OSS-Geschäftsmodelle: Wer Geld für Soft­ware ausgibt, die kosten­los ist

Rund um freie Software wurde in den vergangenen Jahren mit ver­schiedenen Geschäfts­modellen experimentiert. Einige davon haben sich als dauer­hafte Erlös­quellen etabliert, Service­konzepte ebenso wie das verbreitete Freemium-Modell. Die größten OSS-Projekte sind aber in erster Linie strategisch motiviert.

Freemium rechnet sich erst in der Masse

Von Roland Freist

Open-Source-Software (OSS) hat sich längst gelöst von ihren Anfängen als Produkt einer Hacker-Bewegung, die sich gegen die Kommerzialisierung von Software wendete. Zahlreiche Unternehmen, darunter weltweit aktive Konzerne wie Google, Microsoft oder Facebook, haben mittlerweile die Möglichkeiten erkannt, die sich aus quelloffenen Programmen für sie ergeben. Der Siegeszug von Linux und die Geschichte von Firmen wie Red Hat, SuSE und Canonical haben zudem demonstriert, wie sich OSS für konkrete Geschäftsmodelle nutzen lässt.

Zusätzlicher Service: Beratung und Support

Der klassische Weg, um mit Open Source Einnahmen zu erzielen, sind Angebote rund um Service, Support und Schulungen. Das funktioniert vor allem bei Single-Vendor-Projekten, also bei Anwendungen, die zwar frei verfügbar sind, aber nur von einer einzigen Firma entwickelt werden, die per Lizenz externe Code-Beiträge ausschließt. Einnahmen werden in diesem Fall über eine Vielzahl von Serviceleistungen aus den Bereichen Beratung, Support, Betrieb der Software, Entwicklung und sonstigen Leistungen generiert. Martin Aschoff, Gründer und Vorstandsmitglied der Agnitas AG, zählt in seinem Blog zahlreiche Vorschläge für entsprechende Dienstleistungen auf.

In einem Artikel für das Magazin t3n relativiert Aschoff allerdings die Erfolgsaussichten dieses reinen Dienstleistungsansatzes und greift dabei auf eigene Erfahrungen zurück: So seien etwa Beratung und Schulung meist einmalige Geschäfte pro Kunde und zögen keine langfristigen Einnahmen nach sich. Wartungsverträge über Service und Support hingegen würden von vielen Kunden nach einer Einarbeitungsphase von ein oder zwei Jahren wieder gekündigt. Mehr Chancen räumt er Software as a Service (SaaS) ein, wo der OSS-Anbieter auch das Hosting und die Administration übernimmt. Dafür jedoch sei zusätzliches Know-how erforderlich.

Offen entwickeln, geschlossen verkaufen

Da diese Ansätze in der Praxis oft nur geringe und unregelmäßige Umsätze generieren, verfolgen die OSS-Unternehmen heute meist ein anderes Modell: Sie bieten lediglich eine Basisversion ihrer Software als Open Source an und verkaufen zusätzlich eine Closed-Source-Variante, die vor allem für Unternehmenskunden attraktiv ist. Prof. Dirk Riehle, der am Informatik-Department der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg einen Lehrstuhl für Open-Source-Software innehat, vergleicht die Funktion der Open-Source-Variante bei diesem Modell mit einem Türöffner: Die Kunden setzen zunächst testweise die freie Ausführung ein. Wenn sich die Software in der Praxis bewährt hat und die Kunden vom Nutzen überzeugt sind, ist ein Teil von ihnen auch bereit, dafür zu bezahlen, wenn sie dafür im Gegenzug Service und Support sowie zusätzliche Enterprise-Features und Anpassungen erhalten.

Voraussetzung hierfür ist, dass das Bedienkonzept der Open- und der Closed-Source-Software identisch ist, sodass kein zusätzlicher Einarbeitungsaufwand anfällt. Außerdem muss das Datenmodell beider Versionen identisch sein, sodass sich die Bestandsdaten ohne Konvertierung weiter verwenden lassen. Prof. Riehle weist zudem darauf hin, dass dieses Modell nur dann funktioniert, wenn das geistige Eigentum an der Software inklusive aller externen Code-Beiträge in der Firma verbleibt.

Beispiele für erfolgreiche OSS-Projekte dieser Art sind MySQL und Jaspersoft. Die Hersteller solcher Software müssen allerdings oft viel Geduld mitbringen, bis sich so viele Kunden für die Closed-Source-Variante entscheiden, dass sich die Entwicklung rentiert.

Mehr Marktanteil durch Open Source

Mittlerweile ist auch bei den großen Closed-Source-Herstellern ein unverkrampfteres Verhältnis zu OSS zu beobachten. Teilweise geben sie eigenentwickelte Software unter einer Open-Source-Lizenz frei, um auf diese Weise einen größeren Kreis von Entwicklern zu erreichen. Sie erhoffen sich davon zum einen zusätzliche Anregungen und Ideen aus der Community, zum anderen aber auch einen höheren Marktanteil. Es handelt sich dabei um eine strategische Entscheidung, die zumeist erst auf längere Sicht zusätzliche Umsätze generiert.

Wie so etwas funktionieren kann, hat Google mit dem Mobilbetriebssystem Android gezeigt. Die Firma gibt das auf dem Linux-Kernel basierende System kostenlos ab, verlangt in den Lizenzbestimmungen jedoch die Übernahme der integrierten Google-Tools. So wurden Hunderte Millionen Mobilnutzer in das Google-Universum eingebunden – Android hatte im zweiten Quartal 2014 einen weltweiten Marktanteil von 84,6 %. Ähnlich verfährt das Unternehmen mit dem hauseigenen Browser Chrome, der auf dem Open-Source-Projekt Chromium basiert und natürlich die Google-Suchmaschine sowie die Anmeldung bei einem Google-Konto als Standards präsentiert. Microsoft versucht seit letztem Jahr dieses Erfolgsmodell mit der Freigabe seiner Software-Plattform .NET zu kopieren, Apple gab aus ähnlichen Gründen seine Programmiersprache Swift frei.

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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


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