2021 am 17. und 18. April in der Arena Berlin statt, Hannover folgt am 11. und 12. September, Veranstaltungsorte sind das Hannover Congress Centrum und der Stadtpark. Die Make Munich findet alle zwei Jahre statt, das nächste Mal 2021. Allerdings gibt es in der bayerischen Hauptstadt mit dem Techfest Munich noch ein weiteres Festival mit ähnlicher Zielrichtung, die 2020er Veranstaltung im UnternehmerTUM in Garching, wo viele Institute der TU München ihren Sitz haben, wurde Corona-bedingt abgesagt, ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Maker Faires im deutschsprachigen Raum

Die Termine 2020 mussten praktisch alle abgesagt werden. Viele Veranstaltungen haben für 2021 derzeit noch keinen Termin kommuniziert, so die Dussmann Mini Maker Faire im Dussmann das KulturKaufhaus, die Make Munich, die Mini Maker Faires in Aurich, Heilbronn, Minden-Lübbecke, Salzburg und Sindelfingen sowie die Techfest Munich. Einige der größeren Maker Faires haben aber bereits Daten für 2021:

Die erste Maker Faire der Welt startete 2006 in San Mateo in der kalifornischen Bay Area. Sie wurde organisiert von Maker Media Inc., dem Verlag des amerikanischen Make:-Magazins. Die Messe zog in den besten Jahren bis zu 900 Aussteller und 145.000 Besucher an, zuletzt waren die Zahlen jedoch rückläufig. Im Juni 2019 meldete Dale Dougherty, der Gründer und Geschäftsführer von Maker Media, Konkurs an. Bereits einen Monat später jedoch ging er mit einer neuen Firma an die Öffentlichkeit: Make Community LLC ist der direkte Nachfolger von Maker Media Inc. und hat aus der Konkursmasse die Markenrechte und die Zeitschrift Make: übernommen. Ob und wie es mit der Messe weitergeht, ist derzeit unklar.

Serie: Messestandorte
Teil 1 geht gleich einmal die Schwergewichte an: Berlin und Hannover, wo IFA und Hannover Messe sich um Aussteller und Besucher bewerben. Und was wird aus der Cebit? Eine Vorschau auf die erste TWENTY2X sagt, was der Nachfolger zunächst vorhatte, ein Update schildert die Neuplanung 2021. Teil 2 blickt nach Bayern, wo die Nürnberger it-sa München ein ordentliches Stück vom IT-Kuchen weggeschnappt hat. In Augsburg könnte die Experience Additive Manufacturing etwas werden, und im Herbst stehen SPS und Heim+Handwerk an. Teil 3 setzt sich ins Auto und besucht die Messezentren Frankfurt am Main und Stuttgart, speziell die TechWeek im November. Teil 4 fährt weiter zur Westfalenhalle und sortiert die Messelandschaft in NRW. Österreich wiederum hat seinen Schwerpunkt klar in Wien, aber auch Innsbruck oder Salzburg bieten interessante Fachmessen und -kongresse. Die Maker Faires wiederum haben ihren Platz im Schwerpunktbeitrag zur Maker-Szene. Als Extras gibt es noch einen Ratgeber Messeplanung für die CES in Las Vegas und eine Analyse der Möglichkeiten virtueller Messen.

Aktuell nimmt die Zahl der weltweiten Maker Faires immer noch weiter zu. Mittlerweile sind es rund 150 Messen, die vor allem in Nordamerika und Europa veranstaltet werden. Einige darunter haben gegenüber dem amerikanischen Vorbild den Vorteil, dass sie keinen Gewinn erzielen müssen. Sie werden von Unternehmen gesponsert oder von staatlichen Stellen finanziert. Die Mehrzahl jedoch hat ihre Wurzeln in der weltweiten Maker Community, die Veranstalter gehen häufig ein hohes finanzielles Risiko ein. Der Begriff „Maker Faire“ und das zugehörige Logo sind lizenzrechtlich geschützt. Wer eine Maker Faire veranstalten will, muss sich bei Maker Media um eine Lizenz bewerben. Oder er macht es wie die Make Munich und denkt sich einen eigenen Titel für die Messe aus.

Bezugsquellen und die Zeitschrift

Das wichtigste Kommunikationsmittel der Szene ist seit 2005 die US-Zeitschrift Make:, die heute von Make Community herausgegeben wird. Das deutsche Magazin gleichen Namens hat redaktionell und verlegerisch mit dem amerikanischen Vorbild nichts zu tun und ist aus den Sonderheften der Reihe c’t Hardware Hacks hervorgegangen. Die deutsche Make: wird herausgegeben von der Maker Media GmbH, einer 100-prozentigen Tochter des Heise Verlags, der dafür von Maker Media Inc. die Markenrechte für den deutschsprachigen Raum erworben hatte. Wirtschaftlich gibt es keine Verflechtungen zwischen Heise und Maker Media oder Make Community.

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Hinter der deutschen Make: steht die Maker Media GmbH, eine Tochter der Heise-Gruppe. Das derzeitige Sonderheft zu Node-RED zeigt z.B., wie man ohne große Programmierkenntnisse fertige Blöcke zu Flows kombiniert und auf diese Weise sein Smart Home steuert. Ebenfalls wieder mit an Bord: der Raspberry Pi. (Bild: Heise)

Die von den Makern für ihre Projekte benötigten Bauteile, Werkzeuge und Materialien sind im klassischen Einzelhandel und vor allem außerhalb der Großstädte oftmals nur schwer zu finden. Es gibt jedoch mehrere Online-Shops, welche die verstärkte Nachfrage nach Platinen, Erweiterungen, 3D-Druckern etc. registriert und darauf mit einer Erweiterung ihres Angebots reagiert haben.

Arduino- und Raspberry-Pi-Boards sowie das umfangreiche Zubehör finden Bastler am ehesten in den Shops der großen Elektronikversender wie Bürklin, Conrad, ELV, Pearl, Pollin, Reichelt, Voelkner oder Watterott. 3D-Drucker sind schon etwas schwieriger zu bekommen, tauchen aber beispielsweise in den Verzeichnissen von Digitalo, ELV oder SMDV sowie bei Spezialgeschäften wie 3D-grenzenlos, 3dmensionals oder IGO3D auf. Wenn es um die Suche nach einer CNC-Fräse oder einem Lasercutter geht, lohnt sich ein Blick auf die Websites von Werkzeuganbietern für professionelle Anwender wie etwa Contorion, Ohlendorf oder Toolineo. In vielen Fällen wird man jedoch auch bei den beiden großen Universalisten Amazon und eBay fündig.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag war für ein Frühjahrsheft 2020 unserer Magazin­reihe „IT-Unternehmen aus der Region stellen sich vor“ vorgesehen, das Corona-bedingt entfallen musste. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen bereits verfügbaren Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Zusammenarbeit mit Unternehmen

Bereits sehr früh weckte die Maker-Szene die Neugierde der Wirtschaft. Vor allem große, multinationale Unternehmen erkannten, dass sie hier mit einem verhältnismäßig geringen finanziellen Aufwand Zugang zu neuen Ideen und einem riesigen Netzwerk von kreativen Tüftlern und Bastlern bekommen konnten. Aber auch das Konzept der Makerspaces, gut ausgestatteten Werkstätten, in denen sich interessierte Personen mit neuester Technik vertraut machen können, überzeugte die Firmen.

In den vergangenen Jahren haben beispielsweise der französische Industriekonzern Compagnie de Saint-Gobain, Airbus oder der chinesische Auftragsfertiger Foxconn interne FabLabs eröffnet, in denen ihre Mitarbeiter an Projekten arbeiten können. Auf diese Weise wollen sie über den Bau von Prototypen zum einen Innovationsprozesse beschleunigen und die bereichsübergreifende Kooperation verbessern, zum anderen aber auch die Kreativität und praxisorientierte Arbeitsweise der Mitarbeiter fördern.

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Im Airbus-eigenen ProtoSpace entstehen nicht nur Modelle, sondern sogar funktionsfähige Großprototypen. (Bild: Airbus)

Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Werkzeugen allein nicht ausreicht, um die Innovationskultur eines Unternehmens zu verbessern. Dazu bedarf es eines Konzepts, das einen konkreten Nutzungsplan, die Organisation von Schulungen und den Aufbau eines Kommunikationsnetzes sowie einer internen Community umfasst.

Häufig ist es daher effektiver, mit externen Makerspaces zusammenzuarbeiten, um die herum sich bereits eine Community mit eigener Struktur gebildet hat. Die amerikanische Ford Motor Company beispielsweise ermöglichte 2000 ihrer Mitarbeiter eine Mitgliedschaft bei der Makerspace-Kette Techshop. Bereits im ersten Jahr stieg daraufhin die Zahl der Meldungen zu neuen Erfindungen um 50 % an. Bill Coughlin, der CEO von Ford Global Technologies, führte das unter anderem darauf zurück, dass ein im Makerspace entstandener Prototyp, den man in die Hand nehmen und zumindest in den Grundfunktionen ausprobieren kann, erheblich überzeugender auf einen Entscheidungsträger wirke als ein Konzept, das nur auf dem Papier steht. In den USA sind neben Ford vor allem GE und Chevron sehr aktiv bei der Förderung und Gründung neuer Makerspaces.

In Deutschland arbeitet beispielsweise BMW mit dem Makerspace in Garching zusammen, der wiederum von der UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung an der TU München, eingerichtet wurde. Der Automobilkonzern nutzt die Werkstatt als Innovationsinkubator. Dort können seine Mitarbeiter auf neue Ideen reagieren und sie direkt und ohne langwierige Prozesse und Prozedere testen.

Makerspaces haben für Unternehmen aber noch einen weiteren großen Wert: In den Werkstätten können sie sich nicht nur als moderne, innovative Firmen mit flachen Hierarchien präsentieren. Sie kommen auch in Kontakt mit jungen, kreativen Köpfen und können sich ihnen als attraktiver Arbeitgeber vorstellen. Der finanzielle Aufwand dafür ist vergleichsweise gering, sodass eine Kooperation nicht nur für große Konzerne, sondern auch für KMU in Frage kommt.

Der Aufbau einer solchen Werkstatt und die Förderung der Community, die sich im Umfeld entwickelt, empfiehlt sich insbesondere für Regionen mit einer geringen Dichte an Forschungs- und Lehreinrichtungen. Kreative Talente finden dort einen Anlaufpunkt, um sich zu vernetzen, außerdem importieren sie Ideen aus anderen Communities und verbreiten Innovationen. Moderne digitale Werkzeuge und Produktionsmittel werden über die Makerspaces auch für kleine, regionale Unternehmen zugänglich.

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Mit den Aufgaben und Wettbewerben auf der Seite NASA Solve wendet sich die amerikanische Raumfahrtbehörde vor allem an kreative Köpfe der Maker-Szene. Schlagzeilen hat vor allem die Lunar Loo Challenge gemacht, bei der die NASA Toilettenlösungen für die Schwerelosigkeit sucht. (Bild: National Aeronautics and Space Administration)

Nicht nur die Industrie hat das Potenzial der Maker-Szene erkannt. Auch staatliche Organisationen buhlen um ihre Mitglieder und deren Erfindungsgeist. So hat die amerikanische Weltraumagentur unter dem Titel NASA Solve eine Website aufgebaut, auf der sie technische Aufgaben vorstellt, die sich speziell an die Maker Community richten. In Deutschland hat das Bundesforschungsministerium bereits 2012 die Initiative Make Light gegründet, mit der die Photonik in der Maker-Szene populärer gemacht werden soll. Die Entwicklungen werden auf der Maker Faire Hannover vorgestellt. Außerdem organisiert das Ministerium Make Light Workshops, veranstaltet Wettbewerbe und fördert Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Szene.

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